Mittwoch, 29. Oktober 2008
Von unten gesehen. Funktionärskonferenz ___
Karlsruhe, Ende Oktober 2008, zwei Tage vor der dritten Verhandlungsrunde. Auftaktveranstaltung zur heissen Phase in den Tarifverhandlungen.
Ca. 5.200 Metaller/innen folgten dem Aufruf der Arbeitnehmerorganisation und unterstützten lautstark und kämpferisch die diesjährige Tarif-Forderung "konsequent für 8 Prozent". Gehalt selbstverständlich, nicht Gewinn-Marge, die liegt erfahrungsgemäss in anderen Dimensionen.
Wenn ein börsennotiertes Unternehmen von "nur" acht Prozent Gewinnsteigerung spricht, nennt sich das Gewinnwarnung und verscheucht die Aktionäre. Wenn Gewerkschaften acht Prozent Lohnsteigerung fordern, haben sie - laut Gesamt-Metall-Chef Martin Kannegiesser - "nicht mehr alle Tassen im Schrank".
Die Gewerkschaft verschärft den Ton in der Tarifauseinadersetzung für die 3,6 Millionen Beschäftigten in der deutschen Metall- und Elektroindustrie.
Die Lohnforderung der Gewerkschaft ist die höchste seit 16 Jahren. Die IG Metall reagiert damit auf die Wut in den Betrieben über die wachsende Kluft zwischen Arbeitseinkommen und Unternehmensgewinnen.
IG Metall Chef Berthold Huber sagte, die Gewerkschaft wolle einer drohenden konjunkturellen Abschwächung mit einer Erhöhung der Kaufkraft entgegenwirken. «Wir brauchen angesichts der Finanzmarktkrise und der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten eine Stärkung der Binnennachfrage», sagte Huber. «Wir brauchen höhere Löhne damit Arbeitsplätze gesichert werden». Huber hielt den Arbeitgebern vor, mitten in der Finanzkrise und einem Abschwung der Weltwirtschaft mit Lohnsenkungen die Binnenkonjunktur abzuwürgen. «Genauso könnte man einem Magersüchtigen eine Nulldiät verordnen, um ihn vor dem Verhungern zu retten», sagte Huber. Möglicherweise legen die Arbeitgeber am Donnerstag in Baden-Württemberg bei der dritten Verhandlungsrunde erstmals ein Angebot vor. Bezirksleiter Jörg Hofmann sagte, es gehe jetzt darum, die Schieflage zwischen Profiten und Arbeitseinkommen wieder gerade zu rücken. «Gerade weil die Arbeitnehmerhaushalte dringend mehr Geld in den Geldbeuteln brauchen, angesichts galoppierender Belastungen.»
Deutschland als Export-Weltmeister - die Zeiten des Aufschwungs im Inland durch florierende Ausfuhren sind leider vorbei.
Selbst nach Ansicht von Klaus Holschuh, Chefvolkswirt der DZ Bank, sollten die Unternehmen die Löhne stärker erhöhen, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu stärken. Der Ökonom, der gewiss kein Gewerkschaftsanhänger ist, sieht dazu reichlich Spielraum. Vermutlich hat er Recht. Doch welcher Arbeitgeber lässt sich in der heutigen Lage zu einer kräftigen Tariferhöhung bewegen?
Nach Berechnungen des Tarifexperten Torsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung, sind die durchschnittlichen Tariflöhne in der Gesamtwirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2008 nur um 3,3 Prozent gestiegen, trotz nominal höherer Abschlüsse. Das gleicht noch nicht einmal die Preissteigerung aus.
Nur Malta hat geringere Netto-Lohnzuwächse innerhalb der EU. Im Land der 500.000 Millionäre dürfen wohl nur Reiche reicher werden.
Die Gewerkschaften sind den Arbeitgebern in den vergangenen Jahren - bedingt durch die schwache Konjunktur und den verschärften internationalen Lohnwettbewerb - weit entgegen gekommen. Sie haben gegen große interne Widerstände die Arbeitszeiten flexibilisiert, haben Öffnungsklauseln zugestimmt, die den Betrieben Abweichungen vom Flächentarifvertrag ermöglichen, haben Einschnitte bei Weihnachts- und Urlaubsgeld hingenommen.
