Ankündigungshinweise gibt es hier
Sonntag, 20. Dezember 2009
Es geht um uns Menschen
Die Menschheit muss sich entscheiden
In Kopenhagen wird nicht nur über den Klimawandel verhandelt.
Dort wird eine Schlacht um die Neudefinition der Menschheit geschlagen.
Von George Montbiot
Veröffentlicht in THE GUARDIAN am 15.12.09
"Das ist der Moment, in dem wir innehalten und auf uns selbst schauen sollten. Hier in den plastikverkleideten Gängen zwischen den umlagerten Infoständen, in schwer verständlichen Texten und in ermüdenden Verfahren, befindet die Menschheit darüber, was heute ist und was werden wird. Sie hat die Wahl, so weiterzuleben wie bisher und ihre Erde zu einer Wüste zu machen, oder innezuhalten und sich neu zu definieren. Es geht um viel mehr als um den Klimawandel. Es geht um die Menschheit.
Das Treffen in Kopenhagen konfrontiert uns mit unserer Urtragödie. Wir sind die am weitesten entwickelten Affen und verfügen über den Einfallsreichtum und die Aggressivität, die es uns ermöglichten, Beutetiere zu erlegen, die viel größer als wir selbst waren, neue Landstriche zu erobern und mit unserem Gebrüll unsere natürlichen Beschränkungen zu überwinden. Jetzt sind wir durch die Konsequenzen unseres Verhaltens neuen Beschränkungen unterworfen und leben ziemlich kleinlaut auf diesem überfüllten Planeten, aus Angst, wir könnten andere provozieren oder ihnen in die Quere kommen. Mit unseren Löwenherzen müssen wir das Leben von Büroangestellten führen.
Die Prämisse des Klimagipfels muss die Erkenntnis sein, dass die Ära der Heldentaten vorbei ist. Die Zeit der Bescheidenheit ist gekommen. Wir können nicht länger ohne Einschränkungen leben. Wir können nicht mehr länger einfach unsere Fäuste schwingen, ohne an die Nase zu denken, die uns im Weg sein könnte. Bei allem, was wir tun, müssen wir Rücksicht auf das Leben anderer nehmen und vorsichtig, behutsam und sorgfältig vorgehen. Wir können nicht mehr nur im Heute leben und uns so verhalten, als ob es kein Morgen gäbe.
Das ist eine Konferenz über chemische Vorgänge, über die Treibhausgase, die unsere Atmosphäre zerstören. Es ist aber auch eine Schlacht zwischen zwei Weltsichten. Die zornigen Männer, die jede Vereinbarung zu verhindern versuchen, weil sie ihrer Selbstverwirklichung Grenzen setzen könnte, haben das besser verstanden, als wir anderen. Eine neue Bewegung, die am stärksten in Nordamerika und Australien ausgeprägt ist, jetzt aber überall Fuß zu fassen scheint, will weiter auf den Leben anderer Menschen herumtrampeln, als ob das ihr gutes Recht wäre. Ihre Anhänger wollen sich nicht durch Steuern, Waffengesetze, Regulierungen, Gesundheits-, Sicherheits- oder Umweltvorschriften einengen lassen. Sie betonen, dass fossile Brennstoffe dem am weitesten entwickelten Menschenaffen viel mehr als nur die Verwirklichung seiner steinzeitlichen Träume ermöglicht haben. Für einen (am Alter der Erde gemessen) wunderbaren kurzen Moment haben sie uns ein Leben in glücklicher Unbekümmertheit erlaubt.
Die zornigen Männer wissen, dass dieses goldene Zeitalter vorbei ist; aber sie finden für die Einschränkungen, die sie hassen, nicht die richtigen Worte. Ihre Exemplare des Buches "Atlas Shrugged" (s.http://de.wikipedia.org/wiki/Atlas_wirft_die_Welt_ab ) umklammernd, schlagen sie wild um sich und beschuldigen diejenigen, die sie einengen wollen, Kommunisten, Faschisten, religiöse Fanatiker oder Menschenhasser zu sein; im Innersten kennen sie jedoch den wahren Grund für die notwendigen Einschränkungen, der hemmungslosen Menschen allerdings noch viel widerwärtiger ist: die Rücksichtnahme, die sie anderen Menschen schulden.
