Der Eine und der Andere. Beide in einem Boot. Sie segeln zwischen zwei Polen, der sicheren Bucht und dem bewegten offenen Meer. Existenzielles Schwimmen, zwischen Aufbruch und Abschiednehmen. Eine Unterhaltung, bestehend aus fragmentierten Sätzen und unzulänglichem Satzgerüst füllt die Szenerie, beeindruckend untermalt von den aufwühlenden Klängen eines Cellos.
Ich habe es getan
Wie hast Du es getan?
einfach so
Der Eine, überdrüssig des Lebens, des Lärms der Anderen und seiner selbst. Der Gedanke, vom Boot zu springen, es einfach zu tun, auch wenn es Angst macht, lässt ihn nicht los. Der Andere versucht zu vermitteln, zu ergänzen und zu verstehen, folgt den Erklärungen des Einen, Erklärungen, die sich auflösen, die sich immer wieder verlieren an den Grenzen der Sprache.
Das sind alles nur Worte. Es ist alles ausgedacht.
Fosse zeichnet poetische, vielschichtige Sprachlandschaften, deren Wortgewalt sich durch Aussparung, durch Reduktion auf das Unwesentliche auszeichnet. Es, das vermeintlich Wesentliche bleibt nebulös, wird durch das Unaussprechliche ausgedrückt, drängt sich dem Zuschauer auf im Scheitern der Sprache. Ein logisches Paradoxon.
Ich fühle mich so schwer, so schwer wie ein Stein
Du meinst, grau?
Ja. Grau. Nein. Grau ist nicht hässlich. Grau ist schön. Und hässlich.
Handlung gibt es in diesem Stück kaum, es offenbart sich einem eher als Meditation, als Landschaft oder schwebender Zustand zwischen Leben und Tod. Die imaginäre Wirklichkeit wird unterstützt durch ein Bühnenbild, welches ebenso reduziert ist, wie das Stück selbst. Die beiden Männer sitzen auf einem schwankenden Balken, dahinter ist ein netzartiges Segel gespannt. Befreiende Aufbruchstimmung kommt auf, als auf dem Balken gespeist und Schnaps gekippt wird. Die Koketterie mit anheimelnder Normalität ist jedoch von kurzer Dauer. Der Eine stellt sich euphorisch in den Wind, will hinaus in die ungewisse Weite, der Andere klammert sich an den Anker der Sicherheit versprechenden Bucht. Der Eine lässt sich nicht beirren, segelt hinaus, lässt alle Fixpunkte hinter sich. Das Boot wird zum Spiel der Wellen. Und dann passiert es.
wo bist Du? wo bist Du?
Jegliche Rettungsversuche scheitern. Der eine ist fort. Fort mit dem Wind. Das Scheitern manifestiert sich in verzweifeltem Aufbäumen gegen das Unfassbare.
ich bin fort mit dem Wind - ich bin der Wind
Fosse erzeugt in diesem sperrigen Stück eine triste Stimmung, die nicht leicht zu ertragen ist. An manchen Stellen entsteht der Wunsch, die Protagonisten von der Stange zu werfen, um der Befindlichkeitsfolter ein Ende zu setzen. Manchmal fragt man sich, ob nicht das Cello allein das Stück sehenswert macht.
Doch das täuscht. Die Kraft von Fosse's Sprache wirkt nach, erschliesst sich einem in ihrer Tiefe erst nach dem Verlassen des Theaters. Auch Stunden später bleiben unklare Gedanken, die aber nach und nach einer klaren Faszination weichen.
Jon Fosse "Ich bin der Wind" / Regie Wulf Twiehaus / Stadttheater Konstanz
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