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Dienstag, 10. März 2009

18. Der Dempster Highway








Es gibt wenige Srassen auf der Welt wie den Dempster.
Früher ein Pfad der Gwitchin-Indianer, später als Hundeschlitten Trail genutzt, auch von William John Duncan Dempster, nach dem diese Strasse benannt wurde. Er fuhr hier in den 30ern des vorigen Jahrhunderts mit seinem Hundeschlittengespann bei -40 Grad Patrouille für die Royal Canadien Mounted Police.
40 km hinter Dawson beginnt der Highway und schlängelt sich 736 km durch die Berge bis weit über den Polarkreis ans Eismeer, nach Inuvik in den Northwest Territories. Wer ihn befahren möchte, sollte dies möglichst mit einem Four Wheeler Truck tun, denn der Highway ist eine staubige Schotterpiste mit einem Dasein voller Schlaglöcher - Massengräber von zerfetzten Autoreifen am Strassenrand zeugen stumm davon.
Seit 1979 gibt es diese "Road to Nowhere", durchgängig befahrbar nur etwa 10 Monate im Jahr.
In der schneefreien Zeit im Juli und August rücken Arbeiterkolonnen der Piste auf den Schotter, um die Schlaglöcher zu stopfen.
Zu dieser Zeit ist der Highway "bevölkert" von Touristen, die einmal mit dem Wohnmobil den Dempster bezwingen wollen, von Dawson City bis ans nördliche Ende des Kontinents.
Bevölkert heisst hier, es taucht ungefähr einmal pro Stunde ein Fahrzeug auf, zwei sind seltener Zufall.

Auch wir wollten uns heute ins staubige Getümmel auf dem Dempster mischen. Aber nicht das Eismeer - die Tobstone Mountains sollten unser Ziel sein, nur ca. 70 km weit mussten wir uns dafür durchschütteln lassen.
Jerry verpassten wir für die drei Tage bis zu unserer Rückkehr ein Zimmer im Bunkhouse in Dawson und los ging's bei strahlend frostigem Sonnenschein.
Durch urzeitlich anmutende Mooslandschaften schlängelte sich die Piste, durch Gebirge mit namenlosen Gipfeln, durch violett und rostrot gefärbte Spätsommer-Tundra, kein Mensch weit und breit, kein Tier, kein anderes Fahrzeug - nur Stille. Es war, als würden wir ans Ende der Welt fahren, oder durch Mittelerde, hinein in Tolkiensche Fantasielandschaften - die Olgivie Mountains scheinen nicht von dieser Welt.
Immer wieder machten wir Halt, um diese Farbenpracht einzuatmen, um das grossartige, stumme Schauspiel der bizarren, surrealistisch anmutenden Natur auf uns wirken zu lassen.
Hin und wieder blähte sich am Horizont eine mächtige Staubwolke auf, die näher kam um kurz vor dem Zusammentreffen ein Fahrzeug auszuspucken.
Bei km 71 erreichten wir den Tombstone Campground, auf dem wir die kommenden Tage unser Zelt aufschlagen wollten. Im vorigen Jahr war der Capground vorrübergehend geschlossen, nachdem ein Grizzly dort ein Wohnmobil ausgeräubert hatte. Wir hatten Glück, er war offen.
Die Indianerfamilie, welche den Platz betreut, informierte uns gründlich über die Beschaffenheit der Trails im umliegenden Gebiet. Mehrere Wege waren gesperrt, damit sich die Grizzlies dort ungestört ihren Winterspeck anfressen konnten.
Wir stellten unser Zelt auf und machten uns dann auf den Weg in die Tundra. Eisiger Wind pfiff uns dabei um die Ohren - Mittelerde präsentierte sich von seiner unwirtlichen Seite. Immer dunklere Wolken brauten sich zusammen, das Zwielicht gepaart mit der grandiosen, urzeitlich anmutenden Landschaft erzeugte eine unwirkliche Stimmung. Schneeflocken, getrieben vom Wind, tanzten wild durch die Luft und plötzlich raubte uns minutenlang ein kleiner Schneesturm die Sicht. Wieder am Campground angekommen, war der Spuk schon vorbei.
Rauch quoll aus dem Schornstein der Schutzhütte, die anderen Camper hatten schon ordentlich eingeheizt und nach dem Eintreten machte sich wohlige Wärme breit. Wir schnackten eine Runde und während wir unser Abendessen zubereiteten, machte sich bleierne Schwere in den Gliedern breit. Die Hitze vom Ofen liess uns schnell auftauen, brachte die Wangen zum Glühen und das abendliche Bier gab uns den Rest - von der Müdigkeit übermannt trollten wir uns in die Nacht hinaus in unser frostiges Lager. Mehrere Lagen Kleidung, die guten Schlafsäcke, in welche wir ein paar mit heissem Wasser Flaschen gefüllte Flaschen stopften, sorgten dann schliesslich für warme Füsse und einen tiefen Schlaf.