Ich fürchte diesen Chor der Rücksichtslosen, ich kann sie aber verstehen. Ich führe ein größtenteils friedliches Leben, aber in meinen Träumen kämpfe ich immer noch mit riesigen Auerochsen. Alle, die noch Kampfeslust verspüren, müssen sich in Ersatzhandlungen oder Fantasievorstellungen flüchten. In Wachträumen und Videospielen leben wir die Bedürfnisse aus, die wir wegen ökologischer Schutzvorschriften oder aus Rücksicht auf andere Menschen nicht mehr befriedigen können.
Die Menschheit ist nicht mehr in Konservative und Liberale, Reaktionäre und Progressive gespalten, obwohl beide Seiten noch der alten Politik anhängen. Heute verläuft die Kampflinie zwischen Wachstumsbefürwortern und Wachstumsbegrenzern, zwischen den einen, die glauben, dass es keine Einschränkungen geben darf, und den anderen, die fordern, dass wir uns Grenzen setzen müssen. Die heftigen Kämpfe, die bisher zwischen der grünen Bewegung und den Leugnern des Klimawandels, zwischen Verfechtern von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Geschwindigkeitsfreaks, zwischen echten Graswurzel-Gruppen und von Konzernen gesponserten Teppichrasen-Liebhabern stattfinden, sind erst der Anfang. Dieser Krieg wird noch viel erbitterter geführt werden, wenn die Menschen an die Grenzen stoßen, die aus Rücksicht auf andere Menschen eingehalten werden müssen.
Im Land der Heldentaten Beowulfs (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Beowulf ) haben wir uns in einem Nebel aus Abkürzungen und Umschreibungen, Einschüben und Ausnahmen verirrt und verfolgen eine tödliche Politik, die versucht, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Heroismus ist hier fehl am Platz, Leidenschaften und Machtansprüche werden durch die Bedürfnisse anderer Menschen begrenzt. So sollte es auch sein, auch wenn jede unserer Nervenzellen dagegen revoltiert.
Obwohl sich die Delegierten (der Klimakonferenz) ihrer Verantwortung bewusst sind, befürchte ich, dass sie uns im Stich lassen werden. Jeder will sein letztes Abenteuer erleben. Kaum eine der offiziellen Delegationen wird die Implikationen akzeptieren, die ein Leben mit Einschränkungen, ein Leben, das auch das Morgen bedenkt, mit sich bringt. Sie werden sich einreden, dass immer noch Grenzen zu überwinden sind, dass sich immer noch neue Ressourcen erschließen lassen, dass man sich selbst keine Beschränkungen auferlegen muss, weil man die Probleme anderen Weltgegenden und anderen Völkern aufbürden kann. Über allem hier Angesprochenen schwebt eine Erwartung, die nie ausgesprochen wird, aber immer präsent ist. Das (angeblich unbegrenzte) Wirtschaftswachstum ist die magische Formel, die eine Lösung der aufgezeigten Konflikte verhindert.
Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, muss man nichts für die soziale Gerechtigkeit tun, weil sich das Leben (der Armen) auch ohne Neuverteilung (des Reichtums) verbessern lässt. Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, brauchen sich Völker nicht gegen ihre Eliten aufzulehnen. Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, können wir uns auch weiterhin den Weg aus unseren Schwierigkeiten freikaufen. Aber wie bei den Bankern werden die heute angeblich bewältigten Schwierigkeiten morgen vervielfacht wiederkehren. Mit dem Wirtschaftswachstum leihen wir uns nur Zeit, für die wir später hohe Strafzinsen bezahlen müssen. Alle in Kopenhagen vereinbarten kleinen Einschränkungen werden sich schon bald als unzureichend herausstellen. Selbst wenn es gelänge, die Klimakatastrophe zunächst abzuwenden, bedeutet (weiteres) Wachstum, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir an neue Grenzen stoßen, die wieder eine globale Antwort erfordern: die Öl- und Wasser-Knappheit oder die Überdüngung des Bodens. Wir werden von einer existenziellen Krise in die andere taumeln, wenn wir uns nicht um die eigentliche Ursache kümmern: Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben.
