Dienstag, 29. Dezember 2009

The Point Of No Return

Seit 3 Jahren spinne ich nun schon an den Fäden meines virtuellen Spinnennetzes, mal mehr und mal weniger lustvoll, oft begleitet von den Fragen: wie? wann? warum? Meistens war es die Musik, die mich die Fäden weiter spinnen liess. Damit war wenigstens das "warum" beantwortet. Interessante Stilrichtungen, wunderbare Songs und grosssartige Musiker mit teilweise eindrucksvoller Biografie verfingen sich in meinem Netz, viele engagierte Musikblogs spinnen im Hintergrund unermüdlich und unkommerziell mit. Hörerlebnisse fand ich auf ihern Seiten, die ich auf herkömmliche Weise niemals entdeckt hätte, viel davon bereichert inzwischen meinen Plattenschrank und meine Ohren.
Vor einiger Zeit entdeckte ich so "Sno Cat" von Kristin Hersh. Die US-amerikanische Sängerin, Gitarristin und Songwriterin, die vor allem durch die Indie-Rock-Band Throwing Muses bekannt wurde, sägte mit ihrer rauchigen, leicht brüchigen Stimme und den komplett verrückten Texten sofort an all meinen Tischbeinen.
Ziemlich schräg, aber unbedingt schön.
Lange nichts mehr von ihr gehört, verirrte ich mich heute wieder mal auf Kristin's Homepage.
Ich fand ein Bild von Vic's Gitarre und den Satz "he's gone...so much to go away in a moment.I miss him more than I've missed anybody ever"
Vic Chesnutt, US-Folkmusiker mit eindringlicher Stimme und Kristin's enger Freund hat sich am Heiligabend mit einer Medikamentenüberdosis das wohl unerträglich gewordene Leben genommen. 
Welche Ironie...auch seine Musik hatte ich vor Jahren über Musikblogs kennen- und schätzengelernt, sie schlich sich übernacht mit "Everybody Can Change" übers Ohr direkt ins Herz. Inzwischen besitze ich fast alle seine Alben.
„What a great day to come out of coma“, hat er einmal in einem seiner Songs getextet, und diese Art des schwarzen Humors mochte ich von Anfang an, sie ist charakteristisch für viele seiner Songs.
"Dieser Mann hatte übermenschliche Fähigkeiten. Vic war brillant, wahnsinnig komisch und so wichtig. Er entwickelte einen Gitarrenstil, der es ihm erlaubte, gleichzeitig Bass, Rhythmus und Melodie zu spielen – indem er lediglich zwei Finger bewegte", trauert Kristin Hersh auf einer Spendenseite, die sie zur Unterstützung von Chesnutts Hinterbliebenen eingerichtet hat.

Chesnutt war auf den Rollstuhl angewiesen, seit er im Alter von 19 Jahren im Suff einen Autounfall hatte. In einem Interview der Los Angeles Times klagte er vor kurzem, dass er nicht mehr wisse, wie er seine Arztrechnungen begleichen solle. "Ich habe immer gezahlt, aber jetzt habe ich nichts mehr und weiß einfach nicht, was ich tun soll." Es mache ihn so wütend, dass die in Washington debattierte Gesundheitsreform nicht vorankomme, sagte er der Zeitung im Dezember.
Die überfällige Gesundheits-Reform, die US-Präsident Barack Obama noch an Heiligabend mit breiter Unterstützung des Senats auf den Weg brachte, kommt für Vic Chesnutt zu spät.

Leider durfte ich Vic Chesnutt nie live erleben, obwohl er schon lange auf meiner Liste stand.
Vic kokettierte gerne mit dem Sensenmann, er hatte einige Suizid-Versuche hinter sich und machte dadurch ein mögliches Ende immer greifbar. Dennoch hat mich die Nachricht von Vic's Tod zutiefst berührt.

Rest In Peace, Vic Chesnutt.



Vic Chesnutt - Flirted With You All My Life
Vic Chesnutt - You Are Never Alone
Vic Chesnutt - Chain
Vic Chesnutt - Rustic City Fathers
Vic Chesnutt - Panic Pure Live
Kristin Hersh - Houdini Blues
Kristin Hersh - Sno Cat
Kristin Hersh - Three Nights Drunk
Kristin Hersh - Gin

4 Kommentare:

  1. diese schwarze Büchlein hat es in sich :-)))

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  2. schön, dass du worte gefunden hast. ich nämlich nicht. mit vic ging eine dieser seelen, die immer wieder etwas besonderes gebären konnten. weil sie all die leidenstäler kannten. sie sind uns ein stück voraus. und wenn sie dann kurz zurück kommen und uns einweihen, aufmerksam machen wollen, hören wir dann immer zu? ich fürchte nicht. der schock sitzt deshalb auch so tief, weil man das leiden immer nur als besungenes unglück begriffen hat, aber nicht als reele bedrohung für den künstler selbst. ich schäme mich dafür.

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  3. Es hat eine Weile gedaurt, bis ich die Worte gefunden hatte. Ich war erst mal sehr getroffen, weil ich in meinem vorherigen post noch flapsig aus dem "Kalendarium der toten Musiker" plauderte und dabei feststellte, dass es am Heiligabend bisher nur einen Eintrag gibt.
    In Deinem Kommentar hast Du ergänzt, hast das gesagt, was mir zwar im Kopf rumschwirrte, was ich aber nicht zu formulieren vermochte.
    Danke dafür!

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  4. 2010 .. bin betrffen als ich diese Kommentare las ..

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