Montag, 2. November 2009

Vergnügungen


Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein

Berthold Brecht

Freitag, 30. Oktober 2009

Sie sind nicht tot - sie haben nur die Saiten gewechselt


Naja, bis Weihnachten isses noch ein bisschen. Wie mir zu Ohren gekommen ist, sind aber viele von euch schon fleissig am Wunschzettel schreiben. Vielleicht ist euch der alleinige Wunsch nach einer besseren Welt auch zu abgefahren und der Plattenschrank oder die Festplatte lässt keine Wünsche mehr offen, dann gibt es hier, speziell für Musikfans und passend zur Jahreszeit eine kleine, morbide Empfehlung:

†  Kalendarium toter Musiker für das Jahr 2010  † 

2010 und es gibt ihn wieder! Der Kultkalender ist zurück. Mit noch mehr Toten! Auf 480 Seiten warten über 1100 verstorbene Musiker und Musikerinnen darauf, wiederentdeckt und unter Zuhilfenahme hochprozentiger Getränke gewürdigt zu werden.

Bestellen kann man das gute Stück bei Onkel & Onkel - also, nichts wie drauf auf den Wunschzettel !

The White Stripes - Walking With A Ghost [mp3]
INXS - Devil Inside [mp3]
The Ventures - He Never Came Back [mp3]
Greatful Dead - Friend Of The Devil [mp3]
Black Sabbath - Black Sabbath [mp3]

Es sind Worte, nur Worte

Der Eine und der Andere. Beide in einem Boot. Sie segeln zwischen zwei Polen, der sicheren Bucht und dem bewegten offenen Meer. Existenzielles Schwimmen, zwischen Aufbruch und Abschiednehmen. Eine Unterhaltung, bestehend aus fragmentierten Sätzen und unzulänglichem Satzgerüst füllt die Szenerie, beeindruckend untermalt von den aufwühlenden Klängen eines Cellos.

Ich habe es getan
Wie hast Du es getan?
einfach so

Der Eine, überdrüssig des Lebens, des Lärms der Anderen und seiner selbst. Der Gedanke, vom Boot zu springen, es einfach zu tun, auch wenn es Angst macht, lässt ihn nicht los. Der Andere versucht zu vermitteln, zu ergänzen und zu verstehen, folgt den Erklärungen des Einen, Erklärungen, die sich auflösen, die sich immer wieder verlieren an den Grenzen der Sprache.

Das sind alles nur Worte. Es ist alles ausgedacht.

Fosse zeichnet poetische, vielschichtige Sprachlandschaften, deren Wortgewalt sich durch Aussparung, durch Reduktion auf das Unwesentliche auszeichnet. Es, das vermeintlich Wesentliche bleibt nebulös, wird durch das Unaussprechliche ausgedrückt, drängt sich dem Zuschauer auf im Scheitern der Sprache. Ein logisches Paradoxon.

Ich fühle mich so schwer, so schwer wie ein Stein
Du meinst, grau?
Ja. Grau. Nein. Grau ist nicht hässlich. Grau ist schön. Und hässlich.

Handlung gibt es in diesem Stück kaum, es offenbart sich einem eher als Meditation, als Landschaft oder schwebender Zustand zwischen Leben und Tod. Die imaginäre Wirklichkeit wird unterstützt durch ein Bühnenbild, welches ebenso reduziert ist, wie das Stück selbst. Die beiden Männer sitzen auf einem schwankenden Balken, dahinter ist ein netzartiges Segel gespannt. Befreiende Aufbruchstimmung kommt auf, als auf dem Balken gespeist und Schnaps gekippt wird. Die Koketterie mit anheimelnder Normalität ist jedoch von kurzer Dauer. Der Eine stellt sich euphorisch in den Wind, will hinaus in die ungewisse Weite, der Andere klammert sich an den Anker der Sicherheit versprechenden Bucht. Der Eine lässt sich nicht beirren, segelt hinaus, lässt alle Fixpunkte hinter sich. Das Boot wird zum Spiel der Wellen. Und dann passiert es.

wo bist Du? wo bist Du?