Auch in den Verhandlungen über den Klimawandel in der Plastikumgebung (in Kopenhagen) geht es nicht wirklich um ernstgemeinte Selbstbeschränkungen. Ein großes Problem bleibt unerwähnt: die Bevorratung. Die meisten Staaten, die sich in Kopenhagen streiten, verfolgen bei den fossilen Brennstoffen eine doppelbödige Politik. Einerseits soll die Nachfrage gedrosselt werden, indem man uns dazu ermuntert, unseren Verbrauch zu reduzieren. Andererseits sollen die Fördergesellschaften das Angebot durch möglichst große Fördermengen erhöhen.
Aus Artikeln, die im April dieses Jahres in der Zeitschrift NATURE veröffentlicht wurden (s. http://www.nature.com/nature/journal/v458/n7242/full/nature08017.html und http://www.nature.com/nature/journal/v458/n7242/full/nature08019.html ), wissen wir, dass wir nur 60 Prozent der gegenwärtigen Reserven an Kohle, Öl und Gas verbrennen dürfen, wenn die durchschnittliche globale Temperatur um nicht mehr als zwei Grad ansteigen soll. Wir könnten noch viel weniger verbrennen, wenn sich die Temperatur nur um 1,5 °C erhöhen soll, was viele der ärmeren Länder fordern. Wir wissen, dass nach der Förderung und Lagerung dieser Brennstoffe nur ein kleiner Bruchteil des darin enthaltenen Kohlenstoffs unschädlich gemacht werden kann. Deshalb müssen die Regierungen zwei unverzichtbare Entscheidungen treffen: Sie müssen festlegen, welche Menge der noch vorhandenen fossilen Brennstoffe im Boden bleiben muss, und es muss eine Vereinbarung geben, dass nicht nach neuen Vorkommen fossiler Brennstoffe gesucht wird. Keiner dieser Vorschläge wurde in Kopenhagen diskutiert.
Trotzdem müsste diese erste große globale Schlacht zwischen Wachstumsbefürwortern und Wachstumsbegrenzern (in Kopenhagen) gewonnen werden, bevor die nachfolgenden Kämpfe um die Begrenzung des Konsums, der Macht der Konzerne und des Wirtschaftswachstums beginnen können. Wenn es den Regierungen nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen, werden die Wachstumsbefürworter von der Schwäche der Wachstumsbegrenzer profitieren. Sie werden mit der gleichen Taktik des Leugnens, der Vernebelung und des Appellierens an den Eigennutz versuchen, auch andere Maßnahmen zu verhindern, die Menschen voreinander schützen oder die Zerstörung der Ökosysteme der Welt verhindern sollen. Der Kampf wird nie enden, und es gibt keine Linie, die diese Leute nicht überschreiten werden. Auch sie wissen, dass dies ein Kampf um die Neudefinition der Menschheit ist, und sie wollen den Menschen zu einer Spezies machen, die noch raubgieriger als die heutige ist.
(Wir haben den Artikel komplett übersetzt und mit Anmerkungen in Klammern und einer Hervorhebung versehen. Das mehr als dürftige "Ergebnis" von Kopenhagen – eine unverbindliche Erklärung ohne konkrete Festlegungen zur Verringerung des CO²-Ausstoßes – bestätigt die schlimmsten Befürchtungen des Autors. Informationen über George Montbiot, der sich seit mehreren Jahren mit dem Klimawandel befasst und Kolumnist der britischen Zeitung THE GUARDIAN ist, sind aufzurufen unter http://www.monbiot.com/archives/2000/06/09/about-george-monbiot/ .)