Blitzen Trapper - Big Black Bird [mp3]
Blitzen Trapper - Canyon's Edge [mp3]
Blitzen Trapper - Sleepy Time In A Western World [mp3]

Mittwoch, 4. März 2009

17. Midnight Dome





Böses Brummen in meinem Kopf weckte mich am nächsten Morgen - die vergangenen Nacht forderte ihren Tribut. Zahlungswillig am Tresen wartend und schwupps, standen gleich wieder drei Drinks vor mir - drei zuviel. Es war wohl Zahltag in den Goldminen und da schmissen die spendablen Jungs mit ihren Dollars nur so um sich.
Egal, ich bereute nichts.
Die Boote mussten erst mal versorgt werden, denn am nächsten Tag sollte es weitergehen auf dem Dempster Highway in die Olgivie Mountains. Also, eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht und schon war der Blick wieder klar.
Phil ist Frankokanadier, Goldwäscher und ein Freund von Jerry.
Auf den Goldclaims am Klondike River hinter Dawson lebt er im Wohnwagen, sein Husky hat ein eigenes Domizil in einem Autowrack. Auf diesem Gelände wollten wir bis zur Rückkehr aus den Bergen die Kajaks zwischenlagern. Nach einer Irrfahrt duch die Goldfelder fanden wir den Platz mit Hund, von Phil jedoch keine Spur. Eine kurze Nachricht geschrieben, Boote und Kisten abgelegt und zurück - Wasch- und Putztag war angesagt. Wir trollten uns mit dem Bündel Klamotten vom Fluss zu einem RV-Park in Dawson, wo man für ein paar Loonies die Waschräume nutzen konnte. Während die Wäsche in den Riesenmaschinen ihre Runden drehte, hüpften wir unter die Dusche und genossen ausgiebig dieses seltene, erfrischende Ereignis.
Ein paar Einkäufe, dann fuhren Bernd und Jerry nochmals zu Phil, um mit ihm über einen Autokauf zu verhandeln.
Das kam mir gerade Recht, so konnte ich mich mal abseilen und in aller Ruhe den Midnight Dome, einen Aussichtsberg hinter Dawson, erkunden. Ein abenteuerliches Unterfangen, denn was auf den ersten Blick ziemlich nah und leicht erreichbar wirkte, entpuppte sich als Gewaltmarsch. Stundenlang trabte ich durch den Wald, stiess dann auf eine Schotterpiste und wähnte mich dem Ziel nahe. Doch eine Serpentine nach der anderen folgte, kein Mensch weit und breit, gerade mal drei Fahrzeuge kamen mir entgegen. Dafür schienen sich hier mehrere Bären herumzutreiben, der Strassenrand war gepflastert mit gewaltigen, mit Beeren durchsetzten braunen Häufen - ein deutliches Zeichen.
Bei diesem Anblick wurde ich etwas hasenherzig und um mich zu beruhigen, suchte ich mir einen kräftigen Prügel und fing an laut zu singen, in der Hoffnung, die Bären damit auf Abstand zu halten. Sehr effektiv, denn offensichtlich vertrieb ich mit meinen schrägen Arien nicht nur die Bären, sondern auch sämtliche anderen Lebewesen, nicht mal die sonst überall präsenten Mücken trauten sich mehr in meine Nähe.
Endlich oben angekommen, genoss ich nur kurz den wunderbaren Ausblick, machte mich aber gleich wieder auf den Rückzug, denn es fing schon an zu dämmern.
Ziemlich erschöpft erreichte ich dann kurz vor Mitternacht die Fähre, welche zum Glück nachts durchgehend bei Bedarf zwischen Dawson und dem am gegenüberliegenden Ufer befindlichen Campground hin und her pendelt.
Bernd und Jerry waren sichtlich erleichtert, als sie das Irrlicht meiner Stirnlampe erspähten!

Blitzen Trapper - Wild Mountain Nation [mp3]
The Strokes - Walk On The Wild Side [mp3]
Beirut - My Wife, Lost In The Wild [mp3]

Samstag, 28. Februar 2009

16. Vom Fluss in die Berge

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak































































Das Verladen von Booten und Gepäck auf den Truck am nächsten Morgen nahm einige Zeit in Anspruch. Gegen Mittag waren wir soweit und es konnte losgehen, auf dem Taylor Highway durch den Indian Summer erst mal zur kanadischen Grenze.
Der Grenzposten bei Poker Creek schien schon auf uns zu warten, denn der Highway ist nicht sehr stark frequentiert, während des Winters ist er komplett gesperrt. Vermutlich war ihm langweilig und ein Schwatz mit uns willkommen - etwa alle 2 Stunden ein Auto, da kommt jede Abwechslung recht. Die üblichen Fragen - woher? wohin? Waffen? Lizenz? Ja, zwei. Beim "warum?" sprang Jerry geistesgegenwärtig in die Presche und erklärte dem Grenzer, dass z.B. ein angreifender Grizzly nur mit einem Grosskaliber erlegt werden könne. Um den potentiellen Angreifer erwischen zu können, brauche man Übung. Mit einem Grosskaliber zu trainieren sei aber 1. zu kostspielig und 2. zu laut, für diesen Zweck diente uns das das 22er Kleinkalibergewehr. Uff ! Stempel in die Pässe und weiter ging's.
Im Yukon Territory geht der Taylor Highway in den Top of the World Highway über. Dieser Highway ist zwar nur eine schmale, staubige Schotterpiste, trägt seinen Namen aber zurecht, denn man hat die ganze Fahrt über den Eindruck, die Welt läge einem zu Füssen. Die Strasse windet sich über 105 km durch menschenleere Berge nach Dawson City und bietet dem Reisenden eine fantastische Aussicht.
Von den zahlreichen Schlaglöchern durchgerüttelt erreichten wir am Abend Dawson City. Es war wieder mal eiskalt und nachdem wir unser Zelt auf dem Campground aufgebaut hatten, heizten wir erst den Ofen im Cooking Shelter ordentlich ein, damit uns beim Abendessen die Lippen nicht zwischen den Bissen zusammenfroren. Während der müde Jerry beschloss, sich nach der langen Fahrt auf's Ohr zu legen, machten wir uns auf den Weg zur Fähre, setzten über den Yukon River und feierten im Pit, der urigsten Kneipe von Dawson, mit Goldwäschern, Indianern, Trappern und anderen schrägen Gestalten bis in den frühen Morgen.