Jegliche Rettungsversuche scheitern. Der eine ist fort. Fort mit dem Wind. Das Scheitern manifestiert sich in verzweifeltem Aufbäumen gegen das Unfassbare.

ich bin fort mit dem Wind - ich bin der Wind 

Fosse erzeugt in diesem sperrigen Stück eine triste Stimmung, die nicht leicht zu ertragen ist. An manchen Stellen entsteht der Wunsch, die Protagonisten von der Stange zu werfen, um der Befindlichkeitsfolter ein Ende zu setzen. Manchmal fragt man sich, ob nicht das Cello allein das Stück sehenswert macht.
Doch das täuscht. Die Kraft von Fosse's Sprache wirkt nach, erschliesst sich einem in ihrer Tiefe erst nach dem Verlassen des Theaters. Auch Stunden später bleiben unklare Gedanken, die aber nach und nach einer klaren Faszination weichen.

Jon Fosse "Ich bin der Wind" / Regie Wulf Twiehaus / Stadttheater Konstanz

Arcade Fire - Cold Wind [mp3]
Juliette Lewis - Suicide Dive Bombers [mp3]
The Decemberists - Lost At Sea [mp3]
Regina Spektor - Sailor Song [mp3]
The Unicorns - Sea Ghost [mp3]

Dienstag, 27. Oktober 2009

anal, oral oder vaginal?

Dem Kollegen auf die Sprünge helfen...Nachtschwester Kroymann weiss Rat. Immer wieder schön :

Montag, 26. Oktober 2009

Die Schönheit der Welt atmen

Der Johnston Lake liegt mitten im Wald, auf knapp 2.800 m. Es war noch dämmrig und ziemlich kühl, als ich morgens aus dem Zelt kroch. Um mich aufzuwärmen, zündete ich erst mal ein Feuer an. Die Vögel regten sich langsam und fingen an zu zwitschern, der See lag still und glatt wie ein Spiegel eingebettet zwischen den Bäumen, es roch betörend nach frischem Harz. Plötzlich knackte es hinter mir. Ich erschrak und fuhr herum. Aus dem Unterholz sprang ein Reh mit zwei Kitzen, die neugierig und ohne Scheu zu mir rüberschauten. Erleichtert über diesen erfreulichen Besuch holte ich erst tief Luft und dann die Kamera, setzte mich hin und während ich das Spiel der Tiere beobachtete, überkam mich ein tiefes Glücksgefühl.
Die Schönheit der Welt atmen...



Die folgende Etappe führte über den 2.957 m hohen Gladys Pass, durch die urtypische Landschaft der Sierra Nevada. Tiefblaue Seen, eingebettet in grüne Täler, die mit hellgrauen Granitblöcken übersät sind und gewaltige Felsmassive, die darüber thronen. Selten zuvor hatte ich etwas Schöneres gesehen.
Ab und zu trafen wir andere Wanderer, die meisten waren vom Yosemite Valley gestartet und kamen uns deshalb entgegen. Wie gehts? Wo kommt ihr her? Wo geht es hin? Erfahrungen wurden ausgetauscht, dann ging jeder wieder seines Weges.

Nach ca 18 km erreichten wir den Thousand Island Lake. Es war schon Abend und wir beschlossen, an diesem wundervollen Platz die Nacht zu verbringen. Ein Amerikaner, der redete und aussah wie Jack Nicholson, verriet uns, wo hier die schönsten Camp Spots sind und gab uns allerlei Tipps mit auf den Weg.
Es soll hier ziemlich viele Bären geben, das bestätigte uns auch eine Rangerin, die wenig später vorbeikam und kontrollierte, ob unsere Lebensmittel in Bear Cans verpackt sind.

