Dienstag, 6. Oktober 2009

Ein Hauch von Hollywood

Venice Beach ist ein quirliges, buntes Zentrum für durchtrainierte Los Angelenos, Touristen, Strassen- und Lebenskünstler. Der 4,5 km lange Strand ist fest in der Hand der Surfer, nachts gehört er den Obdachlosen und Gangs. Kleine Läden, Cafes und hübsche Häuschen reihen sich aneinander, doch die wenigsten, die hier flanieren, wohnen auch hier. Der grosse Rest kommt - vor allen Dingen am Wochenende - mit dem Auto. Dementsprechend rar sind die Parkplätze. Als wir nach der fünften Runde das Angebot eines Parkplatzdealers für 10$ die Stunde ausgeschlagen hatten, wurden wir endlich fündig. Das Schnäppchen versprach 2$ pro Stunde, zahlbahr in Quarters an der Parkuhr. Ich hatte noch keine Münzen und wollte schnell im Laden nebenan wechseln, da stand schon der Cop am Wagen und fummelte das 50$ Knöllchen an die Scheibe, alles Reden half  nichts. Da wir noch Hollywood auf dem Programm hatten, reichte uns die eine Stunde. Ein bisschen Beach-Life schnuppern, den Surfern zuschauen, dann machten wir uns vom Acker.
Auf der Durchfahrt präsentierten sich uns die Residenzen der Reichen und Schönen in Beverly Hills und Bel Air zugeknöpft und eingemauert in Hochsicherheitstrakts, der Versuch, einen Blick durch den Zaun zu werfen, wird durch fehlende Bürgersteige vereitelt - Gehen auf der Fahrbahn ist schlicht strafbar.
Hollywood machte auf uns einen sehr geschäftigen, aber leicht heruntergekommenen Eindruck. Auf dem 35 km langen Sunset Boulevard entdeckte ich an einer Ampel stehend zufällig das legendäre Wisky A Go Go, in dem einst Rock-Grössen wie The Doors, Janis Joplin, Led Zeppelin, Alice Cooper oder The Mothers of Invention ihre fulminanten Auftritte feierten.

Nachdem wir das Auto für 20$ auf einem bewachten Langzeit-Parkplatz untergebracht hatten, liessen wir uns mit den Menschenmassen über den Hollywood Boulevard treiben, vom berühmten Chinese Theatre zum 2001 speziell für die Oskar-Verleihungen entworfenen Kodak Theatre, über den Walk Of Fame an Michael Jacksons Stern vorbei zum Wax Museum und auf der anderen Strassenseite wieder zurück. Hollywood forever - das reichte.

Der Tag sollte enden mit einem Abstecher zum Laurel Canyon. Wir wollten ein wenig herumschlendern, um vielleicht ein paar ehemalige Domizile der einen oder anderen Rock-Legende zu finden. Schon früher hatte ich mich gewundert, dass man im www nur wenige Bilder vom legendären Tal des Rock'n Roll findet. Als wir den Laurel Canyon Boulevard entlang fuhren, wurde mir klar: wenn unterschiedliche Adressen in LA sich in derselben Straße befinden, heisst das noch lange nicht, dass man von Punkt A nach Punkt B zu Fuß innerhalb eines Tages kommt! Wie auch teilweise in Beverly Hills, gab es gar keine Gehwege mehr, geschweige denn Parkmöglichkeiten. So fuhren wir auf  der kurvigen, schmalen Strasse zum Lookout Mountain, erhaschten dort einen schnellen Blick auf die Smog-verhangene Skyline und folgten dann dem verschlungenen Verlauf des Mulholland Drive am Rücken der Santa Monica Mountains bis zum Wilacre Park. Dort erlebten wir Los Angeles von einer ganz anderen Seite. Junge und Alte, mit oder ohne Kinder, mehr oder weniger sportliche Jogger und Spaziergänger, meist in Begleitung von mehreren Hunden, drehten ihre Runden auf den sandigen Wegen hoch über LA und genossen offensichtlich den Blick auf die Stadt im Sonnenuntergang und die Ruhe des Parks in den Abendstunden.
So we did.
Zurück fuhren wir an den Studios vorbei, auf der La Brea Avenue nach Inglewood. Die Füsse brannten. In einer panzerverglasten Imbissbude holten wir uns noch einen Burger und verzogen uns rasch in unser Hostel.