Nun aber hat sich der Wind gedreht.
Die Vorbereitungen für die Warnstreiks laufen auf Hochtouren. Die Friedenspflicht endet in der Nacht auf Samstag.
Franz Ferdinand - What You Waiting For [mp3]
Damien Jurado - Everything Trying [mp3]
Von oben gesehen. Gipfelkonferenz /\
Noch einmal Sonne tanken, raus aus der herbstlichen Nebelsuppe am See.
Auf den 2246 hohen Schwalmis zog es uns, erst mit der Seilbahn, dann per Pedes.
Nicht nur Sonne, auch Kraft tanken lässt es sich vorzüglich über den Wolken - einfach wunderbar wanderbar !
Bob Dylan - Most Likely You Go Your Way And Ill Go Mine [mp3]
R.E.M - Supernatural [mp3]
Montag, 27. Oktober 2008
Donnerstag, 23. Oktober 2008
Sonntag, 19. Oktober 2008
WKAFP - Who Killed Amanda Fucking Palmer ?
Das würden wir auch gerne wissen.
Und nicht nur das.
Gerne wüsste ich auch, was schreiben über das Solodebüt der Dresden Dolls Sängerin Amanda Palmer, die mich letzten Donnerstag komplett sprachlos aus dem Abart ins herbstlich verregnete Zürich entlassen hat.
Mehr noch. Glücklich. Staunend. Berührt.
Amandas Stimme flüsterte und stöhnte, kratzte und schrie und im Zusammenspiel mit theatralischer Mimik und ihrem Piano raubte einem diese Fülle an Ausdruck die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten.
Wie die Wortfindungssötrungen überwinden ? Erst mal anschleichen mit dem zum Glück vergeblichen Versuch, die Palmer in eine Schublade zu stecken. Ein passendes Genre zu finden ist schwierig, weckt jedoch eine lange Liste von Assoziationen.
Kurt Weill meets PJ Harvey, Madonna unternimmt beschwingte Ausflüge in den Chaleston der 30er Jahre, da haucht für Sekunden die sanftmütige Tori Amos am Piano sphärische Töne um sich gleich darauf als David Bowie im Berliner Kabarett der 20er wiederzufinden.
Der Bogen ist weit gespannt und der Ansatz, deutsche Cabaret Tradition und Weillsche Songstrukturen mit Punk und Alternativ-Rock zu paaren, wohl einzigartig.
Ihr Solo-Arrangement nutzt die charismatische Amanda genial, um mehrere Musiker/innen - ihre "friends" - zu beteiligen. Herausragend erwähnenswert die grossartige Ex-Rasputina Cellistin Zoe Keating, die auch schon das Vorprogramm bestritt.
Völlig absorbiert lauschte ich den Tönen, die Zoe aus ihrem Cello zupfte und streichelte, mal sphärisch psychedelisch, dann wieder basslastig rockig, an Apocalyptica orientiert. Seit ihrer Kindheit streicht sie sich durchs Leben - die sympathische, gebürtige Kanadierin Zoe hat ihr Handwerk gelernt, das hörte man.
Während Amanda sich spottend und tröstend hinter dem Piano räkelte, um sich dann wieder kraftvoll in die Tasten fallen zu lassen, umschmeichelten Zos's Streich- und Zupfarrangements ihren facettenreichen Gesang - eine ideale Ergänzung.
Der Konzertabend barg viele Überraschungen und wurde nie langweilig. Mal tauchte überraschend eine Gitarre auf, dann wieder wurde die Bühne in ein groteskes, an die Rocky Horror Picture Show erinnerndes Spektakel verwandelt.
Die Spielfreude und dynamische Kreativität der Vollblutkünstler liess nichts zu Wünschen übrig und sie rockten, als ob sie die Weimarer Republik ein zweites Mal erschüttern wollten.
Dass es gut werden würde, ahnte ich schon. Es war unbeschreiblich gut. Dieser Beitrag ist ein Versuch, das Unbeschreibliche in Worte zu fassen...
