Donnerstag, 25. Oktober 2007

"Was helfen Messer gegen Kugeln und Kanonen?

Liebe ist Blut.
Gehängte noch singen die Lieder
der Hoffnung, Balladen erzählen von Heldentaten
und kommenden Revolutionen."

Ein Student der Literaturwissenschaften hatte irgendwann im Frühjahr den brennenden Wunsch, renomierte Literaten an die Uni Konstanz zu holen und über Studiengebühren finanziert eine Vorlesungsreihe zu initiieren.
Daraus entstand das einzigartige Projekt "Kalliopie im Dialog - Literatur in Bewegung", welches sich zwischen Literatur und Wissenschaft, Vergangenem und Zukünftigen bewegt und die Begegnung zum Ziel hat.












Dr. Graevenitz erzählte heute abend während der Eröffnung der Reihe und seiner Einführung zu Wolf Wondratschek's Lesung, dass er den ersten Wondratschek-Gedichtband 1978 erstanden hatte. Ich musste grinsen, denn im gleichen Jahr habe auch ich den ersten Band geschenkt bekommen und die nachfolgenden bei Zweitausendeins gekauft. Seit fast 30 Jahren begleitet mich Wondratscheks Lyrik, manches kann ich auswendig, die Seiten der Bände sind inzwischen vergilbt.

Da sass er nun, in Jeans, authentisch spröde und schnoddrig, aber als er anfing zu lesen, hauchte er den tausendmal gelesenen Gedichten neues Leben ein und verwandelte sie in kleine, poetische Kunstwerke.
Wolf Wondratschek, der gezähmte Bukowski, der Pop-Poet oder "Beinahe-Klassiker der jungen deutschen Lyrik", wie ihn Reich-Ranicki bezeichnete - auf einem plüschigen Sofa hätte ich ihm heute abend stundenlang zuhören können, auf dem minimalistischen Klappsitz im spärlich besetzten Hörsaal R711 nach einem langen Arbeitstag reichten auch anderthalb Stunden, die sich aber wirklich gelohnt haben.

Dienstag, 23. Oktober 2007

Schokoherzen im Nebel oder der Gott des Gemetzels

















Worauf ich mich nach den Sommerferien immer ganz besonders freue, ist der Moment, wenn die ersten Schokoherzen in den Regalen der Supermärkte rumstehen. Diese butterzarten Matschdinger mit dem fruchtigen Kern, in Milchschokolade gehüllt.
Auch dieses Jahr hab ich mich gleich eingedeckt mit einer Tüte voller Schokoherztüten. Zum Abendessen gab's dann gestern erst Käse mit kernlosen, weissen Weintrauben und zum Nachtisch eine Tüte Schokoherzen. Das war die letzte. Herzlos geht dieser Abend nun zu Ende. Aus Verzweiflung vergriff ich mich an harten Salzletten. Schildkröte und Salzletten, das ergibt wenig Sinn. Salzletten und Kuhmaul wäre eine passende Kombination, aber zum Glück machten wir heute abend nicht das ungeliebte Kuhmaul, sondern die Schildkröte. Und zur Schildkröte passen nun mal Schokoherzen. Keine Ahnung weshalb, vielleicht ist es der Kontrast harter Panzer weiches Herz.
Das Kuhmaul ist übrigens ein Asana aus dem Yoga und heisst auch Gomukhasana. Mein Körper ist einfach nicht kuhmaulkompatibel, deshalb mag ich dieses Asana nicht. Irgendjemand, vielleicht ich selbst, sagte heute, das Kuhmaul sei tantrisch. So ein Quatsch. Wieso sollte ein Kuhmaul tantrisch sein. Anders verhält es sich mit Kurmasana, der Schildkröte. Du hockst da, krallst dir unter den Beinen durch die Füsse und ziehst den Kopf ein. Ein bisschen ooohmm dazu und nach wenigen Minuten merkst du, wie sich ein mächtiger Panzer auf deinem gekrümmten Rücken bildet und alle Alltagslasten darauf abprallen. Das ist klasse, das ist tantrisch. Aber noch besser kommt es, wenn du dir anschliessend weiche Schokoherzen unter den Panzer schieben kannst. Heute abend gabs kein Herz, aber das habe ich ja schon gesagt. Es machte mich traurig. Trotzdem werde ich keinen Wondratschek mehr posten.

Und dann klatschten sie alle. Aber das ist wieder ne andere Baustelle. Oder auch nicht. Fragmentiertes Schreiben nenne ich das. Also, Szenen zweier Ehen oder "der Gott des Gemetzels" hiess das Stück am Sonntagabend, in dem das Gerüst bildungsbürgerlicher Normen und Konventionen an zwei ausgeschlagenen Kinderzähnen zerbricht. Eine Gesellschaftssatire. Ins Absurde abdriftende Problemlösungsversuche im intellektgesteuerten Dasein des Bildungsbürgertums beherrtschen die Szenen.
Es wurde oft laut und wissend gelacht, an diesem Abend wirkte manche Lache auch etwas verkrampft. Denn wer ob der ätzenden Dialoge der beiden Paare lachte, hat sich selbst ertappt. Ich ertappte mich auch. Ich ertappte mich bei einer diebischen Freude darüber, diesem ganzen Paarblödsinn entronnen zu sein und herzhaft lachen zu können. Dafür danke ich meinen Göttern und Göttinnen auch gerne jeden Morgen mit einem zusätzlichen Kuhmaul.

Gute Nacht.

Montag, 22. Oktober 2007

Dummes Zeug & Mona Lisa














Wunderbar stumm stehen die Menschen da.
Sie lächelt. Niemand lächelt zurück.
Sie kostet in etwa das gleiche wie eine grosse Fabrik.
Man weiss nicht einmal, ob sie lächelt.
Sie steht unter Strom.
Was passiert, wenn sie einesTages
aufhört zu lächeln?
Löst das die Alarmanlage aus?
Wird der Direktor gefeuert?
Lachen alle?

Wolf Wondratschek

New Model Army - All Consuming Fire [mp3]
New Model Army - Wired [mp3]

Nützliche Dinge











Der Punchingball
Der Montag
Ein Blick über Dächer
Die Arbeit eines Gewitters
Sinn und Unsinn

Nimm die Dinge
Wirf sie hin

Wolf Wondratschek

Stiller Haas - Fäderliecht [mp3]
Stiller Haas - Geischterbahn [mp3]

Sonntag, 21. Oktober 2007

Wolf Wondratschek















Alter Elbtunnel in Hamburg

Liebe

sie dachte damals
die Liebe sei einmalig,
und liebte deshalb auch nur einen einzigen.

Das änderte sich,
als die Liebe aufhörte
und die Liebe begann
zu einem anderen.

Sie traf dann viele,
liebte einige und vergass
einige.

Von der Einmaligkeit blieb,
was sie damals dachte.

Wolf Wondratschek

Im Rahmen der Vorlesungsreihe "Kalliope im Dialog" lädt die Uni Konstanz zur literarischen Lesung mit Wolf Wondratschek.
Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 25.Oktober im Hörsaal R711, von 18:00 bis 20:00 Uhr statt.

What else? Kalt ist es geworden. Die Mäuse sind gefrostet und liegen still und schweigen, die Katzen sind gefrustet, pennen den ganzen Tag und ich bin froh, endlich mein Mäusebestattungsunternehmen vorrübergehend still legen zu können ;)