Bob Dylan - Highway 61 [mp3]
PJ Harvey - Highway 61 [mp3]
Bachmann-Turner Overdrive - Roll On Down The Highway [mp3]
Tom Cochrane - Life Is A Highway [mp3]

Donnerstag, 29. Januar 2009

15. Eagle und die Yukon Queen

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak













































































Der achtzehnte und letzte Tag unseres Flussabenteuers dämmerte und erfreut stellten wir fest, dass der Sturm sich etwas gelegt hatte. Wir brachen zeitig auf, wussten wir doch nicht, welche Überraschungen der Fluss für uns noch bereithielt. Die Schwierigkeiten waren aber zum Glück vergleichsweise gut zu meistern und wir kamen zügig voran.
Nach ein paar Stündchen erreichten wir die Grenze zwischen Kanada und Alaska. Lediglich eine Schneise im Wald, ein Grenzstein und zwei an einem Seil aufgehängte Flaggen weisen darauf hin.
Durch die Waldschneise könnte man theoretisch bis zum Nordpolarmeer schauen, sie verläuft über 2.000 km schnurstracks durch die Wildnis. Wir machten uns auf die Socken und meldeten uns in Ermangelung eines Grenzpostens beim Stein in Alaska an.
Während wir uns ein wenig die Füsse vertraten, vernahmen wir aus der Ferne das Grummeln von Motoren - das konnte nur die "Yukon Queen" sein. Der Katamaran schippert im Sommer einmal täglich morgens Touristen von Dawson City nach Eagle und nachmittags den Yukon aufwärts wieder zurück. Wenn sie uns sah, drosselten sie ihre starken Motoren und wechselte auf die andere Seite, die mächtigen Wellen hätten uns sonst umgeworfen. Da man sie aber meistens hört lange bevor man sie sieht, hatten wir es immer geschafft, rechtzeitig an Land zu gehen. Als das Schiff über die Grenze fuhr, ertönte plötzlich aus dem Lautsprecher eine Stimme: "welcome to the United States of America". Wir erschraken erst mal mächtig, fühlten uns fast ertappt und mussten dann lauthals lachen, als wir begriffen, dass diese Begrüssung uns galt, denn der Kahn fuhr ja gerade aus den USA hinaus.
Nach dieser netten Einlage machten wir uns auf die letzten Kilometer und bald schon sahen wir die ersten Hütten am Ufer, welche dann immer dichter beeinander standen und die Ortschaft Eagle bildeten.
In der Nähe des Hafens legten wir die Kajaks an und gingen erst mal auf die Suche nach unserem Fahrer Jerry, der uns wieder nach Whitehorse zurückbringen sollte.
Nicht lange, und wir fanden ihn im Riverside Cafe, der einzigsten Kneipe in Eagle, wo er sich auch schon ein Zimmer gemietet hatte. Die Freude über das Wiedersehen und die gelungene Tour war gross und bei ein- zwei Kaffee bequasselten wir unsere weiteren Pläne. Als nächstes mussten wir nach einem Grenzposten Ausschau halten um die Einreiseformalitäten zu erledigen. Das Office war aber unbesetzt und abgeschlossen, so fragten wir im Laden nebenan nach, ob uns jemand Auskunft über den Verbleib des Officers geben könnte. Ein kurzer Anruf, und wenig später kam der Ranger auf seinem Quad angesaust und wir folgten ihm in sein Büro, wo er ziemlich unkonventionell unseren Pässen die Stempel verpasste. Bei einem netten Plausch erfuhren wir nebenbei, dass unsere Ankuft gerade seine Fischfangaktivitäten unterbrochen und er uns sowieso schon mit dem Fernglas entdeckt hatte und wo wir unser Zelt aufstellen könnten.
Jerry war wohl müde nach der langen Fahrt und hatte sich zwischenzeitlich in sein Zimmer verdrückt und nach einem kleinen Rundgang durch den Ort fuhren wir zu den Booten, holten das Zelt und die Schlafsäcke und machten uns auf den Weg zu unserem Nachtlager.
Dort entdeckten wir einen Biberbau und hatten das Glück, diese putzigen Gesellen bei ihrer Arbeit beobachten zu können. Eine wunderschöne Abendstimmung rundete dieses Erlebnis ab, mit der Vorfreude auf's nächste Abenteuer - die Tombstone Mountains - liessen wir den Abend am Lagerfeuer ausklingen und krochen mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl in die wärmenden Schlafsäcke.

Iggy Pop - Lust For Life [mp3]
Talking Heads - Once In A Lifetime [mp3]
The Band - Life Is A Carnival [mp3]
The Rolling Stones - 2000 Light Years From Home [mp3]
Sid Vicious - My Way [mp3]

Dienstag, 13. Januar 2009

14. Wellenreiten

Von Pelly
Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak















































































Der nächste Morgen begann genau so ungemütlich, wie der Abend zuvor geendet hatte.
Mit Sand überbackene Ham and Eggs sind nun mal nicht jedermanns Sache, dementsprechend fiel das Frühstück knapp und wortkarg aus. Die Luft war raus, mit knirschenden Zähnen machten wir uns wieder auf die Socken und paddelten ziemlich lustlos weiter. Der Himmel zeigte sich dunkel verhangen und liess nichts Gutes ahnen. Einzig die Aussicht auf unser unaufhaltsam nahendes Ziel hellte die Stimmung etwas auf - noch ca. 65 km waren bis Eagle zu bewältigen, bei guten Bedingungen konnten wir das an diesem Tag schaffen.
Bald fuhren wir zwischen dem Old Man und dem Old Woman Rock hindurch. Zwei markante Felsen ragen dort zu beiden Seiten des Flusses - rechts Old Man und am linken Ufer Old Woman.