Quelle und Übersetzung: Wolfgang Jung, luftpost-kl.de
In Kopenhagen wird nicht nur über den Klimawandel verhandelt.
Dort wird eine Schlacht um die Neudefinition der Menschheit geschlagen.
Von George Montbiot
Veröffentlicht in THE GUARDIAN am 15.12.09
"Das ist der Moment, in dem wir innehalten und auf uns selbst schauen sollten. Hier in den plastikverkleideten Gängen zwischen den umlagerten Infoständen, in schwer verständlichen Texten und in ermüdenden Verfahren, befindet die Menschheit darüber, was heute ist und was werden wird. Sie hat die Wahl, so weiterzuleben wie bisher und ihre Erde zu einer Wüste zu machen, oder innezuhalten und sich neu zu definieren. Es geht um viel mehr als um den Klimawandel. Es geht um die Menschheit.
Das Treffen in Kopenhagen konfrontiert uns mit unserer Urtragödie. Wir sind die am weitesten entwickelten Affen und verfügen über den Einfallsreichtum und die Aggressivität, die es uns ermöglichten, Beutetiere zu erlegen, die viel größer als wir selbst waren, neue Landstriche zu erobern und mit unserem Gebrüll unsere natürlichen Beschränkungen zu überwinden. Jetzt sind wir durch die Konsequenzen unseres Verhaltens neuen Beschränkungen unterworfen und leben ziemlich kleinlaut auf diesem überfüllten Planeten, aus Angst, wir könnten andere provozieren oder ihnen in die Quere kommen. Mit unseren Löwenherzen müssen wir das Leben von Büroangestellten führen.
Die Prämisse des Klimagipfels muss die Erkenntnis sein, dass die Ära der Heldentaten vorbei ist. Die Zeit der Bescheidenheit ist gekommen. Wir können nicht länger ohne Einschränkungen leben. Wir können nicht mehr länger einfach unsere Fäuste schwingen, ohne an die Nase zu denken, die uns im Weg sein könnte. Bei allem, was wir tun, müssen wir Rücksicht auf das Leben anderer nehmen und vorsichtig, behutsam und sorgfältig vorgehen. Wir können nicht mehr nur im Heute leben und uns so verhalten, als ob es kein Morgen gäbe.
Das ist eine Konferenz über chemische Vorgänge, über die Treibhausgase, die unsere Atmosphäre zerstören. Es ist aber auch eine Schlacht zwischen zwei Weltsichten. Die zornigen Männer, die jede Vereinbarung zu verhindern versuchen, weil sie ihrer Selbstverwirklichung Grenzen setzen könnte, haben das besser verstanden, als wir anderen. Eine neue Bewegung, die am stärksten in Nordamerika und Australien ausgeprägt ist, jetzt aber überall Fuß zu fassen scheint, will weiter auf den Leben anderer Menschen herumtrampeln, als ob das ihr gutes Recht wäre. Ihre Anhänger wollen sich nicht durch Steuern, Waffengesetze, Regulierungen, Gesundheits-, Sicherheits- oder Umweltvorschriften einengen lassen. Sie betonen, dass fossile Brennstoffe dem am weitesten entwickelten Menschenaffen viel mehr als nur die Verwirklichung seiner steinzeitlichen Träume ermöglicht haben. Für einen (am Alter der Erde gemessen) wunderbaren kurzen Moment haben sie uns ein Leben in glücklicher Unbekümmertheit erlaubt.