Zoe Keating - Tetrishead [mp3]
Dresden Dolls - Life On Mars [mp3]
Dresden Dolls - Cosmic Dancer [mp3]
Samstag, 18. Oktober 2008
Freitag, 17. Oktober 2008
Donnerstag, 16. Oktober 2008
8. Aufbruch, der :
Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem KajakIdealerweise ein von hektischer Betriebsamkeit geprägter, optimistischer Moment.
In der Realität oft von Motivationsdefizit und der skeptischen Frage überlagert:
Wie wird das Wetter, Liebling ?
An diesem Morgen trafen sich Ideal und Skepsis in der Mitte, es war immerhin trocken.
Da drängten sich Motorengeräusche zwischen Traum und Kaffeeduft - das konnten nur die Arbeiter sein ! Inzwischen hellwach stürmten wir ans Ufer, um die Ankömmlinge zu begrüssen.
Zwei Indianer zuckelten in ihrem Motorboot winkend vorbei, tja, der frühe Jäger fängt den Fisch...
Die Wolken rissen langsam auf und der dadurch erzeugte Motivationsschub trieb uns auch bald auf den Fluss.
Als wir Kirkman Creek erreichten, zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite und wir nutzten den einladenden Ort für eine willkomene, ausgiebige Pause. Nach alter Yokon Tradition sah es rund um das Anwesen aus wie auf einer Müllhalde. Die Bewohner hatten offensichtlich keine Mühe gescheut, Sperrmüll und defekte Geräte gleichmässig auf dem Gelände zu verteilen.
Das Blockhaus selbst machte einen ziemlich baufälligen Eindruck, im Gegensatz zur strammen Besitzerin und ihren zahlreichen, ebenso strammen Familienmitgliedern. Die Familie lebt wohl im Sommer am Fluss von der Ausbeutung des nahen, auf sie verebten Gold Claims, den Winter verbringen sie in ihrem Haus in Dawson City.
Der Empfang dort war herzlich und hier trafen wir auch unsere alten Freunde David und Jos aus Fort Selkirk wieder. Auch die zehnköpfige Kanutengruppe war schon da und alle genossen die Bewirtung mit frischem Kaffee und köstlichen Muffins.
Während wir gemütlich miteinander im Gazebo plauschten, schlugen plötzlich die zwei Hunde der hausherrin an und rasten wie von der Tarantel gestochen ans Ufer, gefolgt von den zwei Söhnen. Gespannt schauten wir zum Fluss, um dort den Grund für die allgemeine Aufregung zu erspähen. Eine Elchkuh versuchte schwimmend das andere Ufer zu erreichen, die Jungs schnappten ihre Gewehre und verschwanden mit dem Boot...
Bald kletterten auch wir wieder in unsere Boote, der Tag war noch jung und wir wollten noch einige Kilometer zurücklegen.
Gegen Abend sichteten wir eine hübsche Sandbank und beschlossen, dort die Nacht zu verbringen.
Am nächsten Morgen grinste die Sonne von einem strahlend blauen Himmel in unser Zelt, wir blinzelten uns zu und schon war beschlossen, heute nicht aufbrechen zu wollen.
Als wir später am Tag faulenzend und der Strömung des Flusses hinterherträumend im Sand lagen, sahen wir plötzlich etwas Braunes in der Nähe des Ufers vorbeischwimmen. Ein Bär - er verriet sich durch die aus dem wasser ragenden Rundohren - hatte uns wohl gewittert und versuchte, ans andere Ufer zu schwimmen. Die Strömung war hier ziemlich stark und der Bursche hatte alle Mühe, wieder Boden unter die Füsse zu bekommen.
Einige Zeit später widerholte sich das Schauspiel, dieses mal war es ein Elch und wir hörten schon von Weitem das Geklapper, wenn seine Hufe unter Wasser auf Steine trafen.
Diese Tierbegegnungen in der Natur sind immer wieder ein beglückendes Geschenk und so wurden wir für's Faulenzen an diesem Tag auch noch reichlich belohnt.
Dafür zog der Himmel mit zunehmender Dämmerung immer mehr zu, dunkle Wolken verhiessen nichts Gutes und wir schafften es gerade noch, die Küche aufzuräumen. Kaum waren wir in unseren Schlafsäcken, fing es an zu schütten wie aus Kübeln.