Eine Legende erzählt von einem Indianerstamm, der früher hier gelebt hatte. Einer der Männer war mit einer fürchterlichen Megäre verheiratet. Nichts was er tat, war ihr gut genug. Sie meckerte an allem herum und als ihr Mann älter und nicht mehr so erfolgreich war, wie die jüngeren Jäger, wurde das Gemecker immer schlimmer. Eines Tages wurde es ihm unerträglich, er gab ihr einen Tritt in den Allerwertesten, worauf sie ans andere Ufer flog und sich in Stein verwandelte. Der Alte hatte nun endlich seine Ruhe, legte sich am Ufer nieder und verwandelte sich ebenfalls in Stein, auf dass er immerfort ausruhen konnte.
Es befanden sich noch ziemlich viele Felsen dies- und jenseits des Flusses...ob die wohl aus einer ähnlichen Geschichte stammten?

Jedenfalls schienen die Seelen der Beiden abgetaucht zu sein und sich immer noch heftig zu kabbeln, denn das dicke Ende erwartete uns kurz nach den Felsen in Form von respekteinflössenden Kabbelwellen. Das Wasser war aufgewühlt, tobte sich in zahllosen Strudeln aus und die Sturmböen türmten mächtige Wellenberge auf. In einer fast rechtwinkligen Linkskurve des Yukon erhob sich zudem vor unseren Augen eine stattliche Felsnase aus dem rechten Ufer und da wir uns in der rechten Fahrrinne befanden, trieben die Boote direkt darauf zu. Mist ! Das sah nicht gut aus... Spontan kam mir der Paddler in den Sinn, der wenige Monate zuvor in der Nähe gekentert war und tot auf einer Sandbank bei Eagle gefunden wurde.
Wir beschlossen, dieses Schicksal nicht teilen zu wollen und landeten erst mal an, um vom Ufer aus erst die Lage zu peilen und dann eine passende Strategie zu ergreifen.
Ziemlich schnell wurde uns klar, es blieb nur eine Möglichkeit: möglichst schnell den Fluss zu queren und in der Nähe des gegenüberliegenden Ufers in ruhigeres Fahrwasser zu kommen - bei der Flussbreite und den meterhohen Wellen kein einfaches Unterfangen.
Die ewigen Jagdgründe waren hier in Sichtweite, deshalb sprachen wir vor dem heissen Ritt über die Wellen nochmal alle Möglichkeiten durch, für den Fall, dass einer von uns auf Tauchstation gehen sollte. Die Wassertemperaturen taugten zwar vorzüglich zum Bierkühlen, aber die Chancen, bei diesen Bedingungen quicklebendig schwimmend ans Ufer zu kommen, standen nicht besonders gut und ein Boot einzufangen war hier ziemlich aussichtslos. Also nahm mich Bernd als der Erfahrenere von uns Beiden wieder mal an die Leine. Mir war ganz übel vor Angst als ich ins Boot krabbelte, doch mit dem ersten Paddelschlag wurde ich unheimlich ruhig und konzentriert und wusste nur Eines: HIER würde ich NICHT baden gehen!
Der Spuk dauerte eine gefühlte halbe Ewigkeit, vielleicht auch eine halbe Stunde, dann waren wir drüben, patschnass zwar, aber wir hatten es geschafft und das Ufer in greifbarer Nähe. Dort war die Strömung nicht mehr ganz so stark und die Wellen nicht mehr so umwerfend hoch und nach wenigen Kilometern navigierten wir uns durch die "Dozen Islands", eine Inselgruppe, die aus zwölf mehr oder weniger grossen Eilanden bestand.

Richtig weit waren wir zwar an diesem Tag noch nicht gekommen, aber wir wollten unsere Kräfte für den Endspurt schonen und beschlossen, noch mal eine Nacht am Fluss in einem nahegelegenen Fishcamp zu verbringen. Ein schmaler Weg führte steil zu den Hütten des verlassenen Camps. Ausser einem leeren Kühlhaus für die Lachse, einer Hütte mit Baumaterialien und einigen Autowracks standen dort noch ein Küchenhaus und - wir konnten unser Glück kaum fassen - eine Sauna ! Die Fenster der Kochhütte waren ringsherum mit dicker Folie zugetackert, die bei näherem Augenschein ziemlich zerschlissen aussah. Angelockt von leckeren Kochdünsten hatte wohl Meister Petz hier seine Krallen gewetzt - an mehreren Stellen immer fünf Schlitze nebeneinander waren deutliche Spuren. Innen sah es sehr aufgeräumt aus, Herd, Spüle, Tisch, Bänke, Geschirr und Werkzeug war alles gut sortiert vorhanden und der ordentlichen Holzofen in der Mitte liess auf eine warme Nacht hoffen. Allerdings pfiff ein eiskalter Wind durch die Ritzen, so dass wir uns erst mal auf die Suche nach Folie machten, um die Löcher zu flicken. Die fanden wir samt Tacker auch gleich und flugs war der Laden dicht, Tee und Essen gekocht und nachdem wir dem Bollerofen ordentlich eingeheizt hatten, nahmen wir mit Handtuch bewaffnet Kurs auf die Sauna.
Diese präsentierte sich als einfallsreiches Tüftlerkunstwerk, erfüllte aber nach dem ersten Probelauf 100%ig seinen Zweck. Herrlich war es, nach diesem anstrengenden Tag die müden Knochen im heissen Dampf zu entspannen, in den kalten Fluss zu hüpfen und abschliessend nach der Dusche in warme, trockene Klamotten zu schlüpfen.
Zurück im Folienhaus breiteten wir unser Lager kurzerhand neben dem Ofen auf dem Boden aus, zündenten noch eine Laterne an und kuschelten uns in die warmen Schlafsäcke.
An Schlaf war jedoch kaum zu denken. Der Wind rüttelte an dem dünnwandigen Häuschen, pfiff durch die Ritzen und brachte die Bäume draussen zum ächzen, dass mir ganz mulmig wurde. Immer wieder horchte ich in die unruhige Nacht hinaus und mit Bangen dachte ich an den nächsten Tag.