Mit einem grandiosen Blick auf die tausend Inseln im See und den Banner Peak liessen wir den Abend am Lagerfeuer ausklingen. Lange noch lauschte ich in die Stille der Nacht hinaus. Jede Nacht hat wohl ihre eigenen Geräusche. In dieser Nacht war es das Heulen der Kojoten, welches immer wieder die Stille durchbrach. Das klang unheimlich und doch irgendwie schön.

Samstag, 24. Oktober 2009

In die Säulenhalle des Teufels

Mammoth Lakes befindet sich auf 2.400 m ü.M. und dementsprechend frisch ist die Luft, die uns am frühen Morgen beim Verlassen des Motels um die Nase weht. Das nächste Cafe ist nur ein paar Schritte weit und während wir auf die pancakes mit Heidelbeeren warten, verschicken wir noch die letzten emails in die Heimat.
Trotz oder gerade wegen der "freien" USA sind begehrte Backcountry Trips wie der John Muir Trail stark kontrolliert, es werden pro Tag nur eine sehr begrenzte Anzahl von Permits an Wanderer vergeben. Durchaus sinnvoll, denn diese Massnahme schützt die fragile Tier- und Pflanzenwelt und bewahrt die Natur in einem weitgehend ursprünglichen Zustand, ganz im Sinne des Naturschützers John Muir, nach dem dieser Weg benannt ist.
Mit einem Coffee to go gehts anschliessend zum Ranger Office, wir holen unser Wilderness Permit und die letzten guten Ratschläge ab und sitzen wenig später im Shuttle-Bus Richtung Red's Meadow, unserem Einstieg auf den John Muir Trail. Obwohl der Bus gut gefüllt ist, lässt es sich der Fahrer nicht nehmen, auf halber Höhe noch eine quirlige Schulklasse einzuladen - tausche einen Sack voller Flöhe gegen Sardinenbüchse!!!
Es ist schon Mittag, als sich die Bustüre öffnet, inzwischen gibt die Sonne ihr Bestes und wir wandern schwitzend im Pulk der Tagestouristen erst mal Richtung Devil's Postpile und Rainbow Falls.
Die Säulenhalle des Teufels befindet sich nur wenige Kilometer von der Andreasspalte. Dieses Monument sieht aus wie eine riesige Kirchenorgel. Vor weniger als 100'000 Jahren floss Basaltgestein als Lava in das vergletscherte Tal und die Luft kühlte das 120 Meter dicke flüssige Gestein an der Oberfläche ab. Dabei zog sich die Basaltmasse zusammen und es entstanden sechseckige Bruchstücke in der Form von Bienenwaben. Sehr beeindruckend! Auch die nachfolgenden Rainbow Falls machen ihrem Namen alle Ehre. Mach ein Bild von mir, dann mach ich eins von dir und dann nichts wie weg auf den Weg in die Stille.

Gleich nachdem wir zurück von den Falls auf den John Muir Trail abbiegen, lassen wir die Menschenmassen hinter uns und folgen unserem eigenen Rhythmus - ein Schritt nach dem anderen, ein Atemzug, zwei Schritte, einmal Ausatmen zwei Schritte - der immer wiederkehrende Rhythmus der Berge.
Unser Tagesziel Glady's Lake wollen wir vor Sonnenuntergang erreichen, doch es geht ständig leicht bergauf, die geschätzten 20 kg Gepäck ziehen mächtig an den Schultern und wir sind müde und hungrig. Etwa 3 km vorher, am Johnston Lake entdecken wir einen wunderbaren Platz für's Lager und wir beschliessen, dort die Nacht zu verbringen. In Kalifornien beträgt die Spanne zwischen Dämmerung und Nacht etwa 30 Minuten, die Zeit reicht gerade, um Holz für das Feuer zu sammeln, das Zelt aufzubauen und zu Kochen. Kurz bevor wir uns verkrümeln, kommt ein Reh am Lager vorbei und wünscht gute Nacht. Dann wird es dunkel.

Als wir in die Schlafsäcke kriechen - es ist grade mal 21 Uhr - haben wir nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Im Gegenteil - es passt alles.