"It's raining cats and dogs" sagt der Engländer - Bernd sagte "It's raining moose and bears"...
Blitzen Trapper - Black River Killer [mp3]
Dresden Dolls - Rid Of Me [mp3]
Dresden Dolls - Dance Me To The End Of Love [mp3]
Montag, 13. Oktober 2008
Freitag, 10. Oktober 2008
7. Coffee Creek
Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit de m Kajak
Auch zu Fort Selkirk gab es böse Bärengeschichten, z.B. die einer jungen Frau, welche vor wenigen Jahren mit einer Gruppe unterwegs war und sich abends unwohl alleine ins Zelt zurückzog. Dort wurde sie in unmittelbarer Nähe der anderen von einem Grizzly überrascht und getötet, ohne dass ihr jemand rechtzeitig helfen konnte. Trotz dieser Gruselgeschichten pennten wir tief und fest und kein einziges Geräusch konnte unseren Schlaf stören.
Der nächste Morgen brachte nach anfänglichem Nebel wieder Sonnenschein pur und lud zur Weiterfahrt ein. Nach deftigem Trapperfrühstück und herzlichem Abschied von David und Joseph machten wir uns an die Packerei. Je nach Motivation dauerte dies in der Regel bis zur Abfahrt 1 bis 2 Stunden und obwohl das Leben in der Wildnis ordentlich hungrig machte und wir Berge von Nudeln, Kartoffeln, Fleisch und Müsliriegel verdrückten, hatten wir jedesmal das Gefühl, die Boote seien noch voller und platzten gleich aus allen Nähten. Es war für mich ein Mysterium, was man in so ein Kajak alles reinstopfen konnte, ohne dass es gleich wie ein Betonklotz in den Fluten versank...
Auf der folgenden Etappe begleitete uns gleich zu Anfang ein riesiger Braunbär hoch über dem Ufer. Bevor ich noch meine Kamera aus der wasserdichten Hülle ziehen konnte, hatte uns Meister Petz entdeckt und verschwand hinter einem Hügel. Wieder einmal ein Beweis dafür, wie menschenscheu die Tiere sind, wenn man ihnen nicht zu dicht auf den Pelz rückt.
Der Yukon wurde immer breiter, ein Labyrinth von zahlreiche bewaldeten Inseln und Sandbänken durchsetzte den Fluss, so dass wir an manchen Stellen den Überblick verloren und aufpassen mussten, nicht vorbei am Hauptstrom in eine unbefahrbare Sackgasse zu geraten.
Aber zum Glück gibt es "verrückte" Leute, die Jahre nichts anderes machen, als mit einem Kanu sämtliche Flüsse eines Gebietes abzufahren um dann detaillierte Karten zu ihrer jeweiligen Strecke anzufertigen.
Dank des hervorragenden Flussführers von Mike Rourke, der in 10 Jahren akribischer Feinarbeit den Yukon von seiner Mündung im Marsh Lake bis nach Cirkle/Alaska über Stromschnellen, Flussgeschwindigkeiten, Beschaffenheit des Ufers (zum Beispiel, ob die Stelle zum Campieren geeignet ist) und die komplette Historie der Umgebung ausführlich beschrieben und aufgezeichnet hat, fanden wir meist die richtige Route.
Die Strömung war mit 10/kmh beachtlich und nach landschaftlich schönen, aber relativ unspektakulären 50 km, entdeckten wir in der Nähe von Selwyn eine nette Insel, auf der wir unser Nachtlager aufschlugen. Das Land begutachten und nach Tierspuren absuchen, Holz sammeln, Feuer machen, einen geeigneten Platz für das Zelt suchen, dieses dann aufbauen, kochen, essen, unser abendliches Bierchen trinken (wir hatten 42 Dosen dabei - für jeden Abend eine !), dann den Lagerplatz möglichst geruchs- und abfallfrei machen, dies waren inzwischen unsere vertrauten Alltagsrituale. Nachdem alles für die Nacht vorbereitet war, ballerten wir mit unserer 22er noch ein paar Löcher in die leeren Büchsen, in der Hoffnung, dass alle Tiere in der näheren Umgebung durch den Krach genügend Abstand zu unserem Lager wahren würden.