Mittwoch, 7. Januar 2009

13. Forty Mile

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak























































































Besonders zu schätzen gelernt hab ich im Yukon, dass fast alle Trapperhütten von jedem vorrübergehend genutzt werden können, sofern sie nicht grade von Jägern belegt sind. Meistens befinden sich mehrere Blockhütten an einem Ort; eine davon ist üblicherweise für Gäste - meist Kanuten oder andere Jäger - ausgewiesen. Vorraussetzung für die Benutzung ist selbstverständlich das Verlassen der Hütte in einem Zustand, in dem sie vorgefunden wurde.
Cassiar Creek ist im Besitz des Paares Cor Guimond und Agata Franczak, beide Trapper und Musher. Es sah so aus, als ob schon längere Zeit niemand mehr da gewesen wäre. In der Hütte fanden wir einige Exemplare der beliebten "Dawson City Girls Calender", welche Agata Franczak 2004 kreiert hatte, um ihre Teilnahme am Yukon Quest zu finanzieren.
Die Durchführung ist sehr teuer - nur die besten Hunde und Musher haben eine Chance, sich auf den ersten Ränge zu platzieren, d.h., die Hunde müssen ganzjährig aufwändig betreut und trainiert werden und hochwertiges Futter erhalten. Dafür winkt dem Sieger ein Preisgeld von 35.000 US-Dollar, und er kann damit übers Jahr die Kosten für Hunde und Lebensunterhalt bestreiten.

Das Rennen führt über 1.600 km und dauert je nach Wetterlage und Kondition der Musher und ihrer Schlittenhunde 10 bis 14 Tage. Die Strecke führt entlang dem historischen Klondike Gold Rush. Die Musher müssen ihre Ausrüstung selbst auf dem Schlitten transportieren und dürfen keine Hilfe von außen erhalten außer in Dawson City, wo sie die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht haben.

Nachdem ich wieder zu Hause war, erfuhr ich, dass Agata 2006 im Alter von 51 Jahren verstorben war. Sie hatte Krebs.

Obwohl der Herbst langsam Einzug hielt und die Temperaturen nachts schon Richtung Gefrierpunkt sanken, wärmte sich die Luft tagsüber bei Sonnenschein T-Shirt tauglich auf. Während der drei Tage, die wir auf dem Anwesen verbrachten, machten wir einige Exkursionen ins Hinterland. Wir erkundeten den Bachlauf des Cassiar Creek, wo früher nach Gold geschürft wurde und fanden einen - leider - verlassenen Biberbau. Auf Tierpfaden schlugen wir uns durch dichtes Buschwerk auf die angrenzenden Berge, aber ausser Mücken und Vögeln begegnete uns kein einziges Tier. Frische Tierspuren fanden wir viele - ständig begleitete uns das gar nicht so unangenehme Gefühl, dass die Bären, Wölfe und Elche kurz vor uns da waren und in angemessenem Abstand vor uns hertrabten.
Auf einem der Berge stiessen wir mitten im Dickicht zufällig auf eine alte, verfallene Goldgräberhütte samt Gerätschaften - vergessene Artefakte eines harten Lebens, die in weitem Umkreis verstreut lagen.
Am dritten Tag - meine Schultern waren wieder einigermassen hergestellt - zog es uns weiter flussabwärts. Wir genossen nach ausgiebigem Frühstück noch ein Sonnenbad auf den Steinen am Fluss, bepackten dann die Boote und paddelten nach Forty Mile, wo wir einen Abstecher in die Geisterstadt an der Mündung des Forty Mile River machten.
Die Han, Vorfahren der First Nation der Tr'ondëk Hwëch'in, nutzten das Gebiet um Forty Mile seit etwa 2000 Jahren. Im Winter wurden die hier den Yukon überquerenden Karibuherden bejagt und im Frühjahr und Sommer wurde Lachsfischerei betrieben.
Seit 1998 befindet sich Forty Mile zusammen mit den historischen Stätten Fort Constantine und Fort Cudahy im gemeinsamen Besitz und unter gemeinsamer Verwaltung der Tr'ondëk Hwëch'in und der Regierung des Territoriums.
Von dem ehemals wichtigen Handelsposten und ersten Stadt im Yukon Territory existieren heute nur noch wenige der historischen Gebäude. Wir machten auf unserem Landausflug die Bekanntschaft mit einem Angehörigen der Tr'ondëk Hwëch'in First Nation, der hier siedelt, um die alten Häuser instandzuhalten und die Landschaft zu pflegen.
Allerdings hielten uns dort nicht allzu lange auf, denn Jerry, unser Fahrer aus Whitehorse, erwartete uns schon 2 Tage später in Eagle um die Boote und uns wieder zum Lake Laberge zurückzubringen. Es waren zwar nur noch 85 km bis Eagle, doch wir hatten immer noch mit starkem Wind zu kämpfen und ausserdem gab es auf dem Fluss häufig Hindernisse in Form von Schwemmholz, Untiefen und starke Strudeln, die uns etwas ausbremsten.
Am Abend fanden wir eine geeignete Kiesbank und schlugen dort wieder mal unser Zelt auf. Besonders gemütlich war es nicht, der starke Wind blies den Sand über die Insel, panierte unser Abendbrot und zwang uns zu unfreiwilligen Kriegstänzen ums Lagerfeuer. Nicht lange, und wir lagen unterm schützenden Zeltdach und kuschelten uns in die wärmenden Schlafsäcke.

