Samstag, 2. Juni 2007

Fremdes Haus














"Du kennst mich doch, ich hab nichts gegen Fremde.
Einige meiner Freunde sind Fremde.
Aber diese Fremden da sind nicht von hier."

Fremde, fremde Heimat, fremdes Haus, fremde Freunde, fremde Menschen, fremde Feiglinge, Feinde, fremde Haut, fremde Fremde, Freunde, fremde Freude, Fremde, Feinde, Freunde, fremde Gefühle, fremde Fragen, Frage, Fragen, Fremde fragen, fremde Fremde fragen fragliche fremde Fragen. Falscher Film. Filmriss.

Fremdes Haus auf vertrauter Bühne, in der Inszenierung von Nina Gühlstorff im Stadttheater am Donnerstag.
Die Reihen waren licht und sehr unvollständig besetzt. Was das Programm beim flüchtigen Durchblättern hergab, war vielversprechend und liess schwere Kost vermuten. Das grossformatige Bühnenbild mit überdimensioniertem Hamburger bestärkte meine Befürchtungen und setzte zu Anfang die passenden Akzente für das folgende Stück.
Fünf Menschen, ergeben in Tristesse und Fatalismus, wie der Fluss des Kanals an dem sie ihr trostloses Leben fristen. Trostloses Leben in trostloser Gegend im unwirtlichen Nirgendwo.
In bedrückender Enge beäugt jeder jeden, Fremde sind unerwünscht. Sehnsüchte von Liebe, Freiheit und Wohlstand sind Träume längst vergangener Tage. Kleine Geschäfte mit Tabak, Bier, Autos und Prostitution beherrschen den Alltag, man hat sich abgefunden, arrangiert mit der Hoffnungslosigkeit.
Alle wissen über alles Bescheid, aber niemals greift einer ein, keiner tut was, alle lassen alles laufen - Warten auf eine erlösende Katastrophe.
Diese kommt in Form von Jane, einem jungen Fremden aus Mazedonien, desertiert vor dem drohenden Jugoslawienkrieg, der mit seinen Träumen und Sehnsüchten wie ein Wirbelsturm an den eingefahrenen Festen rüttelt und Bewegung in die erstarrten Verhältnisse bringt.
Wo die Fassade bröckelt, kommen Lebenslügen und Verrat zum Vorschein - am Ende bewirkt ein Freitod die Katharsis in dieser Tragödie.

Ich war zerrissen zwischen Begeisterung und Abscheu, was für die Intensität der Inszenierung spricht. Die derbe Sprache mit häufig gebrauchte Gossensprüchen wie "Fick Deine Mutter" und sinnverwandten Beleidigungen versetzten einem mitunter in die gewaltschwangere Atmosphäre grossstädtischer Glasscherbenviertel. Der Ansatz des Stückes war gut, meiner Meinung nach aber zu vollgestopft mit Klischees und Einfällen, was die sonst gute Inszenierung und die hervorragenden Qualitäten der Konstanzer Akteure spielerisch kompensieren konnten.
Zum Beispiel Jörg- gespielt von Georg Melich - der in seiner Rolle als Automechaniker und ungeliebtem Ehemann eine enorme Bühnen-Präsenz zeigte. Besonders erwähnenswert erscheint mir sein eindringlicher, sehr emotionaler Monolog über Mazedonien und die Vielschichtigkeit ethnischer Verflechtungen, welcher das Publikum zu spontanen Klatschorgien hinriss.

Obwohl es auch bei diesem Stück etliche Pausenflüchtlinge gab, was ich durchaus verstehen konnte, harrte ich bis zum Schluss aus. Das anschliessenden Guinness in der Seekuh unterstützte mich dann in bewährter Manier hervorragend beim Verdauen der schweren Kost.

Tim Buckley - Wayfaring Stranger [mp3]
Joan Baez - Wayfaring Stranger [mp3]
Neko Case - Wayfaring Stranger [mp3]

Dea Loher ist die international meistgespielte deutschsprachige Autorin der Gegenwart. 2006 ist sie »für die kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart in ihrem literarischen Schaffen« mit dem Bertolt- Brecht-Preis ausgezeichnet worden. Für Loher ist das Theater ein eminent politischer Raum, in dem ihre Stücke anthropologisch-philosophische Fragen nach Schuld, Verantwortung und danach aufwerfen, ob Freiheit möglich ist.

