Dienstag, 29. September 2009

Lost Angeles

Eigentlich wollte ich hier einen netten Reisebericht schreiben. Was wir jedoch bei unserem kurzen Aufenthalt in dieser Stadt sahen und erlebten, sprengte die Dimensionen unserer Vorstellungskraft. Wer über L.A. nett schreiben kann, ist entweder blind, ignorant oder gut bezahlt.
Eins mal vorneweg: L.A. ist vor allen Dingen gross, gross, gross. Wer schon mal dort war, wird es wissen. Hier ein paar Fakten.
Die Ausdehnung von Los Angeles beträgt von Nord nach Süd ca 100 km und von West nach Ost ca. 200 km (im Vergleich Konstanz - Luzern und Konstanz - Ludwigsburg). Das Siedlungsmuster von L.A. ist hochkomplex. Die Kernstadt mit ca. 4 Mio. Einwohnern bildet die grösste Einheit, daneben gibt es 11 weitere Städte mit mehr als 150.000 Einwohnern und über 150 "Incorporated Cities", selbständige politische Gemeinden, die alle nahtlos ineinander übergehen. Alle Einheiten zusammen bilden eine Megalopolis, die mit knapp 18 Mio. Einwohnern (ca 20% der gesamtdeutschen Bevölkerung) zu den grössten Ballungsräumen der Welt gehört.
Bis zu 14 Spuren breite Autobahnen mit einer Gesamtlänge von 2.000 km sind über die Stadt gelegt und können den Verkehrsinfarkt dennoch nicht verhindern. Um Abhilfe zu schaffen wurden "Carpool Lanes" eingerichtet, auf denen nur Fahrzeuge mit einer bestimmten Anzahl von Passagieren fahren dürfen. Wenn die nötige Passagierzahl missachachtet wird, hagelt es saftige Strafen.
Die Stadt hat wegen der größten Kraftfahrzeugdichte der Welt, wegen des unterentwickelten öffentlichen Nahverkehrssystems und aufgrund der Industrieabgase eines der größten Smogprobleme in den USA.

Kurzum, die "Stadt der Engel" ist ein Moloch. Mehr gespenstisch als glamourös, mehr furchteinflössend als faszinierend und mehr Alptraum als Traum.

Compton, im südöstlichen Teil von Los Angeles gelegen, ist bekannt als eine der gefährlichsten Städte in USA. In kaum einer anderen Stadt ist das Risiko grösser, auf offener Strasse erschossen zu werden. Compton, nur 15 Kilometer von den Prunkhäusern der Hollywood-Stars entfernt, zählte in den vergangenen 20 Jahren rund 10.000 Gangmorde - das 8-fache des Landesdurchschnitts.
In manchen Stadtteilen werden Ausgangssperren verhängt und in anderen schottet man sich mit hohen Stacheldrahtäunen oder Mauern ab. Die "Gated Communities" sind privat organisiert und können nur von Bewohnern oder mit Nachweis betreten werden.

Unser netter Ausflug nach Hollywood endete mit einer fast schlaflosen Nacht voller Alpträume und verstörender Bilder. Nie zuvor hatte ich eine so grosse Anzahl verelendeter Menschen im Schatten von 5-Sterne Hotels, Glaspalästen und  unverholen protzig zur Schau gestellten Reichtums gesehen. Auf dem Hollywoodboulevard vergnügen sich auf der einen Seite die Reichen und Schönen mit Sekt und Kaviar, während vor den Türen der Etablissements Heere der "Homeless People" ihre einzige Habe in  Einkaufswagen durch die Strasse schieben. Auf dem Rodeo Drive kosten Handtaschen mehr, als ein durchschnittlicher Arbeiter im Monat verdient.
Südlich von Hollywood wird es fast unerträglich. Immer wieder liegen Menschen auf der Strasse, mehr tot als lebendig. Zwei Männer auf einer Bank, dem einen hing der Kopf hintenüber. Sein Kumpel schlug ihn immer wieder ins Gesicht und schrie verzweifelt "wake up! - wake up! - wake up!". Doch der Kopf baumelte nur hin und her. Zwei Strassen weiter kniete mitten auf dem Bürgersteig ein junges Mädchen und verpasste einem älteren Herrn mit Hut einen Blow-Job...usw... Solche Bilder vergisst man nicht.