Die zornigen Männer wissen, dass dieses goldene Zeitalter vorbei ist; aber sie finden für die Einschränkungen, die sie hassen, nicht die richtigen Worte. Ihre Exemplare des Buches "Atlas Shrugged" (s.http://de.wikipedia.org/wiki/Atlas_wirft_die_Welt_ab ) umklammernd, schlagen sie wild um sich und beschuldigen diejenigen, die sie einengen wollen, Kommunisten, Faschisten, religiöse Fanatiker oder Menschenhasser zu sein; im Innersten kennen sie jedoch den wahren Grund für die notwendigen Einschränkungen, der hemmungslosen Menschen allerdings noch viel widerwärtiger ist: die Rücksichtnahme, die sie anderen Menschen schulden.
Ich fürchte diesen Chor der Rücksichtslosen, ich kann sie aber verstehen. Ich führe ein größtenteils friedliches Leben, aber in meinen Träumen kämpfe ich immer noch mit riesigen Auerochsen. Alle, die noch Kampfeslust verspüren, müssen sich in Ersatzhandlungen oder Fantasievorstellungen flüchten. In Wachträumen und Videospielen leben wir die Bedürfnisse aus, die wir wegen ökologischer Schutzvorschriften oder aus Rücksicht auf andere Menschen nicht mehr befriedigen können.
Die Menschheit ist nicht mehr in Konservative und Liberale, Reaktionäre und Progressive gespalten, obwohl beide Seiten noch der alten Politik anhängen. Heute verläuft die Kampflinie zwischen Wachstumsbefürwortern und Wachstumsbegrenzern, zwischen den einen, die glauben, dass es keine Einschränkungen geben darf, und den anderen, die fordern, dass wir uns Grenzen setzen müssen. Die heftigen Kämpfe, die bisher zwischen der grünen Bewegung und den Leugnern des Klimawandels, zwischen Verfechtern von Geschwindigkeitsbeschränkungen und Geschwindigkeitsfreaks, zwischen echten Graswurzel-Gruppen und von Konzernen gesponserten Teppichrasen-Liebhabern stattfinden, sind erst der Anfang. Dieser Krieg wird noch viel erbitterter geführt werden, wenn die Menschen an die Grenzen stoßen, die aus Rücksicht auf andere Menschen eingehalten werden müssen.
Im Land der Heldentaten Beowulfs (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Beowulf ) haben wir uns in einem Nebel aus Abkürzungen und Umschreibungen, Einschüben und Ausnahmen verirrt und verfolgen eine tödliche Politik, die versucht, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Heroismus ist hier fehl am Platz, Leidenschaften und Machtansprüche werden durch die Bedürfnisse anderer Menschen begrenzt. So sollte es auch sein, auch wenn jede unserer Nervenzellen dagegen revoltiert.
Obwohl sich die Delegierten (der Klimakonferenz) ihrer Verantwortung bewusst sind, befürchte ich, dass sie uns im Stich lassen werden. Jeder will sein letztes Abenteuer erleben. Kaum eine der offiziellen Delegationen wird die Implikationen akzeptieren, die ein Leben mit Einschränkungen, ein Leben, das auch das Morgen bedenkt, mit sich bringt. Sie werden sich einreden, dass immer noch Grenzen zu überwinden sind, dass sich immer noch neue Ressourcen erschließen lassen, dass man sich selbst keine Beschränkungen auferlegen muss, weil man die Probleme anderen Weltgegenden und anderen Völkern aufbürden kann. Über allem hier Angesprochenen schwebt eine Erwartung, die nie ausgesprochen wird, aber immer präsent ist. Das (angeblich unbegrenzte) Wirtschaftswachstum ist die magische Formel, die eine Lösung der aufgezeigten Konflikte verhindert.
Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, muss man nichts für die soziale Gerechtigkeit tun, weil sich das Leben (der Armen) auch ohne Neuverteilung (des Reichtums) verbessern lässt. Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, brauchen sich Völker nicht gegen ihre Eliten aufzulehnen. Wenn die Wirtschaft immer weiter wächst, können wir uns auch weiterhin den Weg aus unseren Schwierigkeiten freikaufen. Aber wie bei den Bankern werden die heute angeblich bewältigten Schwierigkeiten morgen vervielfacht wiederkehren. Mit dem Wirtschaftswachstum leihen wir uns nur Zeit, für die wir später hohe Strafzinsen bezahlen müssen. Alle in Kopenhagen vereinbarten kleinen Einschränkungen werden sich schon bald als unzureichend herausstellen. Selbst wenn es gelänge, die Klimakatastrophe zunächst abzuwenden, bedeutet (weiteres) Wachstum, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir an neue Grenzen stoßen, die wieder eine globale Antwort erfordern: die Öl- und Wasser-Knappheit oder die Überdüngung des Bodens. Wir werden von einer existenziellen Krise in die andere taumeln, wenn wir uns nicht um die eigentliche Ursache kümmern: Auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben.
Auch in den Verhandlungen über den Klimawandel in der Plastikumgebung (in Kopenhagen) geht es nicht wirklich um ernstgemeinte Selbstbeschränkungen. Ein großes Problem bleibt unerwähnt: die Bevorratung. Die meisten Staaten, die sich in Kopenhagen streiten, verfolgen bei den fossilen Brennstoffen eine doppelbödige Politik. Einerseits soll die Nachfrage gedrosselt werden, indem man uns dazu ermuntert, unseren Verbrauch zu reduzieren. Andererseits sollen die Fördergesellschaften das Angebot durch möglichst große Fördermengen erhöhen.
Aus Artikeln, die im April dieses Jahres in der Zeitschrift NATURE veröffentlicht wurden (s. http://www.nature.com/nature/journal/v458/n7242/full/nature08017.html und http://www.nature.com/nature/journal/v458/n7242/full/nature08019.html ), wissen wir, dass wir nur 60 Prozent der gegenwärtigen Reserven an Kohle, Öl und Gas verbrennen dürfen, wenn die durchschnittliche globale Temperatur um nicht mehr als zwei Grad ansteigen soll. Wir könnten noch viel weniger verbrennen, wenn sich die Temperatur nur um 1,5 °C erhöhen soll, was viele der ärmeren Länder fordern. Wir wissen, dass nach der Förderung und Lagerung dieser Brennstoffe nur ein kleiner Bruchteil des darin enthaltenen Kohlenstoffs unschädlich gemacht werden kann. Deshalb müssen die Regierungen zwei unverzichtbare Entscheidungen treffen: Sie müssen festlegen, welche Menge der noch vorhandenen fossilen Brennstoffe im Boden bleiben muss, und es muss eine Vereinbarung geben, dass nicht nach neuen Vorkommen fossiler Brennstoffe gesucht wird. Keiner dieser Vorschläge wurde in Kopenhagen diskutiert.
Trotzdem müsste diese erste große globale Schlacht zwischen Wachstumsbefürwortern und Wachstumsbegrenzern (in Kopenhagen) gewonnen werden, bevor die nachfolgenden Kämpfe um die Begrenzung des Konsums, der Macht der Konzerne und des Wirtschaftswachstums beginnen können. Wenn es den Regierungen nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen, werden die Wachstumsbefürworter von der Schwäche der Wachstumsbegrenzer profitieren. Sie werden mit der gleichen Taktik des Leugnens, der Vernebelung und des Appellierens an den Eigennutz versuchen, auch andere Maßnahmen zu verhindern, die Menschen voreinander schützen oder die Zerstörung der Ökosysteme der Welt verhindern sollen. Der Kampf wird nie enden, und es gibt keine Linie, die diese Leute nicht überschreiten werden. Auch sie wissen, dass dies ein Kampf um die Neudefinition der Menschheit ist, und sie wollen den Menschen zu einer Spezies machen, die noch raubgieriger als die heutige ist.