Der folgende Tag begann grau und mit den üblichen Morgenritualen, nach kurzer Zeit auf dem Fluss fing es an zu nieseln und dieses Getröpfel sollte uns den ganzen Tag begleiten. Die Stimmung war dementsprechend gedrückt, aber wir kamen zügig voran, schaufelten wir doch, was das Zeug hielt, um warm zu bleiben. Einzigstes Highlight an diesem Tag war ein kleiner Braunbär, den wir am Ufer beim Versuch, den Felsen zu erklimmen, beobachteten. Als er uns entdeckte, rutschte er vor Panik am Steilhang fast ab - so sehr wir uns freuten, missfiel ihm wohl diese Begegnung !
Ziemlich aufgeweicht und fröstelnd hielten wir nach weiteren 50 km Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz. An einer Bachmündung gingen wir an Land. Der Platz war stark zugewuchert, am Ufer lag ein Kanuwrack und im Sand waren zahlreiche, frische Tierspuren zu erkennen. Dies musste ein besonders begehrtes Fleckchen sein - vom Bär, Wolf, Elch bis zum Luchs war hier alles vertreten. Na, da wollten wir uns nicht auch noch dazwischendrängeln, wir hinterliessen ein paar Turnschuhspuren und packten uns schnell wieder in die Boote und weiter gings.
Nach wenigen Kilometern sollten wir laut Flussführer bei Coffee Creek sein. Bernd schwärmte mir dauernd von diesem Plätzchen vor, wie toll das war, als der legendäre John Bodnarek dort noch in seinem Blockhaus wohnte und die vorbeikommenden Kanuten mit Kaffee bei Laune hielt.
Bei John Bodnarek, als "Coffee John" bekannt, waren Gäste immer willkommen. Die Paddler konnten auf seinem Grundstück für 4$ die Nacht zelten und seinen Trappergeschichten bis tief in die Nacht lauschen. Leider starb Coffee John 1999 an seinem Krebsleiden.
Geschichten erzählen, dass in der Nacht seines Todes Indianer aus der Umgebung solange mit ihm ausharrten und Feuerwasser tranken, bis er in die ewigen Jagdgründe einging.
An diesem Erdflecken wollten wir die Nacht verbringen. Wir fuhren in einen Seitenarm des Yukon, wo laut Flusskarte der Coffee Creek in den Yukon mündet. Nach einigen Metern merkten wir, dass die Strömung nachliess und der Grund immer deutlicher zu sehen war - dann liefen wir auf. Wir versuchten, die Boote zu treideln, aber das Wasser wurde immer sumpfiger um dann fast ganz zu versickern. Offensichtlich waren wir in eine Sackgasse geraten. Wir mussten aussteigen und die Boote zurückziehen, zum Glück war es nicht allzu weit bis zum Hauptstrom.
Ein paar Metern flussabwärts entdeckten wir John's Landestelle, wir stiegen aus und schauten uns staunend den Platz an. John's Hütte existierte noch, allerdings standen da noch jede Menge Zelte, Maschinen, Blockhäuser im Aufbau und sogar ein Outhouse mit Dusche. Allerdings war keine Menschenseele zu sehen, kein Rauch und nix und niemand reagierte auf unser Rufen.
Es sah so aus, als ob hier ein Wilderness Camp für touristische Zwecke entstehen sollte, die Arbeiter aber gerade auf Materialbeschaffung in Dawson City unterwegs waren.
Nachdem wir alles gründlich inspiziert hatten, heizten wir den Ofen in einem der Zelte ein und breiteten darin unsere Schlafsäcke aus...bei diesem Pieselwetter konnte uns nichts besseres passieren.
Damien Jurado - Everything Trying [mp3]
Joe Cocker - Cry Me A River [mp3]
Bo Diddley - Gun Slinger [mp3]
Auch zu Fort Selkirk gab es böse Bärengeschichten, z.B. die einer jungen Frau, welche vor wenigen Jahren mit einer Gruppe unterwegs war und sich abends unwohl alleine ins Zelt zurückzog. Dort wurde sie in unmittelbarer Nähe der anderen von einem Grizzly überrascht und getötet, ohne dass ihr jemand rechtzeitig helfen konnte. Trotz dieser Gruselgeschichten pennten wir tief und fest und kein einziges Geräusch konnte unseren Schlaf stören.