Skid Row, die "Strasse der Hölle", ist eine No Go Area mitten in Downtown L.A. 50 Blocks zwischen Broadway und Alameda Street, ein ganzer Stadtteil, ist bevölkert von Obdachlosen, überwiegend Schwarze und Latinos "leben" hier und davon überdurschnittlich viele Kinder. Bis zu 10.000 Menschen vegetieren in "Dannte's Inferno" im Freien, in Zelten und in provisorischen Unterkünften aus Kartons und Plastikplanen, viele sind krank, drogen- oder alkoholsüchtig. Skid Row L.A. ist einer der grössten Drogenumschlagsplätze der USA - die daraus resultierende Gewalt allgegenwärtig. In letzter Zeit häuften sich Vorfälle, dass mittellose Kranke aus umliegenden Kliniken einfach in Skid Row "entsorgt" wurden.

Eine humanitäre Tragödie.

Die Politik reagiert mit Säuberungsaktionen und Verstärkung des Polizeiaufgebots, denn Downtown L.A. soll mit sündhaft teuren Lofts und Appartements wieder attraktiv werden für ein schickes und zahlungskräftiges Klientel.

Los Angeles County ist mit  ca. 73.000 Homeless die Hauptstadt der Armen und Obdachlosen - in der derzeitigen Wirtschaftskrise hat sich die Situation durch die stetig wachsenden "Tent Cities" noch dramatisch verstchärft. Hunderte von Menschen, die ihren Job oder ihr Haus in der Subprime Crisis verloren, hausen in den Zeltstädten am Rande der Stadt.
Diese Menschen werden ihrer Würde beraubt. 
Der Entwicklungsstand einer Gesellschaft bemisst sich u.a. am Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern. Das, was hier geschieht, ist strukturelle Gewalt gegen die Schwächsten.

Skid Row

Montag, 28. September 2009

B.B. Chung & The Buddaheads - All Night Long

Schwester Gaby meets Seekuh


Schwester Gaby spielte gestern abend das erste mal in meiner Lieblingskneipe, der Seekuh - Premiere für eine gelungene Allianz.
Wie von wils versprochen: alle genossen die laue Spätsommernacht, während wir drinnen schwitzten. Kein Problem, denn Norbert und seine Crew sorgten unermüdlich für Ausgleich des Flüssigkeitsdefizits.

Schwester Gaby heizte der altehrwürdigen Stehkuh ordentlich ein und wir transpirierten genüsslich hüpfend vor uns hin. Es gab kein Entrinnen. Zu heiss der Sound - die Saiten glühten und wils spielte wie der Teufel, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Gaby's Bass hörte man sogar draussen und bei Michi's legendärem Solo kochte die Hütte.

Die erweiterte Setlist (u.a. B.B. Chung - stimmt das ???) fand allgemein Anklang, die Akkustik war um Klassen besser als im Turm und überhaupt war das Konzert eines der besten von SRG.
Ob's am Groove, am lauen Spätsommerabend oder an meiner Lieblingskneipe lag - wer weiss das schon so genau? Vermutlich alles zusammen, jedenfalls hat's gepasst und es war eine super Party.

P.S.: sorry, die Bildqualität ist besch..., meiner Kamera war's zu heiss

Sonntag, 27. September 2009

Wahnsinn...


...wie die Zeit vergeht. Das Spinnennetz feierte vorgestern seinen 3.Geburtstag und vor lauter humba humba hupfdada hab ich's verpasst. Nicht weiter schlimm, dafür gibts heute nen Festschmaus für die Spinne. Wohl bekomms!

NOFX - NEW Happy Birthday Song[mp3]
Ween - Birthday Boy [mp3]

Freitag, 25. September 2009


Jetzt muss man wieder die Terassentüre schliessen. Das schlägt mir auf den Magen und aufs Gemüt. Vielleicht ist es auch ein neuer Virus oder Chinesisches Fieber.
Jedenfalls hatte ich Zeit für ein paar Lektionen in Chinesisch und um meine Musik neu zu verpacken.

