Samstag, 20. Januar 2007
Mittwoch, 17. Januar 2007
Trauer um Wu Runjin
"Ein großer Meister ist für immer von uns gegangen.
Sein Unterricht war streng und heiter zugleich.
Seine Lebensfreude hat uns immer angesteckt.
Seine Löwentanz-Trommelkunst hat uns begeistert.
Seine Leidenschaft gehörte dem Tee, dem Sport, dem Tanzen, dem Spielen.
Sein Gegner, den er mit Humor bezwang, war die deutsche Sprache."
Das schreibt Martin auf der Homepage der Wushu-Akademie in seinem Nachruf über Wu Runjin.
Mei Ling,
Hilde mit Miri, Christiane,
Runjin und
Kurti Müller
an den Drums.
Das Bild hab ich heut abend rausgekramt, es ist 1993 während eines Löwentanzes aufgenommen.
Als ich heute morgen beim Durchblättern des Südkurier die Todesanzeige von Wu Runjin sah, stockte mir für Sekunden der Atem.
Unfassbar, dass dieser humorvolle, agile und lebenslustige Mensch nicht mehr unter uns ist.
Er starb an den folgen einer unheilbaren Krankheit, viel zu früh, knapp vor seinem 54. Geburtstag.
Vor 18 Jahren begann ich mit dem Kung Fu Training, Runjin und seine Schwester Mei Ling lehrten mich in den darauffolgenden 5 Jahren die Kunst des Faust-, Schwert-, Säbel- und Stockkampfs. Als das Trainingspensum neben Familie und Job zu intensiv wurde, gab ich den schönen Sport auf, den meine Kinder dann an Mutter's statt weiter ausübten. Die Verbindung ist auch nach deren Ausscheiden nie abgebrochen.
In den Anfängen, als Runjin aus der Schweiz nach Konstanz zügelte, transportierten wir mit meinem alten VW-Bus seinen Hausstand über die Grenze und befeierten anschliessend sein neues Domizil im Paradies.
Nicht nur sein Stockkampftraining, auch Runjin's Kampf im Training mit der deutschen Sprache aus dem er oft als humorvoller Sieger hervorging, bleibt unvergesslich; z.B. sein legendäres "Damen oben", was er regelmässig während des Traings der Faustformen befahl und uns zum Lachen brachte. Wir Damen streckten dann diszipliniert trotzdem den Daumen hoch anstatt uns auf die Herren zu werfen.
Runjin und seine Familie haben viele Jahre unseres Lebens bereichert, wertvoll und unvergesslich gemacht.
Wir hatten immer viel Spass, beim chinesisch Kochen, beim Feiern, auf Trainingslagern und bei diversen Aufführungen. Die Menschen, der Sport, die familiäre Atmosphäre - das war einfach eine unglaublich tolle Zeit.
Es ist schon eigenartig, wie das plötzliche körperliche Entschwinden eines Menschen aus dieser Welt schmerzt und bewusst macht, wieviel er einem bedeutete, wieviele Erinnerungen man mit ihm verbindet auch wenn man ihn lange nicht mehr gesehen hat.
Ich bin sehr traurig. Sorrow [mp3]
Wege des Patanjali
1. Nun die Disziplin des Yoga.
2. Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen.
3. Dann ruht der Sehende in seiner Wesensidentität.
4. Alle anderen inneren Zustände sind bestimmt durch die Identifizierung mit den seelisch-geistigen Vorgängen.
5. Es gibt fünferlei seelisch-geistige Vorgänge, und sie sind entweder leidvoll oder leidlos.
6. Und zwar die folgenden: Gültiges Wissen, Irrtum, Vorstellung, Schlafbewußtsein und Erinnerung.
7. Das gültige Wissen besteht aus direkter Wahrnehmung, Schlußfolgerung und Überlieferung.
8. Irrtum ist ein verkehrte Erkenntnis, die sich auf etwas gründet, was dem Wesen der Sache nicht entspricht.
9. Vorstellung (vikalpa) ist eine Erkenntnis, die bloß auf Worten beruht, die bar jeder Wirklichkeit sind.
10. Der Schlaf ist ein Bewußtseinszustand (vritti), in dem der Gegenstand der Wahrnehmung abwesend ist.
Dienstag, 16. Januar 2007
Sonntag, 14. Januar 2007
Electronic City
Bedrückende Stille. Die Bühne, duster, eintönig bestückt mit folienverschweissten Würfeln aus gepressten PET Flaschen. Eine Mülltonne am Rand und ein ein grosser, durchsichtiger Kubus im Hintergrund, in dem ein Bürostuhl und ein Tisch steht, ergänzen das Bühnenbild. Der Boden ist übersät mit leeren, bunten PET Flaschen.
Tom, der Protagonist, unterwgs als erfolgreicher global Manager, betritt das Szenario, irrt orientierungslos durch die Gleichförmigkeit.
-Die Stadt?
-Los Angeles
-New York
-Berlin
-Seattle, Tokio, New Mexico
-er weiss es selbst nicht so genau.
Ein Zahlencode verschafft ihm normalerweise Zugang zu seinem Zimmer, seinen Geschäftsunterlagen, seinem Laptop, seiner Identität. Der Code ist weg. Totalausfall, Sein Gehirn spielt verrückt. Die Erinnerung schrumpft sein bisher gelebtes Leben in eine Anhäufung von immer wiederkehrenden gleichen Szenarien, einer Mischung aus Zeit- und Atemlosigkeit, ausdruckslosen Gesichtern, nichtssagenden Gebäuden und Zahlen.
-Zu oft den Ort gewechselt, in der letzten Zeit, völlig die Orientierung verloren:
-Wo ist Joy, wo ist Joy?