(Wir haben den Artikel komplett übersetzt und mit Anmerkungen in Klammern und einer Hervorhebung versehen. Das mehr als dürftige "Ergebnis" von Kopenhagen – eine unverbindliche Erklärung ohne konkrete Festlegungen zur Verringerung des CO²-Ausstoßes – bestätigt die schlimmsten Befürchtungen des Autors. Informationen über George Montbiot, der sich seit mehreren Jahren mit dem Klimawandel befasst und Kolumnist der britischen Zeitung THE GUARDIAN ist, sind aufzurufen unter http://www.monbiot.com/archives/2000/06/09/about-george-monbiot/ .)
Quelle und Übersetzung: Wolfgang Jung, luftpost-kl.de
Freitag, 18. Dezember 2009
Mittwoch, 16. Dezember 2009
Arschkalt
Arschkalt war das heute morgen auf dem Fahrrad. Erst war das Schloss eingefroren, dann die Gänge und anschliessend mein 3. Als dann noch die Blase sauer wurde, hab ich mich mal nach einer Sattelheizung umgesehen:
Kings of Convenience – “Mrs. Cold”
Hurricane Bells – The Cold Has Killed Us
Johnny Mercer and Margaret Whiting - Baby It's Cold Outside
Sting - Cold Song
Joni Mitchell - Cold Blue Steel and Sweet Fire
Kings of Convenience – “Mrs. Cold”
Hurricane Bells – The Cold Has Killed Us
Johnny Mercer and Margaret Whiting - Baby It's Cold Outside
Sting - Cold Song
Joni Mitchell - Cold Blue Steel and Sweet Fire
Mittwoch, 9. Dezember 2009
Disko Partizani
Stell dir vor, Du bist in der Sauna, futterst einen Sack voll Peperoni und kippst dazu nen Wodka. Feurige Balkan-Rhythmen gemischt mit deftigen Beats wummern dir erst den Wurm in die Ohren, fahren dann direkt durchs Herz in die Hüfte, um dann in den Beinen jene pulsierende Mischung aus Freude und Anarchie zu erzeugen, die dich bis zur seligen Erschöpfung in Tanzaufruhr versetzt.
Abgekürzt: Monsieur Chili im Popo alias Shantel verwandelte gestern abend das ausverkaufte Schwimmbecken des Kula in einen Hexenkessel und hinterliess selig-verschwitzte Menschen mit einem breitem Grinsen auf dem Gesicht.
Stefan Hantel alias Shantel, der als Livemusiker und Sänger oder als DJ auftritt, hat mit seinem Bucovina Club Orkestar - Musikern aus Serbien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, der Türkei und Frankreich - die Zauberformel für schweißdurchtränkte Happenings gefunden. Der energetische Stilmix, verquirlt aus aus traditionellen Gypsie - Elementen, Polka Brass, orientalischen Sounds und westlichen Dance-Rhythmen plus Exstase erzeugt ein ungewöhnliches, neuartiges Klang-Konglomerat - ich behaupte mal frisch, den grössten Hype seit Punk-Rock.
Ein heisses Partyfeuerwerk der Extraklasse und tanzen, bis der Arzt kommt - was will man mehr in der besinnlichen Jahreszeit?
Klar, Schnee. Aber der kommt nächstes Wochenende.Moment, ich geh mich mal eben abkühlen.
Shantel - Ex Oriente Lux
Abgekürzt: Monsieur Chili im Popo alias Shantel verwandelte gestern abend das ausverkaufte Schwimmbecken des Kula in einen Hexenkessel und hinterliess selig-verschwitzte Menschen mit einem breitem Grinsen auf dem Gesicht.
Stefan Hantel alias Shantel, der als Livemusiker und Sänger oder als DJ auftritt, hat mit seinem Bucovina Club Orkestar - Musikern aus Serbien, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, der Türkei und Frankreich - die Zauberformel für schweißdurchtränkte Happenings gefunden. Der energetische Stilmix, verquirlt aus aus traditionellen Gypsie - Elementen, Polka Brass, orientalischen Sounds und westlichen Dance-Rhythmen plus Exstase erzeugt ein ungewöhnliches, neuartiges Klang-Konglomerat - ich behaupte mal frisch, den grössten Hype seit Punk-Rock.