Samstag, 3. Januar 2009

12. Cassiar Creek

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak















































Einer der schönsten Abschnitte des Yukon Rivers erwartete uns, als wir um 15:30 Uhr die bepackten Kajaks bestiegen, um Dawson City den Rücken zu kehren und die restlichen 160 km bis zur Alaskanischen Grenze in Angriff zu nehmen. Da es unweit des Nordpolarkreises Ende August bis ca. 23 Uhr noch hell ist, hatten wir genügend Zeit, unser angepeiltes Ziel - das 60 km entfernte Cassiar Creek - bei Tageslicht zu erreichen. Im Gegensatz zum mäandernden, labyrinthartigen Flussverlauf vor Dawson, wird der Yukon hier immer schmaler und manch hoher Berg und schroffe Fels säumt die Ufer.
Ein immer stärker werdender Sturm, der uns direkt von Norden kalt ins Gesicht blies, machte uns enorm zu schaffen und wir kamen nur sehr langsam voran. An manchen Stellen peitschten Fallwinde das Wasser auf und heftige Böen schüttelten uns und die Boote, so dass wir trotz schneller Strömung seitlich abgetrieben wurden und ein Vorwärtskommen völlig unmöglich wurde. Um das Paddel nicht dem Spiel des Sturms preiszugeben, krallte ich mich wie verrückt daran fest und so kämpften wir uns mit aller Kraft Meter für Meter durch die unzähligen Flusswindungen. Nach 2 Stunden sichteten wir endlich eine Kiesbank und legten dort eine kurze Stärkungspause ein.
Der Sturm legte sich nicht wie erhofft, sorgte aber immerhin für einen wolkenlosen Himmel. Dies hatte jedoch zur Folge, dass durch die Westkehre des Yukons die immer tiefer sinkende Sonne uns direkt in die Augen strahlte. Die Reflektionen auf der Wasseroberfläche taten ihr übriges, wir waren so geblendet, da half nicht mal mehr die Gletscherbrille.
Meine Schultern schmerzten bei jeder Bewegung und fingen an zu brennen wie Feuer; intuitiv ahnte ich, dass unsere bisher relativ leichte Tour eine abenteuerliche Wendung nehmen könnte.
Die Elemente hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes gegen uns gewendet und es gab weit und breit keinen Ausstieg - wir mussten weiter.
Am Ende meiner Kräfte fing ich an, Sonne, Wind und Wellen zu hassen. Die trügerische Schönheit der Natur verwandelte sich immer mehr in eine Hölle und immer öfter stellte ich mir die Frage "warum machst Du das nur?"
Als meine Muskeln zu krampfen begannen und ich das Boot nicht mehr steuern konnte, nahm mich Bernd eine Weile ins Schlepptau.
Wir wussten, es konnte nicht mehr allzu weit sein, 5 oder 10 km noch, dann wären wir am Tagesziel. Wieder losgelöst von Bernd's Leine - auch er war ziemlich entkräftet - suchten wir verzweifelt und fast blind die Anlegestelle von Cassiar Creek.
Die letzten Meter wurden zur Qual, mein ganzer Oberkörper fühlte sich an wie Beton und als wir endlich das befreiende Ziel erreicht hatten, konnte ich mich kaum noch bewegen. Als Bernd mich aus dem Boot gezogen hatte, wurde ich von einem Weinkrampf geschüttelt und brach vor Erschöpfung am Ufer zitternd zusammen.
Bernd schleppte mich in eine der Trapperhütten oberhalb des Steilufers, machte ein Feuer im Ofen und bedeckte mich mit allem, was uns an Wärmendem zur Verfügung stand. Zwei Stunden vergingen, bis das Zittern allmählich aufhörte und währenddessen räumte er die Boote aus, kochte Tee und eine stärkende Suppe.
Immer noch unfähig, mich zu rühren war ich unendlich glücklich, in der heimeligen, warmen Hütte so liebevoll umsorgt zu werden.
Nachdem wir die Blockhütte bärensicher verrammelt hatten, fiel es uns nicht besonders schwer, in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.

Van Morrison - Moondance [mp3]

TV On The Radio - Wolf Like Me [mp3]
The Cure - Boys Don't Cry [mp3]