Der nächste Morgen brachte nach anfänglichem Nebel wieder Sonnenschein pur und lud zur Weiterfahrt ein. Nach deftigem Trapperfrühstück und herzlichem Abschied von David und Joseph machten wir uns an die Packerei. Je nach Motivation dauerte dies in der Regel bis zur Abfahrt 1 bis 2 Stunden und obwohl das Leben in der Wildnis ordentlich hungrig machte und wir Berge von Nudeln, Kartoffeln, Fleisch und Müsliriegel verdrückten, hatten wir jedesmal das Gefühl, die Boote seien noch voller und platzten gleich aus allen Nähten. Es war für mich ein Mysterium, was man in so ein Kajak alles reinstopfen konnte, ohne dass es gleich wie ein Betonklotz in den Fluten versank...
Auf der folgenden Etappe begleitete uns gleich zu Anfang ein riesiger Braunbär hoch über dem Ufer. Bevor ich noch meine Kamera aus der wasserdichten Hülle ziehen konnte, hatte uns Meister Petz entdeckt und verschwand hinter einem Hügel. Wieder einmal ein Beweis dafür, wie menschenscheu die Tiere sind, wenn man ihnen nicht zu dicht auf den Pelz rückt.
Der Yukon wurde immer breiter, ein Labyrinth von zahlreiche bewaldeten Inseln und Sandbänken durchsetzte den Fluss, so dass wir an manchen Stellen den Überblick verloren und aufpassen mussten, nicht vorbei am Hauptstrom in eine unbefahrbare Sackgasse zu geraten.
Aber zum Glück gibt es "verrückte" Leute, die Jahre nichts anderes machen, als mit einem Kanu sämtliche Flüsse eines Gebietes abzufahren um dann detaillierte Karten zu ihrer jeweiligen Strecke anzufertigen.
Dank des hervorragenden Flussführers von Mike Rourke, der in 10 Jahren akribischer Feinarbeit den Yukon von seiner Mündung im Marsh Lake bis nach Cirkle/Alaska über Stromschnellen, Flussgeschwindigkeiten, Beschaffenheit des Ufers (zum Beispiel, ob die Stelle zum Campieren geeignet ist) und die komplette Historie der Umgebung ausführlich beschrieben und aufgezeichnet hat, fanden wir meist die richtige Route.
Die Strömung war mit 10/kmh beachtlich und nach landschaftlich schönen, aber relativ unspektakulären 50 km, entdeckten wir in der Nähe von Selwyn eine nette Insel, auf der wir unser Nachtlager aufschlugen. Das Land begutachten und nach Tierspuren absuchen, Holz sammeln, Feuer machen, einen geeigneten Platz für das Zelt suchen, dieses dann aufbauen, kochen, essen, unser abendliches Bierchen trinken (wir hatten 42 Dosen dabei - für jeden Abend eine !), dann den Lagerplatz möglichst geruchs- und abfallfrei machen, dies waren inzwischen unsere vertrauten Alltagsrituale. Nachdem alles für die Nacht vorbereitet war, ballerten wir mit unserer 22er noch ein paar Löcher in die leeren Büchsen, in der Hoffnung, dass alle Tiere in der näheren Umgebung durch den Krach genügend Abstand zu unserem Lager wahren würden.
Der folgende Tag begann grau und mit den üblichen Morgenritualen, nach kurzer Zeit auf dem Fluss fing es an zu nieseln und dieses Getröpfel sollte uns den ganzen Tag begleiten. Die Stimmung war dementsprechend gedrückt, aber wir kamen zügig voran, schaufelten wir doch, was das Zeug hielt, um warm zu bleiben. Einzigstes Highlight an diesem Tag war ein kleiner Braunbär, den wir am Ufer beim Versuch, den Felsen zu erklimmen, beobachteten. Als er uns entdeckte, rutschte er vor Panik am Steilhang fast ab - so sehr wir uns freuten, missfiel ihm wohl diese Begegnung !