Mittwoch, 30. Mai 2007

Was haben wir damit zu tun?







































Fragte mich heute ein Kollege ernsthaft, als ich mich zur Telekom-Kundgebung aus dem Büro verabschiedete.
Eine aus seiner Sicht durchaus berechtigte, aber dennoch denkwürdige Frage. Zwischen Tür und Angel gab ich ihm den Tipp, über den Begriff "Solidarität" nachzudenken.
Diese Bulldozer-Politik, welche zur Zeit von der Telekom-Führung betrieben wird, die alle bisher versuchten Kahlschlagattacken in den Schatten stellt, wird bei Erfolg Signalwirkung für andere Konzerne haben. Wenn ganze Bereiche in den Niedriglohnsektor abgedrängt werden, mit Löhnen, die zum Teil unter der Mindestlohnschwelle von 7,50 Euro liegen, dann geht das nicht nur an die Grenze des Zumutbaren für die Arbeitnehmer, sondern schwächt auch in Folge die sozialen Sicherungssysteme. Und das geht widerum uns alle etwas an.
Wenn Telekom gleichzeitig ohne Not 5 Prozent - 3,1 Mrd. Euro - ihres Umsatzes an Dividende ausschüttet, kann man das nur noch als Zynismus bezeichnen. "Pfui Teufel", war die treffende Bezeichnung Berthold Maier's auf der heutigen Kundgebung dafür.
Falls es den Streikenden gelingt, die unverschämten Versuche von Lohndumping abzuwehren, wird auch dieses Signalwirkung haben. Sowohl für das Managment anderer Unternehmen, welche mit Argusaugen auf den Ausgang der Auseinandersetzung schauen, als auch im besonderen für die Arbeitnehmer anderer Branchen, welche dadurch ermutigt werden, sich gegen ähnliche Angriffe zur Wehr zu setzen.
Also, wir haben etwas damit zu tun, und ich hoffe, dass noch viele andere ihre Solidarität mit den Streikenden in der Öffentlichkeit bekunden!

Bei SeeMoz gibts auch einen ausführlichen Bericht über den Demo-Verlauf zu lesen.

Skunk Anansie - Political [mp3]

Dienstag, 29. Mai 2007

Aldo Lagrutta

"Was steht denn auf dem Plan für heute abend?"
"Ich weiss noch nicht, der Plan heisst: kein Plan. Wir könnten Hildes Wanderkarten schnappen und durch den See laufen."
"Welchen See?"
"Na, irgendeinen da draussen, die Kneipen haben wir ja alle durch."
"Dann wäre die nächste Frage: welche Farbe für die Gummistiefel?"
"Hast Du vielleicht nen langärmligen Schirm?"
"Nee, aber ne wasserdichte Unterhose."
"Gut, dann geh ich schon mal Schwimmreifen besorgen..."

Ich weiss nicht, was meine lustigen, temporären Kollegen aus Berlin für den heutigen Abend sonst noch empfehlen - ich empfehle: Unterdiedeckemitteekatzeundbuchodertvkuschelstunde.
Nicht besonders aufregend, aber trocken und warm.
Wenn's draussen auch wieder trocken und warm ist, nächsten Sonntag nämlich, empfehle ich folgendes klassische Gitarren-Konzert:
















Aldo Lagrutta
Sonntag 3. Juni 19:00 Uhr
Kulturzentrum am Münster - Wolkensteinsaal
Programm: "Espana" spanische Gitarrenmusik aus drei Jahrhunderten

Karten erhältlich im Klavierhaus Faust und in der Südkurier-Geschäftsstelle
16,-Euro

Aldo Lagrutta, Sohn eines italienischen Geschäftsmannes, entdeckte mit 15 Jahren das Spiel auf der klassischen Gitarre. Er war so fasziniert von dem Instrument, dass er sich völlig dem Studium der Gitarre widmete und dieses, normalerweise neunjährige Studium am Konservatorium, in drei Jahren absolvieren konnte.
Im Alter von nur 17 Jahren wurde er jüngster Professor am National Conservatorium für Musik in Caracas, Venezuela.
Nach 15-jähriger Lehrtätigkeit in Südamerika und den USA widmet sich Aldo Lagrutta nun nur noch seinen Konzerten und verbringt seine Zeit in Venezuela, den USA und Europa. Seitdem er als “Acharya” ordiniert wurde (der, der durch eigenes Beispiel lehrt) unterstützt er andere, ihre innere Welt zu erweitern durch die Stille der Meditation. Es ist auf Grund dieser Lebensart und der Widmung seiner Kunst, dass er sein Instrument so “beherrscht, wie nur wenige Meister”.