Für diesen Tag waren wir fertig. Mit allem.

Eminem - Say Good Bye To Hollywood [mp3]
Jackie De Shannon - Laurel Canyon [mp3]
Phil Ochs - The World Began In Eden And Ended In Los Angeles [mp3] 
The Byrds - Bad Night At The Whiskey [mp3] 
Neil Young - L.A. [mp3]

Dienstag, 29. September 2009

Lost Angeles

Eigentlich wollte ich hier einen netten Reisebericht schreiben. Was wir jedoch bei unserem kurzen Aufenthalt in dieser Stadt sahen und erlebten, sprengte die Dimensionen unserer Vorstellungskraft. Wer über L.A. nett schreiben kann, ist entweder blind, ignorant oder gut bezahlt.
Eins mal vorneweg: L.A. ist vor allen Dingen gross, gross, gross. Wer schon mal dort war, wird es wissen. Hier ein paar Fakten.
Die Ausdehnung von Los Angeles beträgt von Nord nach Süd ca 100 km und von West nach Ost ca. 200 km (im Vergleich Konstanz - Luzern und Konstanz - Ludwigsburg). Das Siedlungsmuster von L.A. ist hochkomplex. Die Kernstadt mit ca. 4 Mio. Einwohnern bildet die grösste Einheit, daneben gibt es 11 weitere Städte mit mehr als 150.000 Einwohnern und über 150 "Incorporated Cities", selbständige politische Gemeinden, die alle nahtlos ineinander übergehen. Alle Einheiten zusammen bilden eine Megalopolis, die mit knapp 18 Mio. Einwohnern (ca 20% der gesamtdeutschen Bevölkerung) zu den grössten Ballungsräumen der Welt gehört.
Bis zu 14 Spuren breite Autobahnen mit einer Gesamtlänge von 2.000 km sind über die Stadt gelegt und können den Verkehrsinfarkt dennoch nicht verhindern. Um Abhilfe zu schaffen wurden "Carpool Lanes" eingerichtet, auf denen nur Fahrzeuge mit einer bestimmten Anzahl von Passagieren fahren dürfen. Wenn die nötige Passagierzahl missachachtet wird, hagelt es saftige Strafen.
Die Stadt hat wegen der größten Kraftfahrzeugdichte der Welt, wegen des unterentwickelten öffentlichen Nahverkehrssystems und aufgrund der Industrieabgase eines der größten Smogprobleme in den USA.

Kurzum, die "Stadt der Engel" ist ein Moloch. Mehr gespenstisch als glamourös, mehr furchteinflössend als faszinierend und mehr Alptraum als Traum.

Compton, im südöstlichen Teil von Los Angeles gelegen, ist bekannt als eine der gefährlichsten Städte in USA. In kaum einer anderen Stadt ist das Risiko grösser, auf offener Strasse erschossen zu werden. Compton, nur 15 Kilometer von den Prunkhäusern der Hollywood-Stars entfernt, zählte in den vergangenen 20 Jahren rund 10.000 Gangmorde - das 8-fache des Landesdurchschnitts.
In manchen Stadtteilen werden Ausgangssperren verhängt und in anderen schottet man sich mit hohen Stacheldrahtäunen oder Mauern ab. Die "Gated Communities" sind privat organisiert und können nur von Bewohnern oder mit Nachweis betreten werden.

