Donnerstag, 17. Mai 2007

Die kalte Sophie und Karl, der Feigling

"Sophie man die Kalte nennt, weil sie gern kalt` Wetter bringt."
Die Sophie kam gestern und das kalte Wetter auch.
Wenn ich daran denke, dass meine Wanderkumpels mit der kalten Sophie für die nächsten 4 Tage ins Bergell ziehen, frostelt mich etwas.
Immerhin kommt unsere Maschine jetzt unter die schützende Haube - als ich um kurz vor 20 Uhr durch die Pforte schlich, war sie fix und fertig und ich auch.
Aber jetzt erst mal frei. Zeit zum Flicken. Denn: am Montag zog ich wieder mal die gute, 10 Jahre alte schwarze Theaterhose an - sie spannte etwas um die Hüften. Kein Grund zur Sorge, die jahreszeitlichen bedingten Schwankungen sind einfach noch nicht vollständig abgebaut. Mit offenem Hosenschlitz restaurierte ich mich also, in der Hoffnung, das gute Teil würde zwischenzeitlich die richtige Passform finden. Kurz vor dem Jackenüberwurf hielt ich vor Spannung die Luft an und quetschte meine 3 überschüssigen Pfunde hinter den Zipper. Geschafft, rein in die Jacke, dann ins Auto, Musik an, einmal tief durchgeatmet und - ratsch! Mein Sinn für Ästhetik kann sich nun mal gar nicht mit sichtbaren Sliprändern auf dem Hintern anfreunden - das daraus resultierende, reduzierte, optisch aber durchaus erfreuliche Teilchen gab unter der geplatzten Hose allerdings mehr frei, als mir lieb war. Also, Rolle rückwärts zum Kleiderschrank, rein in die reissfeste Alltagsjeans und Rolle vorwärts in die Vorstellung. So ein Theater!
Hätte ich gewusst, was mich dort erwartet, hätt ich's in Ruhe in die Reihe 7 krachen lassen.
Ein bisschen Situationskomik wäre der Aufführung gut bekommen.
Apropos, schreibt der Südkurier heute in seiner Rezension: "Wenig Toleranz bewiesen ein, zwei dutzend Besucher des Theaterabends mit Lukas Bärfuss' Stück Der Bus. Noch während der Vorstellung des Ensembles der Württembergischen Landesbühne Esslingen verliessen sie den Saal. Wir wissen nicht, was sie mehr dazu bewegte, Stück oder Inszenierung. Womöglich beides."
In meinem Fall war es beides, wie zuvor schon beschrieben.
Im Nachhinein allerdings scheint mir eine Figur aus dem Bus doch besonders erwähnenswert. Karl, der klassische, unsympathische Feigling. Karl, der ohne Rückgrat durchs Leben geht, der sich biegt und windet und kriecht, um letztendlich doch den bequemen, feigen Weg zu gehen, das aber konsequent. Uarks - Karl war mir richtig zuwider, spielte er doch seine Rolle absolut überzeugend. Schonungslos bekannte er sich zu seiner Feigheit, was ihn fast wieder sympathisch machte.
Wo du nicht mehr den Schauspieler siehst, den du in seiner Rolle bewertest, sondern die Charaktere auf der Bühne anfängst zu hassen oder zu lieben, da fängt richtig gutes Theater an.

Achso, hab ich schon erwähnt, dass ich keine Feiglinge mag?

Tim Buckley - Driftin [mp3]
Proclaimers - I Would Walk 500 Miles [mp3]

Dienstag, 15. Mai 2007

Kapotasana - die Taube

Aus dem "Yoga des Patanjali" Sutra 30

"Mangelnde Zielstrebigkeit:
entsteht durch die vielen nützlichen Pläne, die man im Kopf hat. Ein Plan, wie nützlich er auch sein mag, ist solange falsch, bis er in die Tat umgesetzt wird. Beginnen wir einen Plan zu verwirklichen, wird er wahr, und die übrigen Pläne verlieren sich oder entwickeln sich entsprechend ihrer Bedeutung weiter. Sobald wir zu handeln be­ginnen, ändert sich unsere Umgebung zu unserem Vorteil. Solange wir nicht handeln, hat die Umgebung mehr Bedeutung als wir selbst. Wir sollten eine Sache ausführen, die wir für richtig halten. Die Umgebung wird sich selbst danach ausrichten, und es werden keine Konsequenzen entstehen."