Ziemlich aufgeweicht und fröstelnd hielten wir nach weiteren 50 km Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz. An einer Bachmündung gingen wir an Land. Der Platz war stark zugewuchert, am Ufer lag ein Kanuwrack und im Sand waren zahlreiche, frische Tierspuren zu erkennen. Dies musste ein besonders begehrtes Fleckchen sein - vom Bär, Wolf, Elch bis zum Luchs war hier alles vertreten. Na, da wollten wir uns nicht auch noch dazwischendrängeln, wir hinterliessen ein paar Turnschuhspuren und packten uns schnell wieder in die Boote und weiter gings.
Nach wenigen Kilometern sollten wir laut Flussführer bei Coffee Creek sein. Bernd schwärmte mir dauernd von diesem Plätzchen vor, wie toll das war, als der legendäre John Bodnarek dort noch in seinem Blockhaus wohnte und die vorbeikommenden Kanuten mit Kaffee bei Laune hielt.
Bei John Bodnarek, als "Coffee John" bekannt, waren Gäste immer willkommen. Die Paddler konnten auf seinem Grundstück für 4$ die Nacht zelten und seinen Trappergeschichten bis tief in die Nacht lauschen. Leider starb Coffee John 1999 an seinem Krebsleiden.
Geschichten erzählen, dass in der Nacht seines Todes Indianer aus der Umgebung solange mit ihm ausharrten und Feuerwasser tranken, bis er in die ewigen Jagdgründe einging.
An diesem Erdflecken wollten wir die Nacht verbringen. Wir fuhren in einen Seitenarm des Yukon, wo laut Flusskarte der Coffee Creek in den Yukon mündet. Nach einigen Metern merkten wir, dass die Strömung nachliess und der Grund immer deutlicher zu sehen war - dann liefen wir auf. Wir versuchten, die Boote zu treideln, aber das Wasser wurde immer sumpfiger um dann fast ganz zu versickern. Offensichtlich waren wir in eine Sackgasse geraten. Wir mussten aussteigen und die Boote zurückziehen, zum Glück war es nicht allzu weit bis zum Hauptstrom.
Ein paar Metern flussabwärts entdeckten wir John's Landestelle, wir stiegen aus und schauten uns staunend den Platz an. John's Hütte existierte noch, allerdings standen da noch jede Menge Zelte, Maschinen, Blockhäuser im Aufbau und sogar ein Outhouse mit Dusche. Allerdings war keine Menschenseele zu sehen, kein Rauch und nix und niemand reagierte auf unser Rufen.
Es sah so aus, als ob hier ein Wilderness Camp für touristische Zwecke entstehen sollte, die Arbeiter aber gerade auf Materialbeschaffung in Dawson City unterwegs waren.
Nachdem wir alles gründlich inspiziert hatten, heizten wir den Ofen in einem der Zelte ein und breiteten darin unsere Schlafsäcke aus...bei diesem Pieselwetter konnte uns nichts besseres passieren.
Damien Jurado - Everything Trying [mp3]
Joe Cocker - Cry Me A River [mp3]
Bo Diddley - Gun Slinger [mp3]
Mittwoch, 8. Oktober 2008
6. Fort Selkirk II
Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem KajakIn meinem Brief habe ich die Ortsnamen der Ureinwohner verwendet, wo immer ich sie lernen konnte. Meiner Meinung nach sollte dies immer untersucht werden. Die indianischen Namen für Berge, Seen und Flüsse sind Richtungsweiser für Reisende, wer sie auch immer sein mögen. Diese Namen mit Namen einer fremden Sprache zu ersetzen bedeutet, die natürlichen Wegweiser zu zerstören…Ein weiterer guter Grund, diese Namen zu erhalten besteht darin, dass einige Traditionen mit diesen Namen verknüpft sind. Diese Menschen haben keine geschriebene Sprache, doch ihre Ortsnamen sind ein ausgezeichnetes Mittel, ihre Geschichte zu lernen.
-E. J. Glave, 1890, Zitat aus Reading Voices.
Mitten in der Nacht kratzte ein Tier an den Balken direkt hinter unseren Köpfen - nachdem wir an diesem Abend der 83sten Bärengeschichte gelauscht hatten, wirkte das nicht gerade schlaffördernd und wir waren froh, einigermassen stabile Wände um uns zu haben.
