Samstag, 14. April 2012

9. Akt - Die Katzen


Snookie sprang gleich keck in meinen Rucksack. Eine handvoll schwarzweisser Wildfang mit frechem Fleck auf der Nase. Es war klar, sie würde meine Pflanzen und mein Sofa ruinieren, ich würde beim Wegräumen der Scherben fluchen, aber sie würde bei mir einziehen. Die 3 Tage Bedenkzeit dazwischen brachten keine neuen Erkenntnisse. Katzen nur im Doppelpack? Kein Problem, den Kinderstubenfreund Juwel packte ich gleich mit in den Koffer. Und es kam, wei es kommen musste. Beim Wegräumen der Scherben fluchte ich, eine Pflanze nach der anderen flog zerfleddert in die Biotonne und die zerbrochenen Staubfänger nebenan in den Restmüll. Die Bude glich einem Abenteuerspielplatz, der Boden übersät von alten Kartons, Getränkedeckeln und zahllosen Spielmäusen, welche ich jeden Tag aufs Neue mit der Fliegenklatsche unter dem Kühlschrank und dem Sofa hervorpulte. Die Vorhänge hatte ich wohl gut ausgesucht, sie hielten sich tapfer und hängen immer noch.
Ich habe sie gezähmt, ein wenig. Snookie heisst jetzt Emily und Juwel wurde zu Merlin, das Fluchen hat sich verflüchtigt in eine alltäglichen Begeisterung über das Raubtierliche in meinem Alltag.
Bis ich über die ersten sterblichen Vogelreste auf der Terrasse stolpere...

8.Akt - Wer bin ich und wenn ja wozu?

Das längste Kapitel ist noch lange nicht fertig. Aussortieren ausmisten. Das kann dauern. Die Welt wieder mit 2 Augen sehen.
Er ging durch die Tür und sagte tschüss. Und ich antwortete unaufgeregt hemdsärmlig machs gut. Die Tränen flossen erst Stunden später, ungehemmt, bildeten Pfützen, in denen sich die vergangenen Jahre spiegelten. Mein Baby, mein Kind, mein Sohn, entlassen in den Fluss des Lebens. Und nun?
Life goes on. Alles gut. Er hat alle Möglichkeiten offen, hat bewusst die Selbständigkeit gesucht und sein Studium in einer anderen Stadt gewählt. Wie mein Mädchen vor 6 Jahren. Ich bin stolz auf sie, alle beide.
Was nun? Habe meinen Lebensrucksack geleert und und bin am sortieren. Falsche Freunde, Abhängigkeiten, Zeiträuber, Ideologien, unnütze Dinge, raus. Leere rein. Und nicht zu schnell auffüllen, mit Bedacht auswählen.
Es bleiben wenige, zarte Freundschaften, Berge, Musik, Katzen und.

Sonntag, 29. Januar 2012

7.Akt - Seealpen

Auf Alltägliches freut man sich meistens nicht.

Es gibt wunderbare Freundinnen. Ich habe mindestens 2 davon. Wir sehen uns nicht jeden Tag, auch nicht unbedingt jede Woche. Aber wir sehen uns immer, wenn wir gemeinsam in die Berge gehen.
Tolle Wege sind wir schon zusammen gewandert, haben aufregende Situationen gemeistert, allen Unkenrufen zum Trotz, Dreierkonstellationen seien schwierig.
In den Bergen sind wir ein Team, das ist kostbar und nicht alltäglich.

Die Landschaft der Seealpen ist geprägt durch idyllische Dörfer, mediterrane Mittelgebirge und die teilweise hochalpine Region des Nationalparks Mercantour. Dieses abgeschiedene, wildromantische Wanderparadies, nur 60km vom Mittelmeer entfernt, sollte dieses mal unser Ziel sein.

Freitag, 27. Januar 2012

6.Akt - Schlafen auf Rädern

Es läuft immer auf das Selbe raus. Entweder man tut es, oder man lässt es.
Ich tat es. Fuhr nach Aachen und kaufte mir ein Auto.

Mein alter Herr war am Ende anständig genug, um zu vergessen.
All das unbezahlte Taschengeld, die nicht gewährte Ausbildung, die fehlende Unterstützung beim Sprung ins Leben, all das investierte der alte Geizkragen in wildfremde Familien. Wie erbärmlich.
Dann, als sein Stündlein geschlagen hatte, erinnerte er sich an seine Tochter.
Die Polizei brachte ihn, nachdem er seine Bude fast abgefackelt hatte. Ich schrubbte ihm die Wohnung. So, wie ich es für einen alten Nachbarn getan hätte.