Tori Amos & Sarah McGlaughlin - Black Dove [mp3]

I'm Gonna Be

Montag, 14. Mai 2007

Der Bus

"Man soll gehen, wenn es am schönsten ist." Mag ja sein, doch der heutige Theaterabend lief unter dem Motto: "Gehe einfach, wenns am schlimmsten ist." Der richtige Zeitpunkt war allerdings schlecht auszumachen, es war eineinhalb Stunden gleich schlimm. Ich wollte einfach nicht mehr ausharren, bis es noch schlimmer kommen würde, so zog ich es vor, in der Pause dem schlimmsten vorzubeugen und das Theater unbeklatscht fluchtartig zu verlassen - ich hab mir wahrhaftig schon viel Theaterunsinn gegönnt, aber das kam bisher noch nie vor.

Der Kultkurier schreibt zum Stück:
DER BUS handelt von einer Busgesellschaft irgendwo in den Bergen. Darunter Erika, eine Pilgerin, die von einem Engel den Auftrag erhalten haben will, am Tag der Heiligen Sophie nach Tschenstochau in Polen zur Schwarzen Madonna zu reisen - denn sonst passiert ein Unglück. Doch Erika ist in den falschen Bus gestiegen und ist nun mit einer illustren Runde von Kurgästen konfrontiert, die nicht nach Polen fahren, sondern auf dem Weg in ein Kurhotel in den Bergen sind. Der Schweizer Autor Lukas Bärfuss zählt zu den wichtigsten Dramatikern der Gegenwart.

Aha. Die Fixerin Erika, welche vom Engel die christliche Botschaft, mit Bekehrung zum Guten inklusive eingeflüstert bekommt, sich aus Versehen - oder Fügung? - in einen mit Dekadenz besetzten Bus verirrt, dessen rüpelhafter Fahrer Hermann droht, sie umzubringen - so weit, so ungut. Fünf Schläge hätten für's Schauspiel auch gereicht, warum es 30 oder 40 sein mussten...und warum für's Grabschaufeln 15 Minuten Dreck über die Bühne geworfen werden muss, gepaart mit langatmigen Abhandlungen über die Beschaffenheit des Bodens - der tiefere Sinn blieb mir verborgen.
Eine haarsträubend zusammenkonstruierte Geschichte war das - ausgezeichnet mit dem Mülheimer Theaterpreis, auch das bleibt mir ein Rätsel - vielleicht hab ich auch einfach des Kaiser's neue Kleider übersehen.

Bleibt zu hoffen, dass die übrigen Aufführungen der Baden-Württembergischen Theatertage das Publikum mehr begeistern.

The Who - Magic Bus [mp3]

Sonntag, 13. Mai 2007

Der weisse Neger Wumbaba

"...der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget, der weisse Neger Wumbaba..."











Morgens um 6, da ist der Wald noch in Ordnung. Aber wer glaubt, Schweigen ist Gold im Mund der Morgenstund - weit gefehlt, richtig laut und umtriebig ist es da. Die Vögel pfeifen sich eins auf die Ruhe und dem lonesome Läufer in die Ohren, als ginge es um die Endausscheidung zum Songcontest. Jungvögel machen ihre ersten tollpatschigen Flugversuche, wohl grade von ihren Müttern aus dem Nest geworfen. Da fällt mir ein, klar - heute ist Muttertag. Eine Kurve weiter steigt plötzlich vor mir der weisse Neger Wumbaba aus der Wiese - und der Wald steht schwarz und schweiget. Dann, an allen Ecken und Enden - Enten! Ein Entenpäärchen gönnt sich zum Frühstück verlorene Abfälle neben einer in Waldesnähe stehenden Mülltonne. Mahlzeit! Über meinem Kopf rauscht ein ganze Entenmeute im Tiefflug. Tiefer drin im schwarzen Wald am versteckten Tümpel durchbricht dessen Schweigen ein weiteres Entenpaar mit wildem Geschnatter beim munteren Liebesspiel. Morgenstund tut Liebe kund und: Enten sind Wassertiere! Denkste...kurz vor dem Zieleinlauf - ein Wegelagerer von der seltenen Spezies der Waldente, eng verwandt mit der populäreren Zeitungsente. Womit bewiesen wäre: Enten sind doch Waldtiere...Ente gut, alles gut.












Sister Dew - Kill The Night [mp3]
Tarkio - My Mother Was A Chinese Trapeze Artist [mp3]

500 Miles