-Wenn ich doch bloss mein Handy mitgenommen hätte
-meinen Palm
-meinen Organizer
-mein Notebook
-oder wenigstens einen Kompass
Verzweifelt versucht er, seine Erinnerung auszutricksen und ihr die Zahlenkombination zu entlocken.
-7-1-7-2-4?? 7-1-7-2-5??
-Manager auf Psychopharmaka irgendwo am anderen Ende der Welt
-in Hochhausbetten Lagerstätten Halbtagsunterkünften
-wo sie sich ablegen kurzzeitig zusammenbrechen Ruhe finden
-um dann nach wenigen Stunden weiterzufliegen
-zu fusionieren zu investieren zu spekulieren
Irgendwo, in irgend einer anderen Metropole, sitzt seine
-Frau?
-Freundin?
-Geliebte?
in der Flughafenlounge an der Kasse, scannt Fitnessriegel, Burger, Sushipäckchen und Powerdrinks. Er erinnert sich, an ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Haut, iheren Namen. Joy! Aber wo ist Joy?
Tom flüchtet sich in den Fitnessraum, der aussieht wie irgendeiner in irgendeinem Hotel in irgendeiner Stadt.
- Tom hetzt über das Laufrad im Fitnessraum,
- neben ihm zwanzig Männer, die genauso aussehen wie er:
- Schlappe Schultern, Hühnerbrust und Bauchansatz
- der typische Banker eben
- aber bemüht
- ja bemüht doch noch das Beste
- aus seinem erschöpften Körper rauszuholen
- verhetzt, verschwitzt, einsam, ungeliebt, ohne Sex.
- Menschen liegen in Hotels
- die auch gleichzeitig Kurzzeitkliniken und Feriendomizile sind
Dieses moderne Märchen hat kein Happy-End. Falk Richter lässt Tom am Ende die Hoffnung auf ein 20minütiges Treffen mit seiner Joy während eines Zwischenaufenthaltes auf dem Amsterdamer Flughafen. Wo sie sich dann für kurze Zeit in die Augen sehen, einige Sätze austauschen, sich umarmen können und dann vielleicht noch kurz auf der Herrentoilette...
JOY Ich liebe dich
TOM Das L-Wort. Du machst mir Angst.
JOY Ich vermisse dich. Wir schaffen das schon.
TOM Ja. Wir schaffen das.
ENDE
Das bunt-gemischte Publikum aller Altersgruppen füllt die Spiegelhalle bis auf den letzten Platz - selbst Nix, der Chef höchstpersönlich ist anwesend - und verfolgt mucksmäuschenstill gespannt das surrealistisch anmutende Treiben auf der Bühne.
Der starke Realitätsbezug lässt mich allerdings temporär vergessen, dass ich im Theater sitze, kenne ich doch zu gut Situationen der Hilflosigkeit angesichts fehlender Kreditkarten, vergessener Passwörter und leerer Akkus, sowie der Orientierungslosigkeit in sich gleichenden Grossstadtzentren mit ihren Shopping Malls, Mc Donalds, Hotelketten und Flughäfen.
Mindestens 50 Passwörter, Geheimcodes und Zahlencombinationen sind in meinem Gehirn permament gespeichert und meistens auf Abruf präsent.
Dann, abends an der Supermarktkasse passierte es neulich. 12 Stunden hat mein Gehirn ordnungsgemäss auf Befehl funktioniert, die Ware war eingescannt, mein Klingelbeutel wie meistens leer, aber die Kreditkarte..."tippen Sie ihre Geheimzahl ein und bestätigen 2 mal"...mein Zeigefinger stochert auf Kommando in den Tasten, nur - mein Gehirn verweigert den Dienst an der Zahl. Keine Befehle mehr von der Zentrale. Ich steh wie hypnotisiert, kann es nicht fassen. Die Leute in der Schlange fangen nach einigen Minuten nervös an zu raunen. Nichts. Es kommt nichts. Plötzlich fühl ich mich, wie eine von sämtlichem Zahlenmüll entleerte Hülle, zweckentfremdet und deplaziert in dieser codierten Welt.
Ein Kind, eingepfercht in einen Einkaufswagen, wirft währenddessen ungeduldig und übermütig Waren vom Band und bringt seine Mutter schier zur Verzweiflung - und mich zum Lachen. Da war sie wieder - die Zahl.
Zurück zum Stück: Spannend war's wie ein Thriller, obwohl die "Action-Szenen" eher Seltenheitswert besassen. Kein Leichtes, kein Seichtes, aber hervorragend und intensiv gespielt von seinen Darstellern, von denen einiges abverlangt wurde.
Die anschliessende, gross-öffentliche Diskussionsrunde reduzierten wir dann allerdings auf einen entspannt privat-kleinen, samstagabendtauglichen Weizen-Plausch.
Freitag, 12. Januar 2007
Weg
The Walkabouts - Devil In the Details [mp3]
"Praktische Menschen tragen Gummistiefel, unpraktische tragen sie auf dem Kopf. Sind deshalb praktische Menschen besser als unpraktische? Oder schlechter?
Ich glaube, der Mensch ist nicht für die perfekte Welt gemacht. Das sieht man schon daran, dass der Planet, auf dem wir leben, perfekt ist - und wir trotzdem nicht glücklich sind. Statt dessen wollen wir immer etwas anderes, das Neue, Einmalige. So schaffen wir Kunst und Kinder, fern der Vernunft, fern jeden guten Grundes. Wir bauen Städte, und unter den Städten liegen andere Städte, so wie ein Maler ohne Leinwand alte Bilder übermalt, so wie in jedem Menschen andere Menschen begraben liegen, ehemalige Selbst, aus denen wir heraus gewachsen sind. Denn auch in uns ist alles in Bewgung.
Und die Wahrheit? Ist der Weg, auf dem wir sind."
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