Joni Mitchell - Chinese Cafe [mp3]
David Bowie - China Girl [mp3]
R.E.M. - 7 Chinese Brothers [mp3]

Spieglein, Spieglein...

...in der Hand, wer ist der beste Lobbyist im Land?  
Kampagnen-Journalismus vom Feinsten gibts im  Spiegel kurz vor der Wahl.



Wieder ein paar € am Montag gespart.

Quelle: Nachdenkseiten von Albrecht Müller

Nichtwählen...

...ist auch keine Lösung.

Haben wir überhaupt eine Wahl?


Ich meine
auch
nachhaltig

Grübel...

Donnerstag, 24. September 2009

Pricol Limited - Arbeiter lynchen nach Kündigung Vize-Chef

"Die Entlassung von Kollegen hat indische Arbeiter dermaßen aufgebracht, dass sie mit Eisenstangen und Stöcken auf den Vize-Präsidenten der Firma losgingen. Manager fürchten nun um den Ruf des Standorts."
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Chinesische Arbeiter retten mit Totschlag ihre Jobs

"Schon in der Antike wurden Überbringer schlechter Nachrichten geköpft. Der Manager einer chinesischen Stahlfirma wurde nicht geköpft, musste aber dennoch mit seinem Leben bezahlen. Ihr Ziel haben die wütenden Arbeiter erreicht."
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Mittwoch, 23. September 2009

Die Baum Partei


„Auf jeden Fall sollten unsere alten Bäume nicht verschwinden. Ihr Holz wird eines Tages für Barrikaden gebraucht werden. Unser marodes System wird Menschen auf dieselben treiben.“

Haug von Kuenheim - "Zeit Magazin"

Estasy - Tree Of Dead [mp3]

Montag, 21. September 2009

Coming into Los Angeles

"I'll give you a bigger car for a special price" sagte der Mann routiniert an der Alamo-Autovermietung des Flughafens von Los Angeles. Den Kleinsten und Billigsten hatte ich gebucht, wohl zu klein, um 2 Rucksäcke, 2 Koffer und 2 Personen durch Kalifornien zu bugsieren. Möglicherweise gibts so was Herziges gar nicht im Land der Superlative.
Müde von 24 Stunden Reise und einer Wartestunde auf das Auto, war mein Widerstand bald gebrochen, ich schaute mir die Upgrade-Wagen durch und als auch meine Kreditkarte einwilligte, führte mich der Mann zu unserem temporären Spielzeug, einem Ford Escape Hybrid 4WD. Rundrum verstellbarer Sitz, Automatik, Übersicht, jede Menge Platz und Aircondition. Es sollte sich noch als gute Entscheidung erweisen.
Inzwischen wars spät, ich todmüde. Der Geschwindigkeitszähler zeigte miles per hour an, draussen hatte es 90° Fahrenheit und auf den 6- bis 8 spurigen Strassen wurde munter rechts überholt - eine wahre Herausforderung, die mich aber vor dem Sekundenschlaf rettete. Lediglich "fünf Minuten entfernt" sollte unser Motel vom Flughafen sein, auf der map waren es wenige mm. Distanz? Ist relativ. Schweissgebadet, einige Meilen und 20 Minuten später, um nach 23 Uhr warfen wir endlich unser Gepäck ins Zimmer und liessen uns von den tieffliegenden Jets und den im Viertelstundentakt vorbeijaulenden Einsatzfahrzeuge in den Schlaf begleiten.

Entgegen aller Prognosen war ich am Morgen danach um 6 Uhr putzmunter. Das Frühstück bestand aus Donuts, Toast mit Butter und Marmelade auf Papptellern und Kaffee aus Styroporbechern. Wenn man fertig war, musste man alles nur wegschmeissen. Etwas gewöhnungsbedürftig, immerhin konnte man aus dem selben Becher gleich mehrere Kaffees trinken.