Die Kriegsgeneration nahm ihren Schrecken mit ins Grab. Das Übrige reichte der Nachkriegsgeneration für einen Kleinwagen. Er ist gross genug, um darin zu träumen. Meistens steht er nur da, verteidigt einen begehrten Parkplatz und leidet unter Wertverlust. Dann erinnert er mich an meinen Vater.

Freiheit ist allgemein ein abgedroschener Begriff. Nicht für meinen kleinen Roomster und mich. Das Bett ist fast fertig, die Implantation und der Frühling stehn vor der Tür und die  abgelegensten Parkplätze warten auf uns.

Sonntag, 1. Januar 2012

5.Akt - Augen Blicke

Es ging nicht um's Sehen und Gesehenwerden. Es ging nur um's Sehen.
Die Story dahinter ist kurz. Unsere Blicke trafen sich nicht mehr, wenn ich ihm in die Augen sah.
Eigentlich ein angenehmer Zustand, doch ich wollte raus aus der Komfortzone.
Ein langes Jahr dauerte die Entscheidung, dann war es so weit.
Der neue Durchblick war schönschrecklich.

Doktor Maier - ein sehr guter Maier - ermöglichte es mir, die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Freitag, 30. Dezember 2011

4.Akt - Holger und die Schwitzhütte

"Inipi (Lakota: sie schwitzen), die Schwitzhütte, war bei den Indianern Nordamerikas wie auch bei allen anderen Völkern der nördlichen Erdhalbkugel weit verbreitet und diente der zeremoniellen Reinigung und physischen Gesunderhaltung und Heilung bei Erkrankung. Bei den Lakota gehört Inipi zu den Sieben Riten der Heiligen Pfeife und wird auch heute noch durchgeführt"

Direkt nach der Beerdigung meines Vaters fuhr ich nach Nürnberg, wo ich Gudrun traf. Wir wechselten das Auto und fuhren weiter nach Talheim, ins Erzgebirge. Eine solidaritätszuschlagsfreie Zone, landschaftlich schön und menschlich herzerwärmend. Ein 5-Sterne Asyl.
Das Sächsisch störte mich entgegen meiner ursprünglich gehegten Befürchtungen überhaupt nicht, es kam so ur-sächsisch über die Lippen, ich musste es einfach mögen.
Schafe, ein Bauwagen, mitten drin ein Tipi auf dem Waldcampingplatz mit Blockhütte, alles sehr liebevoll gestaltet von einem ebenso liebenswürdigen Päärchen.
Wie wir dann in der engen Hütte sassen, mit brennendem Herz, den Arsch auf Grundeis. Unser Elend und unsere Hoffnungen in die glühenden Steine warfen, mit den Kräutern, wie wir sprachen, kotzten, flüsterten, unverständlich verständlich. Und verständlich schwiegen, aber mit brennenden Herzen.
Den Holger mochte ich gleich. Ein Mensch.
Ich warf meinen Vater in die glühenden Steine und sagte "HO"

3.Akt - Überleben und Tod

Der Tod meines Vaters.
Er traf mich nicht unvorbereitet. Er traf mich eigentlich gar nicht. Als Tochter existierte ich wohl gar nicht für ihn, führte ein Schattendasein in seinem Leben.
Trauer spürte ich darüber, dass ich keine Trauer verspürte. Nicht einen Funken, da war nichts, nicht eine halbe Träne. Ein alter Mann, der sein Leben gelebt hat und dem am Ende die grosse Gnade des Vergessens zuteil wurde, der mit dem Vergessen friedlich einschlief und vergass, wieder aufzuwachen. Er vergass und wurde vergessen, war lange vor seinem Schwinden aus der Welt für mich gestorben, die Trauer darüber längst verarbeitet.
Es ist nicht gut, es ist nicht schlecht. Weder falsch noch richtig, es ist. Der Kreislauf des Lebens.
Sonst nichts.
Nach der Beerdigung fuhr ich zu einer Schwitzhüttenzeremonie ins Erzgebirge. Das war lange vorher geplant, fühlte sich aber stimmig an.