Neulich morgens - es war zwischen 7 und 8 Uhr, zwischen Dusche, Kaffee und Katzenfutter - lief eine brandneue CD, welche mir tags zuvor ein Freund geschenkt hatte. Ziemlich passend zur Tageszeit "
To Survive" von "
Joan As Policewoman". Absicht war, meiner untertourigen Morgenroutine mit musikalischer Untermalung etwas drive zu verleihen. Was da aus dem Lautsprecher tönte, war aber alles andere als easy listening. Der Sound verwandelte den gewünschten drive in ein Innehalten - als morgendliches Grundrauschen taugte das nicht. Ganz unpassend zur anstehenden Tagesordnung waren nur noch meine Ohren aktiv. Also, Platte raus, SWR3 rein - Steffi Tücking und Christian Thees als
grundrauschende Alternative.
Ohne greifbar zu sein, wirkte die Musik nach wie ein Sog; nichts von den Songs setzte sich richtig fest und dennoch hatte ich das Bedürfnis, die Scheibe wieder zu hören.
Die sperrigen, nicht auf Anhieb eingängigen Balladen, getragen von der betörenden Soulstimme Joan Wassers wollen ungeteilte Aufmerksamkeit, und das am besten live.
Also begab ich mich am Donnerstag abend in die
Rote Fabrik nach Zürich.
Pünktlich zur Türöffnung um 21 Uhr laufen wir dort ein. Ein Bier, ein paar Nüsse und schon lädt der pianolastige Sound der Vorgruppe
Beach House zum träumen ein, reisst mich aber nicht gerade vom Hocker.
Kurze Pause, dann kommt Sie. Brünette Mähne, enger Glitzerfummel, schwarze Leggings und goldene Stifeletten. Am Schlagzeug nimmt
Parker Kindred Platz und am Bass Joan's langjähriger Freund
Timo Ellis, der die Ausnahmebassistin
Rainy Orteca vertritt. Der Saal ist nicht überfüllt aber es sind genügend Leute gekommen, um dem Trio stürmisch zu applaudieren.
Nach knapper Begrüssung "Hello...how are you feeling tonight...thank you" steht sie auch schon hinter der mit Glitzerstoff verkleideten Hammond und zieht sofort das Publikum mit wunderschönen, geheimnisumwobenen Songs in ihren Bann. Später dann greift sie auch zur Gitarre, die Violine kommt an diesem Abend nicht zum Einsatz.
Wenig Worte, die Show aufs Wesentliche reduziert - trotz ihrer cool und distanziert wirkenden Art merkt man sofort, um wen und was es auf der Bühne geht.
Von Verlust, Liebe und Begehren handeln ihre schwer fassbaren, filigranen Lieder, die erst still und unscheinbar über ihre Lippen kommen um sich dann in monumentalen, intensiven Melodiekurven in luftigen Klangwolken fast zu verlieren. Immer aufgefangen und getragen von Joans wunderbar souligen, manchmal etwas verrucht zerbrechlichen, aber ausdrucksstarken und klangsicheren Stimme und dem reduziert und doch bedeutungsvoll eingestzten Fundament aus Klavier, Schlagzeug und Bass.
Erstaunlicherweise hat die Multiinstrumentalistin mit dem Singen und Songschreiben erst relativ spät angefangen.
In den 80ern liess sie sich an der New Yorker Musikhochschule zur klassischen Violinistin ausbilden um dann als gefragte Gastgeigerin im kreativen Umfeld unter anderem von Lou Reed, Elton John, Sheryl Crow, Rufus Wainwright,
Anthony & the Johnsons mitzuwirken. Ende der 90er spielte sie mit ihrer ersten Band, den "
Dambuilders" und der ehemaligen Begleitband ihres Freundes Jeff Buckley "
Black Beetle". Als diese 2002 auseinanderbrach, gründete Joan Wasser ihre eigene Band "Joan As Police Woman", mit der sie zur Zeit anlässlich ihres zweiten Albums "To Survive" durch Europa tourt.
Jeff Buckley, mit dem Joan bis zu seinem tragischen Tod 1997 befreundet war, widmete ihr einst das Lied "Everybody Here Wants You". Und der Titel wird bestätigt. Aufmerksame Stille herrscht im Saal bis zum Schluss, unterbrochen nur vom begeisterten Applaus zwischen den Stücken. Absolut eindrucksvoll. Bisher kannte ich ein solch andächtiges Lauschen nur aus klassischen Konzerten
Sie wiederum widmete Buckley nun das Stück "To Be Lonely". Bezaubernd fragil, intensiv und verletzlich erzählt, ohne in Trauer oder Hoffnungslosigkeit zu verfallen, war es für mich der Favorit des Konzerts.
Am Ende bietet die Band noch eine Zugabe und Joan Wasser signiert am Merchstand persönlich alles, was man ihr unter die Nase hält. Dieses sehr intime Konzert liess - bis auf eine Kleinigkeit - nichts zu wünschen übrig.
Recht gewöhnungsbedürftig empfand ich Joan's Glitzerlook. Meine ausgeprägte Aversion gegen alles Glitzerige, vor allem auf Kleidung, endete zum Glück nicht in einem Fluchtreflex. Die angenehme Stimmung im Raum und die wunderbare Musik liessen mich nach kurzer Zeit nur noch das innere Glitzern und Funkeln wahrnehmen.
Inzwischen hörte ich die CD mehrmals aktiv und obwohl "To Survive" nicht grade ein fröhliches Album ist, ist es grossartig und hilft in verschiedensten Situationen beim Überleben. Man muss nur richtig hinhören.
Joan As PoliceWoman - To Be Lonely [mp3]Joan As Police Woman - To Survive [mp3]Antony And The Johnsons - Frankenstein [mp3]Antony And The Johnsons - Cripple And The Starfish [mp3]Jeff Buckley - So Real [mp3]Jeff Buckley - Satisfied Mind [mp3]Tim Buckley - Driftin [mp3]