Da wir nichts anderes vorhatten, wollten wir testen, ob Los Angeles es wert ist, um 6 Uhr a.m. aufzustehen. Also beschlossen wir, erst mal nach Venice Beach und dann nach Hollywood zu fahren.

Arlo Guthrie - Coming Into Los Angeles [mp3]
Spanish Prisoners - Los Angeles Guitar Dream [mp3]

Samstag, 12. September 2009

Gehn wir heut auf Bärenjagd?

Eines der Bilder imponiert mir ganz besonders:

Der stand 2 m hinter mir, als ich am letzten Tag unseres Trails in der Sonne dösend am Flussufer lag. Fast hätte er mich geknutscht, da sagte mein Sohn lapidar "Mum, hinter dir steht ein Bär" und hielt mit der Kamera voll drauf. Der Spassvogel, dachte ich, drehte mich um und glotzte dem Vieh voll in die knuddelige Visage. Des Wahnsinns fette Beute, es blieb uns nichts anderes übrig, als ihn zu schiessen. Da Bären immer Vorfahrt haben, räumten wir anschliessend grosszügig das Feld, anstatt ihm das Fell über die Ohren zu ziehen. Der wollte aber gar nicht, drehte um und kam kopfschüttelnd auf uns zu. Das wollten wir aber nicht.
Mit viel Lärm und Geschrei haben wir ihn dann eingenordet und der Knabe hatte ein paar super Bilder im Kasten...

Hotel California



Es war noch stockfinster, als ich mich in die 8-spurige , lärmende Meute Richtung Flughafen LAX einfädelte. Pünktlich um 6.00 entriss mir bei Alamo Rental Cars ein sehr wacher, ernsthaft wirkender boy den Zündschlüssel zu meinem treuen, blaumetallischen Urlaubsflirt.
Ich mochte ihn, meinen Ford Escape Hybrid. Wirklich. Auch wenn er ein Schluckspecht und das mit den 8 Litern geschmeichelt war. Meistens soff er mehr. Wenn ich ihn nicht trat, war er mit 10 Litern zufrieden, schnurrte und führte mich zuverlässig überland und durch jeden Grossstadtdschungel.

Unser Flieger war leider nicht so pünktlich wie wir und hatte 2 Stunden Verspätung. Flugs wurden wir von Continental in Delta umgebucht, sonst wär uns in NewYork der Anschluss vor der Nase weggeflogen. Und wieder einmal fand ich mich mit dem Phänomen der fliegenden Haare im Bord-Abort und wusste keine Antwort darauf...
Jedenfalls kam ich so mal nach Atlanta und das war voll i.O.

Zürich empfing uns grau und unaufgeregt. Der unendlich blaue, kalifornische Himmel hatte nicht in unsere 2x23 kg gepasst, so versuchten wir uns müde, mit dem heimischen Suppenklima zu arrangieren.
Nach 33 schlaflosen Stunden hatte ich den toten Punkt endgültig aus den Augen verloren und müsste jetzt wahrscheinlich für den Rest meines Lebens wach bleiben, wenn da nicht noch ein paar Biere im Kühlschrank gewartet hätten. Die waren eigentlich für den Blumensitter gedacht, der aber zum Glück nichts davon wusste. Ich hatte es ihm ohne böse Absicht verheimlicht. Bier war das Schlafmittel der Wahl. Ziemlich schnell warf ich mich damit von der Stange und in ein wirres Traumlabyrinth, aus dem ich nach 3 Stunden planlos und schweissgebadet wieder erwachte. Ich träumte vom Hotel California "you can check out any time you like but you can never leave..." Wo bin ich? In welcher Stadt? In welchem Bett?
Einen Druck auf den Lichtschalter weiter kehrte das Erinnern zurück und ich sank erleichtert in mein Kissen zurück.

Unser Trip war voller Kontraste, irgendwie aberwitzig gut, atemberaubend, etwas schräg und manchmal auch strange und beängstigend. Tausende bunter Bilder schwirren noch durch mein Kopfkino und werden mir dabei helfen, die kommende, farblose Jahreszeit zu überstehen.