Sonntag, 25. Juli 2010

Talflucht

Gründe, in die Berge zu fliehen, gibt es immer, auch Dornröschen und seemoz locken derzeit mit virtuellen Ausflügen in die schöne, klare Bergwelt.
Neulich, es ist inzwischen schon eine Woche her, gab es wieder mal 2 gewichtige und 2 einfache Gründe: Frau B. lud zum Gipfeltreffen mit Geburtstagskuchen und Sekt, es war heiss und es war Freitag. Grund 1 ist selbsterklärend und zählte doppelt, dank der Lastenverteilung auf die Schultern unseres sehr geschätzten Trägers und Anführers Herrn S. Da die Temperaturen im Tal auf 34° klettern sollten und man pro 100 Höhenmeter eine ca. 1°ige Entwärmung schätzt, war Grund 2 auch nicht zu verachten und wir konnten uns beim mittäglichem Eintreffen auf dem ersten Gipfel über angenehme 23° freuen. Grund 3 schliesslich ist nicht für alle selbsterklärend, denn entgegen dem Namen ist der Freitag nicht unbedingt für jeden ein freier Tag, diesen Zustand wissen aber Freelancer, Rentner und andere, von ganz regelmässiger Arbeit befreite Menschen durchaus zu schätzen, denn während sich die meisten Vollzeiterwerbstätigen in muffigen Büros durch den hitzigen Tag Richtung Wochenende schwitzen, kann man sich als Teilzeit-Fünferpack auf den Schmalspurserpentinen  richtig austoben. Alles hat seinen Preis.
Die morgendlichen Startbedingungen wichen geringfügig vom Wunsch ab, war doch am Abend zuvor Theater, wieder mal verregnet, diesmal aber von innen, was man bei der Bruthitze durchaus angenehm finden kann.
Je näher man an de kleinen Totentanz kam, desto erfischender wurde das Klima, man wünschte beinahe, sich mit den Schauspielern beregnen zu lassen - freilich ohne dabei im Regen stehend mit dem Tod zu tanzen.
Je mehr ich reflektiere, desto stärker werden die Szenen, die Aufführung brillierte aber vor allen Dingen durch das ausdrucksstarke Spiel von Susi Wirth. Sie spielte die vom Leben geschlagene und vom Unglück verfolgte Elisabeth begnadet und intensiv bis in den erlösenden Tod. Erlösend auch für's Publikum, denn so grossartig das Schauspiel war, jede Qual muss ein Ende finden, günstigenfalls wird sie mit dem angeregten Sprachfluss durch eine geölte Kehle davongeschwemmt. Sprich: es wurde spät, aber nicht zu spät, um rechtzeitig 7 Uhr morgens ein paar Mitwanderer einzusammeln und Richtung Davos zu flüchten. Die Abweichung vom Wunsch fing damit an, dass eine Mitwanderin grundlos nicht auftauchte, aber es war zu früh, um sich darüber folgenreiche Gedanken zu machen. Als wir dann am Wanderstartpunkt - dem mit Google Maps ausgetüftelten Parkplatz am reich von Reichen besiedelten Ufer des Davoser Sees - ankamen, war dort eine Schranke und weit und breit keine Spur von dem aus westlicher Richtung anreisenden zweiten Teil unserer Wandergruppe.
Inzweischen war die Zeit soweit fortgeschritten, um sich folgenreichere Gedanken zu machen, so beschlossen wir, eine halbe Stunde zu warten und im Falle des Nichttreffens zu zweit loszustapfen und Sekt und Kuchen selbst zu tragen. Eine Lagebesprechung über Handy wurde leider durch den Langzeitversuch "es klappt trotzdem" unseres sehr geschätzten Alphamännchens und Handyverweigerers, Herrn S., vereitelt. Als Dauersympathisantin dieser seltenen Spezies sagte ich zu Frau B.: "es hat bisher immer trotzdem geklappt", zog die Bergstiefel an, schaute Richtung Strasse und sah einen dunkelgrünen Audi auf uns zufahren. Endlich komplett, in zufriedener Vorfreude, stürmten wir aufs Hüreli, wo uns zwar ein merkwürdiges Gipfelkreuz erwartete, aber ein wunderbarer Tiefblick auf den Davoser See, köstlicher Nusskuchen und ein Glas (!!!) Sekt für die Mühen des Aufstiegs belohnten.
Weiter gings über die Geisterbahn Pischa, eine verwaiste Bergstation, die in einsamem Sommerschlaf auf ihren winterlichen Einsatz hindämmert, vorbei an schrumpfenden Schneepfützen, in denen ich mich angesichts der bewegungsbedingten Wärmeentwicklung am liebsten gewälzt hätte  Um mich vor etwaigen Peinlichkeiten zu bewahren, warf Herr S. alternativ mit Schneebällen, was einen ähnlichen Effekt hatte. Von nun an gings bergab, aber obwohl schon ziemlich lange unterwegs, waren wir immer noch nicht berggesättigt und nahmen auf dem Rückweg noch schnell den nur 140 m hohen, aber steilen und schweisstreibenden Gifelanstieg zum Davoser Hausberg Seehorn mit.
Zum Abschluss der Tour gab es ein erfrischendes Bad im kalten Davoser See, für die Warmduscher unter uns tat's auch knietiefes Waten um die Kneippanlage und am Ende als Lohn für die Strapazen erwartete uns ein köstliches Hefeweizen im Biergarten am See. Um halbzwölf nachts zog ich dann mit heiterer Müdigkeit die Haustüre hinter mir zu und die Wanderkluft vom Leib - toll wars...
...aber Schnee von gestern - die für dieses Wochenende geplante Tour auf die Tilisuna-Hütte verschieben wir aufs Nächste, erst zwangen mich Schnauzevollunddickerhalserreger ins Bett, dann fing vor lauter Mitleid der Himmel zu weinen an und schliesslich fiel die Planung komplett ins Wasser.