Sonntag, 14. Dezember 2008

Dawson City Ghost Town & music at the Pit

11. Auf nach Dawson !

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak






Die letzte Nacht auf Galena Creek brachte besseres Wetter, der Regen hielt endlich inne. Alpträume, in denen ich mit dem Boot auf einen Felsen rauschte und anschliessend in den kalten Fluten versank, quälten mich des nachts und bescherten mir einen unruhigen Schlaf. Beim Frühstück beschäftigten wir uns dann vor allem mit Startstrategien - entweder geradeaus in die Strömung, was mich der bedrohlichen Felsnase vermutlich auf Tuchfühlung nahe bringen würde oder gegen die Strömung aus dem Kehrwasser heraus, was widerum die Gefahr des Kenterns barg. Wir entschieden uns kurzerhand für eine dritte Variante - quer zur Strömung. Der Bug wurde sofort eingenordet, ein bisschen gegengehalten, und schon nahmen wir in ungefährlichem Abstand zum Fels schnell Fahrt auf.
Etwa 1 km vor Dawson wird der Yukon in der Zielgeraden ziemlich schmal und legt noch mal an Tempo zu. Nachdem wir die ersten Häuser passiert hatten, steuerten wir das linke Ufer an, wo wir hinter dem Campground unser Lager aufschlugen. Um ca. 5 Uhr nachmittags krabbelten wir glücklich aus den Kajaks und die Aussicht auf eine heisse Dusche, ein kaltes Bier und warmes Essen liessen uns ruck zuck das Zelt aufbauen. Mit ein paar frischen, extra für den "Stadtgang" reservierten Klamotten und Duschzeug bewaffnet, sassen wir schon bald auf der Fähre, die Tag und Nacht zwischen West- und Ostufer über den Yukon pendelt.
In den Waschräumen eines RV-Parks machten wir uns stadtfein und liessen uns vom leckeren Geruch in die nächste Kneipe locken - Fish and Chips, eine Riesenportion, und ein kühles Bier - das schmeckte wie Weihnachten im Doppelpack. Dawson City mit seinem Wild-West Charme hatte uns wieder, zog uns in seinen Bann und nach dem üppigen Mahl über staubige Holzbürgersteige in einen Musikschuppen.
Männer mit Bärten und Lederhosen standen an der Bar und tranken und erzählten Trappergeschichten, an einigen Tischen sassen langhaarige Indianer, alle schienen sich erst zu verstehen und dann zu besaufen und in der Mitte herrschte reges Stossen am Billardtisch. Die Uhr schien hier rückwärts zu gehen oder zumindest stillzustehen. Jedes weitere Bier liess uns jünger werden und - passend zur Musik - eintauchen in die Hippie-Zeit der frühen Siebziger. Getragen vom Sound der Doors traten wir dann zu fortgeschrittener Stunde den Rückzug an - Riders On The Storm, mit wedelndem Taschenlampenlicht, damit die Fährleute uns sehen und auf uns warten konnten.
Noch zwei ganze weitere Tage verbrachten wir in Dawson City. Nach sternklaren, frostigen Nächten wärmten wir uns beim Frühstück im River West Cafe auf, genossen in der aufgeheizten Nachmittagsluft den Bummel durch die kleinen Läden und klönten uns durch lange Kneipenabende, bis wir am dritten Tag des Rummels überdrüssig wurden und beschlossen, wieder in die Stille der Wildnis zurückzukehren.

Dawson City ist mit heute etwa 1.250 Einwohnern nach Whitehorse die zweitgrößte 'Stadt' im Yukon Territorium. Es liegt am Ostufer des Yukon, an der Mündung des Klondike River, 240 km südlich des nördlichen Polarkreises. Noch heute ist es eine der interessantesten Städte im Yukon Territory. Die Haupteinnahmequellen sind vor allem der Tourismus und immer noch der Goldabbau.

The Dresden Dolls - The Ghost In You [mp3]
Blitzen Trapper - Gold For Bread [mp3]
Firewater - Feels Like The End Of The World [mp3]
Bo Diddley - Gun Slinger [mp3]
Old Crow Medicine Show - Wagon Wheel [mp3]

Sonntag, 30. November 2008

10. Galena Creek

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak





Seit Tagen waren wir keinen Menschen mehr begegnet und die Vorstellung, bald in Dawson City anzukommen, löste Freude und Befremden gleichzeitig aus. Freude über die ersehnte warme Dusche, frische Klamotten und die urigen Kneipen dort. Befremden darüber, wieder von hektischen Menschen und lauten Geräuschen umgeben zu sein.
Die Weite der Wildnis schärft die Sinne dermassen, dass man anfängt, die Stille zu hören, den Wind zu riechen und Unsichtbares zu sehen. Abgeschirmt von überflüssigen Reizen und Informationen entwickeln die Sinnesorgane eine Sensibilität, die man in solcher Intensität sonst nicht erlebt. Man taucht vollständig ein in die Natur, Ängste schwinden, Richtig und Falsch verlieren an Bedeutung - was zählt sind Kraft, Stärke, Intuition und das Wissen um Gleichgewicht.