Unser netter Ausflug nach Hollywood endete mit einer fast schlaflosen Nacht voller Alpträume und verstörender Bilder. Nie zuvor hatte ich eine so grosse Anzahl verelendeter Menschen im Schatten von 5-Sterne Hotels, Glaspalästen und  unverholen protzig zur Schau gestellten Reichtums gesehen. Auf dem Hollywoodboulevard vergnügen sich auf der einen Seite die Reichen und Schönen mit Sekt und Kaviar, während vor den Türen der Etablissements Heere der "Homeless People" ihre einzige Habe in  Einkaufswagen durch die Strasse schieben. Auf dem Rodeo Drive kosten Handtaschen mehr, als ein durchschnittlicher Arbeiter im Monat verdient.
Südlich von Hollywood wird es fast unerträglich. Immer wieder liegen Menschen auf der Strasse, mehr tot als lebendig. Zwei Männer auf einer Bank, dem einen hing der Kopf hintenüber. Sein Kumpel schlug ihn immer wieder ins Gesicht und schrie verzweifelt "wake up! - wake up! - wake up!". Doch der Kopf baumelte nur hin und her. Zwei Strassen weiter kniete mitten auf dem Bürgersteig ein junges Mädchen und verpasste einem älteren Herrn mit Hut einen Blow-Job...usw... Solche Bilder vergisst man nicht.

Skid Row, die "Strasse der Hölle", ist eine No Go Area mitten in Downtown L.A. 50 Blocks zwischen Broadway und Alameda Street, ein ganzer Stadtteil, ist bevölkert von Obdachlosen, überwiegend Schwarze und Latinos "leben" hier und davon überdurschnittlich viele Kinder. Bis zu 10.000 Menschen vegetieren in "Dannte's Inferno" im Freien, in Zelten und in provisorischen Unterkünften aus Kartons und Plastikplanen, viele sind krank, drogen- oder alkoholsüchtig. Skid Row L.A. ist einer der grössten Drogenumschlagsplätze der USA - die daraus resultierende Gewalt allgegenwärtig. In letzter Zeit häuften sich Vorfälle, dass mittellose Kranke aus umliegenden Kliniken einfach in Skid Row "entsorgt" wurden.

Eine humanitäre Tragödie.

Die Politik reagiert mit Säuberungsaktionen und Verstärkung des Polizeiaufgebots, denn Downtown L.A. soll mit sündhaft teuren Lofts und Appartements wieder attraktiv werden für ein schickes und zahlungskräftiges Klientel.

Los Angeles County ist mit  ca. 73.000 Homeless die Hauptstadt der Armen und Obdachlosen - in der derzeitigen Wirtschaftskrise hat sich die Situation durch die stetig wachsenden "Tent Cities" noch dramatisch verstchärft. Hunderte von Menschen, die ihren Job oder ihr Haus in der Subprime Crisis verloren, hausen in den Zeltstädten am Rande der Stadt.
Diese Menschen werden ihrer Würde beraubt. 
Der Entwicklungsstand einer Gesellschaft bemisst sich u.a. am Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern. Das, was hier geschieht, ist strukturelle Gewalt gegen die Schwächsten.

Skid Row

Montag, 28. September 2009

B.B. Chung & The Buddaheads - All Night Long

Schwester Gaby meets Seekuh


Schwester Gaby spielte gestern abend das erste mal in meiner Lieblingskneipe, der Seekuh - Premiere für eine gelungene Allianz.
Wie von wils versprochen: alle genossen die laue Spätsommernacht, während wir drinnen schwitzten. Kein Problem, denn Norbert und seine Crew sorgten unermüdlich für Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits.

Schwester Gaby heizte der altehrwürdigen Stehkuh ordentlich ein und wir transpirierten genüsslich hüpfend vor uns hin. Es gab kein Entrinnen. Zu heiss der Sound - die Saiten glühten und wils spielte wie der Teufel, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Gaby's Bass hörte man sogar draussen und bei Michi's legendärem Solo kochte die Hütte.

Die erweiterte Setlist (u.a. B.B. Chung - stimmt das ???) fand allgemein Anklang, die Akkustik war um Klassen besser als im Turm und überhaupt war das Konzert eines der besten von SRG.
Ob's am Groove, am lauen Spätsommerabend oder an meiner Lieblingskneipe lag - wer weiss das schon so genau? Vermutlich alles zusammen, jedenfalls hat's gepasst und es war eine super Party.

P.S.: sorry, die Bildqualität ist besch..., meiner Kamera war's zu heiss