Auf der Suche nach passendem, akkustischen Background für diesen Beitrag wurde ich bei Giant Panther fündig. Giant Panther ist weder verwandt mit Zweitkatze, noch verschwägert mit Katzenkönigin, aber trotzdem sehenswert.

The Young Rascals – People Got To Be Free.mp3
The Who – I’m Free.mp3 
Tracy Chapman – Freedom Now.mp3 
Crosby, Stills, Nash & Young – Find The Cost of Freedom.mp3

Montag, 12. Juli 2010

Life is a beach

Na also, geht doch! Ich mag die Spanier und gönn es ihnen. Eigentlich schade, dass die WM schon vorbei ist. Das hätte frühestens zum Sommerende stattfinden dürfen, denn die stillen, autofreien Abende jenseits der Public Viewer waren unbezahlbar und hatten durchaus Charme, wie auch die Morgen danach:


oder die Tage dazwischen:


oder währenddessen:


Auf keinen Fall lass ich mir diesen Sommer von jemandem Grau einreden!

 Sara Watkins - Long Hot Summer Days
Bonnie Prince Billy - Love In The Hot Afternoon
Jimmi Hendrix - Long Hot Summer Night 

Samstag, 10. Juli 2010

People Have The Power

Irgendwas ist immer. Neulich abend hab ich wieder mal ein paar Euros aus dem Land getragen, zu unseren Nachbarn mit den freundlichen Rachenlauten und verschwiegenen Banken. Die Credit Suisse liess ich in Zürich aber brav links liegen, steuerte direkt auf das Seeufer zu, um dort in der Roten Fabrik meine paar Kröten ins Public Listening zu investieren; um einer gar nicht verschwiegenen Lady zu lauschen, deren markante Stimme mich bisher ein halbes Leben begleitete. Eine gute Sache, denn wir bekamen ordentlich was auf die Ohren. Zugegeben, der Sound warf mich nicht um, und das war gut so. Zu vertraut und zu oft gehört, auch verloren sich die Klänge etwas in der lauen Zürcher Abendbrise, aber gerade deshalb wuchs daraus ein Happening, authentisch wie eine Sommerwiese, eine Ohrenheimat in Moll. Klang, Ambiente und  Stimmung verschmolzen zu einem Gesamtkunstwerk mit dem Potential, Vergangenes mit glückseliger Wehmut nachzuerleben und den Moment in unbeschwertem Glück zu geniessen. // Larmoyanz Ende ()