Freunde der klassischen Gitarre sollten sich dieses Konzert nicht entgehen lassen!

Sonntag, 27. Mai 2007

Geburtstag














Das war mein Lieblingsbaby vor 24 Jahren.
Und heut? Nein, sie spuckt mir nicht auf den Kopf, obwohl das bei meiner körperlichen Grösse keiner besonderen Anstrengung bedarf, nein, sie ist in Anstand gewachsen und gealtert und wir begegnen uns exakt auf Augenhöhe ;-) Heut ist Lieblingsbaby 24 Jahre jung geworden.
Einen fetten, virtuellen Burzeltagsknutscher von Deiner Mum, Baby. Schön, dass es Dich gibt :-) Geh weiter Deinen Weg, und - ich bin stolz auf Dich!
Dein altes Schlaflied, welches meine geduldige Klampfe einige Saiten gekostet hat, hier mal nicht von mir gespielt:

Jeff Beck - Greensleeves [mp3]
Loreena Mckennitt - Greensleeves [mp3]
Sarah Mclachlan - Greensleeves [mp3]
Mozart - Greensleeves [mp3]
Jethro Tull - Greensleeves [mp3]
John Coltrane - Greensleeves [mp3]
und weils so schön ist und Dein Geburtstag meistens den Sommer mitbringt, hier noch Coltrane's Summertime. Auch wenn sich Summertime erst mal verabschiedet hat...
John Coltrane - Summertime [mp3]

Freitag, 25. Mai 2007

Im Zeichen der Zwillinge



















Das könnten meine Zweibeiden sein, wenn sie nicht schon aus den Knien rausgewachsen wären. Immerhin sind beide Geminis. Also nicht richtig, die eine im Mai, der andere im Juni, aber jeder für sich ist schon ein rechter Solo-Zwilling. Ach was, zu kompliziert, hier gibts den einfachen
mythologischer Hintergrund:

Die Namen der beiden hellsten Sterne, Castor und Pollux, kann man man in der griechischen Mythologie wiederfinden:

Dereinst verführte Zeus Leda, die Gattin des Königs von Sparta, Tyndareos. Um sich Leda nähern zu können, nahm Zeus die Gestalt eines Schwanes an. Leda wurde schwanger und gebar die Zwillinge Castor und Pollux. Zeus war auch der Vater von Helena, der Schwester der Zwillinge. Es handelte sich um dieselbe Helena, die von Paris geraubt und nach Troja gebracht wurde; dies war der Anlaß zum Ausbruch des trojanischen Krieges.

The Moody Blues - Gemini Dream [mp3]

Bet Williams













Der heisse Tipp vom Blog-Nachbar trieb mich heute abend zu
Bet Williams ins K9.
Es war wirklich ein ausergewöhnliches Konzert, klein aber fein, im nicht überfüllten Saal der ehemaligen Paulskirche.
Von folkig bis rockig, mal sanft, mal laut und beeindruckend virtuos, begleitet von Bass, Piano und Schlagzeug, spielte Bet Williams auf der verstärkten Akkustikgitarre und sang dazu mit ihrer über 4 Oktaven umfassenden, fantastischen Stimme. Ausserdem ist die Frau mit einen feinen Sinn für Humor und unaufdringlichem Charme ausgestattet, was Bet ausgeordentlich sympathisch machte.
Zur letzten Zugabe brachte sie ihren "little man" mit auf die Bühne, Söhnchen durfte auf den Knien des Drummers mitrocken und hatte offensichtliche Freude daran.
Es hat einfach grossen Spass gemacht, Bet Williams und ihre Band live zu erleben, die dürfen ruhig öfter's nach Konstanz kommen!
Fazit: tolle Musik - klasse Band - schöner Abend.

Hier eine Hörprobe aus dem "Epiphany Projekt":

Bet Williams - Chasing The Moon [mp3]