Mit geschärften Sinnen stachen wir wieder in See, um die vorletzte Etappe vor Dawson in Angriff zu nehmen. Der Himmel empfing uns morgens schon mit Dawson Blau - jenem typischen, leicht ins Türkis driftende Blau, welches sich mir bisher so nur in der Region um Dawson City gezeigt hat. Der Sturm hatte sich gelegt und wir kamen in relativ ruhiges Fahrwasser und zügig voran.
Der Yukon wird in dieser Gegend immer breiter und unübersichtlicher, wie in einem Labyrinth suchten wir den richtigen Lauf zwischen den vielen Inseln und Sandbänken.
Am Nachmittag zogen dunkle Wolken auf und kündeten von baldigem Regen. Bernd erzählte etwas über ein Indianercamp in der Nähe, wo wir in einer Blockhütte lagern könnten. Ich fühlte mich aber noch frisch genug, um einige km weiterzupaddeln, ausserdem schien die Landestelle technisch schwierig zu sein. So verwarfen wir den Plan und als die Wolken platzten, waren wir schon fast an der Schlüsselstelle vorbei. Im letzten Moment entschieden wir uns um - eine exzellente Seilfähre und das Kehrwasser brachten uns schliesslich sicher ans Ufer. Mit dem Nötigsten bewaffnet rannten wir zur nächstgelegenen Hütte und kochten uns unter dem schützenden Vordach erst mal einen Kaffee. Auch hier kein Mensch weit und breit, am Weg hing ein Schild "For Sale".
Als der Regen etwas nachliess, schauten wir uns im Camp nach einer geeigneten Schlafstelle um. Es gab eine Blockhütte, die mit einem roten Band für Besucher ausgewiesen war.
Während Bernd alles Notwendige aus den Booten in die Hütte schleppte, hackte ich Holz, heizte schon mal den Ofen mächtig ein und versuchte draussen, ein Lagerfeuer zu entfachen, was sich aber mit dem feuchten Holz ziemlich schwierig gestaltete.
Irgendwann klappte auch dies und nachdem wir gespeist und uns häuslich eingerichtet hatten, machten wir noch einen Abstecher auf den Hügel hinter den Hütten, wo uns eine grossartige Aussicht auf den Fluss belohnte.
Wir hatten uns schon in "unserem" Cabin eingemummelt, als es wieder zu schütten anfing. Aaahh, wie gemütlich ! Das Holz knisterte im Ofen und verbreitete eine wohlige Wärme, der Regen trommelte dazu Stakkato und zur Feier des Tages köpften wir die Flasche selbstgemachten Wein, die uns Karen in Whitehorse mit auf den Weg gegeben hatte. Wir schliefen anschliessend wie die Bären...
Am Morgen danach weckte uns das gleiche Geräusch, mit dem wir abends eingeschlafen waren - Regenstakkato. Nach einem Besuch auf dem Outhouse und dem Erledigen der notwendigsten Bedürfnisse, krochen wir zurück ins Bett und verbrachten dort den restlichen Tag. Ab und zu warfen wir ein paar Holzscheite ins Feuer, dann wieder kochten wir Tee und fütterten uns gegenseitig, lasen und schliefen abwechselnd und erzählten uns haarsträubende Geschichten.
Abends taten sich zwischen den Wolkenfetzen die ersten blauen Löcher auf, wir krochen aus den Federn und erkundeten die weitere Umgebung. In der Nähe entdeckten wir einen kleinen Bach und neben dem Bachlauf eine weitere Hütte - eine Sauna! Es lagerte dort auch ein grosser Haufen trockenes Holz und flugs brannte schon das Feuer im Ofen und wir sassen im heissen Dampf und schwitzten. Ein genialer Abschluss dieses Hüttenzaubers war das anschliessende Abkühlen im eiskalten Wasser des Bergbachs...wir haben es knapp überlebt.
Innerlich und äusserlich gereinigt und ganz entspannt beschlossen wir bei Einbruch der Nacht, am nächsten Morgen weiter Kurs auf Dawson City aufzunehmen.

P.S.: Beim Recherchieren hab ich grade rausgefunden, dass Galena Creek, das hübsche Fleckchen Erde, für 240.000 CAD zu haben ist.

The Cure - From The Edge Of The Deep Green Sea [mp3]

TV On The Radio - Wolf Like Me [mp3]
R.E.M. - Daysleeper [mp3]

Montag, 3. November 2008

9. Riders on the storm

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak
"Paddeln bezeichnet die Fortbewegung eines Paddelboots durch einen Paddler mittels Paddel (Doppelpaddel oder Stechpaddel) und kommt vom frei in der Hand bewegten Paddel (eng. "paddle" = "rühren", "Rührstange"). Die einzelnen Paddelschläge werden dabei genutzt, um das Boot voranzutreiben, abzubremsen, zu steuern oder dem Boot zusätzliche Stabilität im labilen Gleichgewicht auf dem Wasser zu geben."
So steht es im Wikipedia.
Hinzufügen möchte ich noch Folgendes: Paddeln ist manchmal höllisch anstrengend, das Kajak auf Kurs zu halten erfordert viel Geduld und Konzentration. Vor allen Dingen, wenn einem ein strammer Wind von vorne ins Gesicht pustet und der Fluss nicht nur einfach still vor sich hinfliesst, sondern sich in wilden Strudeln windet.
Nachdem wir nun schon 7 Tagesetappen mit durschschnittlich 50 km gepaddelt waren, hatte ich ein gutes Gefühl für das Boot und die Technik entwickelt und es fuhr meistens in die Richtung, in die wir wollten.
Am folgenden Tag war es allerdings ein bisschen anders.
Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen und Bernd's frischgebrühter Kaffee und die Sonne weckten auch an diesem Morgen die Lebensgeister. Vor dem Paddelspass stand wieder die schon zur Routine gewordene Packerei, wir waren mittlerweile ein gut eingespieltes Team und der Lagerabbau klappte wie am Schnürchen.
Nachdem wir einige Kilometer zurückgelegt hatten, wurde es immer stürmischer, der Wind drückte die Boote zur Seite und wir hatten alle Mühe voranzukommen. Die starke Strömung und die vielen Kabbelwellen - "shoppy water", wie die Kanadier es nennen - machten es auch nicht einfacher. Im Kampf mit den Elementen liess sich das Kajak nur noch höchst widerwillig steuern und ich trieb in rasantem Tempo auf eine Felswand zu. Der heisse Ritt, der mich um ein Haar kentern liess, wurde glücklicherweise gebremst von einem am Felsen befindlichen Kehrwasser.
Nachdem ich mich mit Bernd's verbaler Unterstützung aus dem Kehrwasser manövriert hatte, ging es wieder Richtung Flussmitte und weiter unserem Tagesziel entgegen, Stewart Island, an der Mündung des Stewart River gelegen. Dort sollte es laut Flussführer einige Hütten und einen Laden geben.
Wir waren sehr verwundert und enttäuscht, als wir ausser den Resten einiger Cabins kein Stewart Island mehr vorfanden, zum grössten Teil war alles weggeschwemmt.
Der Fluss gibts, der Fluss nimmts...also paddelten wir weiter und schlugen alsbald mit unserem Zelt wieder mal auf einer Sandbank auf.


Guns N'Roses - Jumpin Jack Flash [mp3]
The Doors - Riders On The Storm [mp3]