Das Feuer im Ofen wärmte uns noch eine Weile, dann kroch die Yukonkälte durch die Ritzen der Blockhütte. Am frühen Morgen sank die Temperatur regelmässig auf ihren Tiefpunkt und es fiel uns nicht sonderlich schwer, den dürftig wärmenden Schlafsack zu verlassen, um als Erste den Duft von frischem Kaffee zu verbreiten.
Der Blick nach Draussen liess uns noch mehr frösteln - dicker Nebel verhüllte den Fluss und das Ufer. Da sich meistens die Sonne hinter dem Nebel versteckt, beschlossen wir, auf diese zu warten um dann den Tag in Fort Selkirk zu verbringen und den naheliegenden Berg, Eté cho, zu besteigen.
Der Name der Northern Tutchone für Victoria Rock ist Tthi Ts'et 'yan oder T'thi Ts'ach'an. Einer Geschichte zufolge ist der Felsen der Körper einer jungen Frau unter einer Pubertätshaube, die nicht die richtigen Rituale befolgte und zu Stein wurde. Einer anderen, von Harry Baum und Johnson Edwards erzählten Geschichte nach ist Victoria Rock die Gestalt einer Frau der Han-Ureinwohner vom Eagle
River, die sich in Tiere verwandeln konnte. Dies hier ist einer der Orte, an denen sie sich ausruhte.
Die Basaltwand gegenüber von Fort Selkirk wird Melú genannt und der Hügel, der nordöstlich von Fort Selkirk liegt heißt Eté cho, was soviel wie „die ältesten Menschen" heißt (T. McGinty, FSEOHP, p. 2).
Eine geniale Idee, wie wir nach dem Frühstück feststellten. Der Nebel verzog sich kurz vor Mittag plötzlich und ein wunderbar warmer und sonniger Tag lag vor uns.Schnell waren die Wanderstiefel geschnürt und wir trabten durch den dichter werdenden Wald immer am Fluss entlang.
Unmengen von Beeren, die hier wuchsen, und die typischen, mit Beerenkernen durchsetzten Häufen auf dem Weg liessen auf eine gesunde Bärenpopulation schliessen.
Um so mehr versetzte uns der Anblick eines versteckten Lagers in blankes Staunen. Bei der Suche nach einem gangbaren Pfad auf den Berg stolperten wir fast über einen Rucksack, in nächster Nähe lag ein Kanu, nebendran ein Biwak mit Schlafsack und eine offene Tonne mit Müsli und anderen schmackhaften Lebensmitteln, aber kein Mensch weit und breit.
Sonderbar, ist es doch im Bärenland oberstes Gebot, sämtliche Lebensmittel geruchsicher zu verpacken und möglichst hoch zu hängen. Wir konnten uns absolut nicht vorstellen, welches Greenhorn auf diese Wildnisregel pfeift und sich somit in Gefahr bringt und als sich auch nach mehrmaligem Rufen nichts regte, suchten wir ziemlich beunruhigt die Umgebung ab.
Da ertönte eine Stimme vom Berg: "Hoi, ich bin hier oben - es ist alles in Ordnung"...naja...
Oben angekommen, erfuhren wir, dass unser junger Freund aus Romanshorn in der Schweiz stammt, also nur ein paar Kilometer von meinem Wohnort weg. Er war alleine mit dem Kanu auf dem Yukon unterwegs und wollte bis nach Circle/Alaska paddeln. Die Fressalien in der Tonne waren beim letzten Regen wohl nass geworden und er wollte, während das Müsli in der Sonne trocknete, einen Blick von oben auf den mächtigen Yukon werfen.
Nach dieser netten Einlage liefen wir zurück zum Lager, schlugen gerade rechtzeitig vor einem überraschenden Regenguss das Zelt auf und bruzzelten am Lagerfeuer unser Abendessen.
Fiepsi und der Professor alias David und Jos aus Whitehorse waren auch noch da, ausserdem ein Männerballett im Zehnerpack, welches später am Abend das Cooking Shelter belagerte, um den Gedichten von Robert Service zu lauschen.
Da wir am nächsten Morgen weiterpaddeln wollten, verkrochen wir uns zeitig ins Zelt und liessen uns von den Worten Robert Services in den Schlaf begleiten.
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