Ein heisses Partyfeuerwerk der Extraklasse und tanzen, bis der Arzt kommt - was will man mehr in der besinnlichen Jahreszeit?
Klar, Schnee. Aber der kommt nächstes Wochenende.Moment, ich geh mich mal eben abkühlen.
Shantel - Ex Oriente Lux
Sonntag, 6. Dezember 2009
Musikuss: Seasick Steve
Während andere mit Anfang 60 ihren Ruhestand planen, gibt Seasick Steve erst mal richtig Gas.
Das klingt nach Mississippi, nach endlosen Weizenfeldern, Güterzügen und Whisky. Kurz - Steve's großartiger Delta Blues klingt genauso alt wie er ist.
Seasick Steve - Walkin Man
Das klingt nach Mississippi, nach endlosen Weizenfeldern, Güterzügen und Whisky. Kurz - Steve's großartiger Delta Blues klingt genauso alt wie er ist.
Seasick Steve - Walkin Man
Samstag, 5. Dezember 2009
irrsinnig menschlich
[...] Als Wahnsinn oder Verrücktheit wurden in der Geschichte des Abendlandes bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestimmte Verhaltens- oder Denkmuster bezeichnet, die nicht der akzeptierten sozialen Norm entsprachen. Dabei bestimmten stets gesellschaftliche Konventionen, was jeweils genau als „Wahnsinn“ verstanden wurde [...]
Das Theaterstück "Irren ist menschlich", ein Gemeinschaftsprojekt von Mitarbeitern und Besuchern des Bereichs Sozialpsychiatrie der AWO, entsprach nicht unbedingt normierten Denkmustern, liess mir manchmal das Lachen im Halse stecken und machte trotzdem wahnsinnig Spass. Aufgeführt letzten Donnerstag im Festsaal der Psychiatrie Reichenau. Die Hütte war proppenvoll. Hätte es Eintritt gekostet, wär's bestimmt ausverkauft gewesen...< Spass />
Hintersinnig und voller Wortwitz meisterten die Akteure die spielerische Annäherung an ein irres Thema, berichteten von der Kunst, Elefantenherden zu vertreiben, vom Übel des Mundgeruchs in der Therapie und dem ganzen anderen normalen Wahnsinn. Schwester Gaby und die Psychorocker boten die passende Live-Musik-Therapie und begleiteten das muntere Treiben mit irrsinnig rockigen Klängen.
Es war nicht einfach auszumachen, wer denn nun "verrückt" und wer "normal" ist, weder unter den Akteuren noch im Publikum. Es war letztendlich auch herzlich egal. Neben mir sass Hand in Hand ein älteres Paar, manche blickten apathisch, andere redeten dazwischen, aber die meisten hatten offensichtlich viel Freude an den Irrungen und Wirrungen auf der Bühne und forderten am Ende mit begeistertem Applaus eine Zugabe - ganz wie im "normalen" Theater.
Ein mutiges Projekt - da steckte viel Herzblut und auch viel Arbeit drin. Respekt und ein dickes Lob an dieser Stelle an alle Beteiligten!
Dem Wahnsinn dicht auf den Hacken war ich froh, die Anstalt wieder verlassen zu dürfen, im Gegensatz zu manch anderem Zuschauer. Der Schritt zum Ver-rückt werden ist bisweilen kleiner, als uns Normalos lieb ist. Gerade in der jetzigen Jahreszeit.
Oder mit Joachim Ringelnatz' Worten ausgedrückt:
"Die besinnlichen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr haben schon manchen um die Besinnung gebracht."
Also, passt auf euch auf ;-)
Neko Case - Runnin' Out of Fools
Grateful Dead - Ship of Fools
Eagles Of Death Metal - Now I'm A Fool
Foreigner - Fool For You Anyway
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