Die Fabrik ist eine ziemlich coole location für heisse Sommernächte; als ich dort ankam reichte die Warteschlange der Kartenkaufwilligen bis weit in die Seestrasse hinein. Das Konzert, eigentlich ausverkauft, sollte aber bei gutem Wetter statt in der Aktionshalle im geräumigeren Draussen stattfinden. Das Wetter war bombig, so rentierte sich ein Einreihen und man hatte genügend Zeit für Überlegungen wie: "hab ich die Autoscheinwerfer ausgemacht?" Wenn man im Land der Tunnel sein betagtes Fahrzeug ohne akustische Memofunktion im Parkverbot abstellt, sollte man sich wenigstens DArüber Gedanken machen. Wie gut, wenn das Auto aktionsnah abgestellt ist. Andere, ähnlich naheliegende Überlegungen wie: "stehe ich überhaupt in der richtigen Schlange?" folgten. Patti Smith, inzwischen 63 Jahre alt, zog nicht überwiegend die alten Recken der Generation X an, im Gegenteil. Der Altersdurchschnitt lag schätzungsweise um die 31, möglicherweise 30. Die Godmother of Punk und deren Musik scheinen zeitlos zu sein.

Patties Auftritt wirkte wie eine kleine Zeitreise, wie die Begegnung mit einer verflossenen, grossen Liebe. Die Funken entzünden kein Feuerwerk mehr, bringen aber eine stille Freude zum Glühen und die fühlte sich unendlich gut an. Es mag ja sein, dass der pastorale Sprechgesang und die  Aufforderung, die Stimmen zu erheben, für oder gegen was auch immer, eine anachronistische Geste darstellt in einer Welt, die auf immer mehr Fragen immer weniger Antworten weiß, in der es einem vor lauter Wissen immer öfter die Sprache verschlägt. Und trotzdem, so schlimm wie es die Zeit darstellt, war es nicht. Es war sogar richtig weit entfernt davon, schlimm zu sein, so weit entfernt, wie Zürich von Berlin.
Während die betörend düstere Reibeisenstimme der charismatische Punk-Poetin Gänsehaut in die Ohren schmirgelte, begleitete ihre Band um den treuen Gitarristen Lenny Kaye sie unaufdringlich und beglückte die Fans vor allem mit den Klassikern Gloria, Because The Night oder Pissin In A River. People Have The Power und Play With Fire folgten in der Zugabe und mit einem fulminanten Rock n Roll Nigger ging dieser wunderbare Konzertabend zu Ende.


Kaum war der Schlussapplaus verhallt, ertönte Jubel von der andern Seite. Ich hatte ja zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen, denn der Ausflug nach Zürich verschonte mich auch gleichzeitig von den Jubel-Schlöchern aus Schland. Richtig. Es gab zeitgleich das unrühmliche Halbfinalspiel. Nun, als ich den Jubel hörte, war ich mir ziemlich sicher, dass der nicht Deutschland galt. Als ich dann aber hörte, wie Scharen von jungen Schweizern (nicht Spanier!) ganz aufgeregt Dinge wie "wie geil wie geil die Dütsche san dussä" ihrem Natel anvertrauten und sich jubelnd um den Hals fielen, fand ich das nicht mehr nett. Die Freude war nicht in erster Linie eine über Spaniens Sieg, es klang eine gehörige Portion Schadenfreude mit.
Obwohl ich mich gewöhnlich mit dem Fussballfieber schwer tue, hätte ich  unserer Mannschaft schon gegönnt, sich ins Finale zu kicken. Dass es nicht so kam, tat dem Abend keinen Abbruch.
Wie sich dann aber ganz unverhohlen eine tiefe Abneigung für Dütschland lautstark breitmachte, kippte meine Stimmung etwas, so hatte ich das noch nie erlebt. Ich fühlte mich schlagartig solidarisch als Verlierer und es blieb ein Versuch, mit Hopfentropfen den Herzschmerz zu lindern.
Irgendwie nervten die Autokorsos in Zürich. Wenigstens hatte ich keinen Strafzettel und bei der Ankunft in Konstanz war es stockdunkel und leise.

Patti Smith - Helpless
Patti Smith - Redondo Beach 

Dienstag, 6. Juli 2010

Tamikrest::die Wüste lebt


Weiter gehts.
Ich kann einfach nicht genug kriegen, von diesem Sommer und diesem Sound :)

Tinariwen :: die Wüste bebt



Die Idee der rebellischen Jungs aus der Wüste, Kalaschnikows gegen Gitarren einzutauschen, erwies sich als Segen, denn ohne diesen Wüstenblues kommt man nicht über die Hundstage.
Als ob es nicht schon heiss genug wäre...