Mittwoch, 13. Februar 2008

canto a la vida - Eros der Gottesliebe

Da kam er also herein, Ernesto Cardenal, der grosse, kleine, alte Mann mit schlohweissem, wallenden Haar und Baskenmütze, und er verbreitete vom ersten Moment an eine Aura, in deren Umfeld man wohlig und gerne Platz nahm. Völlig unprätentiös, ein wenig gebeugt nur von den Jahren, nicht gebeugt im Geiste seines Erlebens und seines Werks.
Und der 82-jährige erzählte von der Liebe, der Revolution, der Natur und den Menschen, seine teilweise in Lyrik verpackten Erlebnisse, Träume und Gedanken schäumten vor Lebenslust und Liebe zur Schöpfung, selbst der Widersprüchlichkeit des Lebens und dem Abscheu vor den Diktatoren und destruktiv Herrschenden dieser Welt schien er noch einen Hauch von Vergebung angedeihen zu lassen.
Und immer war da dieser feinsinnige Humor, dieses kleine Augenzwinkern, welches das Zuhören zur Freude werden liess und Hoffnung verbreitete, Hoffnung auf eine bessere Welt, selbst wenn man versichert ist, einer Illusion nachzuhängen. Aber was wäre das Leben ohne die Träume, ohne die Illusionen und die Hoffnung und wenn man beharrlich genug ist, an seinen Träumen festhält und sie nie aus dem Blick verliert, so wie Ernesto das vorgelebt hat, verselbständigen sie sich, gehen ihren eigenen Weg und werden manchmal ein Stück weit zur Realität.
Die Lesung mit vorzüglicher Übersetzung wurde musikalisch begleitet und bereichert von der Grupo Sal und damit zum Ohrenschmaus. Die sechs Musiker, zusammengesetzt aus einem Portugiesen, einem Argentinier, einem Chilenen und drei Deutschen, boten ein Musikprogramm mit poetischen und kraftvollen Liedern aus ihrem reichhaltigen Repertoire traditioneller und politischer Folklore. Voller Virtuosität und Leidenschaft trugen die Musiker ihre teils fröhlichen, teils traurigen Kompositionen vor und flochten nebenbei ihre Entstehung und Hintergründe erzählerisch mit ein.

Seit bald 25 Jahren ist Grupo Sal im deutschsprachigen Europa die "Stimme Lateinamerikas"und unterstützt unterschiedliche Projekte der Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika. An erster Stelle steht die Zusammenarbeit mit dem internationalen Kulturzentrum "Casa de los Tres Mundos" ("Haus der Drei Welten") in Nicaragua, das von Ernesto Cardenal und Dietmar Schönherr gemeinsam gegründet wurde. Auf allen Konzerten von Grupo Sal werden im Publikum Spenden gesammelt, die sie - sofern sie nicht andere Projekte damit fördern - an den Verein „Pan y Arte e.V.“ zur Unterstützung des Kulturzentrums weiterleiten.

Ein sehr schöner und nachdenklicher Abend war das im Bahnhof Fischbach, der mich satt und zufrieden, getragen von einem Gefühl der Hoffnung nach Hause nach Hause gehen liess.

Montag, 21. Januar 2008

Ernesto Cardenal & Grupo Sal

"Wir wenden uns nach außen,
weil uns die Schönheit der Dinge anzieht,
und merken doch nicht,
dass alles nur Widerschein der wirklichen Schönheit ist
in unserem Innern.
So entfernen wir uns paradoxerweise
um so mehr von der Schönheit,
je mehr wir sie suchen,
weil sie genau in der entgegengesetzten Richtung liegt,
in der wir sie zu finden hoffen."
Ernesto Cardenal

Liebe - ob zu den Menschen oder zu Gott - ist für Cardenal nicht zu trennen von Sinnlichkeit, auch darum hat er nie ein jenseitiges Paradies beschworen. Dorothee Sölle schrieb an ihren Freund Ernesto: "Du hast sie beieinander gelassen: Religion, Politik und Liebe, Deine Liebeslieder sind politisch, Deine Psalmen erotisch. Deine Bejahung, Deine Feier des Lebens ist umfassend."

Am 11.2.2008 um 20:00 Uhr kommt Ernesto Cardenal nach Friedrichshafen und liest im Bahnhof Fischbach Gedichte von Liebe, Mystik und Revolution. Dabei wird er musikalisch begleitet von der Grupo Sal, der "Stimme Lateinamerikas".

"In den Augen aller Menschen wohnt eine unstillbare Sehnsucht.
In allen wohnt der gleiche Funke unstillbaren Verlangens, das gleiche heimliche Feuer, der gleiche tiefe Abgrund..."

Mittwoch, 16. Januar 2008

Penguin Cafe Orchestra











"Ich sonnte mich gerade am Strand, als plötzlich ein Gedicht in meinem Kopf auftauchte. Es begann mit "Mir gehört das Penguin Cafe, ich werde Dir willkürlich von Sachen berichten" und fuhr damit fort, welch kostbare Güter Zufälligkeit, Spontanität, Unerwartetheit und Irrationalität im Leben sind. Und wenn man diese unterdrückt, um ein nettes geregeltes Leben zu führen, tötet man damit das was am wichtigsten ist, während im Penguin Cafe unser Unbewußtes einfach es selbst sein kann. Dort ist dieses, so wie jeder, willkommen. Dort herrscht eine Aufnahmebereitschaft, die damit einhergeht, das Jetzt ohne eine innenliegende Furcht leben zu können."

Simon Jeffes Gitarrist, Komponist und Arrangeur

Penguin Cafe Orchestra - Air A Danser [mp3]
Penguin Cafe Orchestra - Lullaby [mp3]

Montag, 14. Januar 2008

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Whitehorse with frozen Yukon

Weiter geht's.
Kaum aus der Wildnis zurück, treibts mich schon wieder um. Wie so allgemein üblich - kaum ist der Januar rum, kommt schon wieder der Sommer und das geht schneller als man gucken kann. Die Yukon-Planung ist dieses mal nicht so aufwändig, weiss ich doch ungefähr, wo's lang geht. Diesmal mit dem Kanu, das ist allerdings ein Novum. Neuer Reisepartner - neues Fortbewegungsmittel - neue Herausforderung :) We'll see...Flug nach Hamburg ist gebucht und dann geht's ans Planen.
Passend zum Thema kommt demnächst der Film "Into The Wild" nach dem Buch Jon Krakauers "In die Wildnis" ins Kino. Der Song zum Film "Guaranteed" hat soeben den Golden Globe erhalten und das zurecht. Die Filmmusik ist einfach klasse, ich konnte mich heute nicht satthören an Eddie Vedder's Stimme - sie geht mitten ins Herz.
Ich mochte Pearl Jam immer, nicht zuletzt wegen Vedders Stimme, seines unverwechselbaren Gesangs.

Guaranteed - Eddie Vedder [mp3]

Hard Sun - Eddie Vedder [mp3]

Mittwoch, 2. Januar 2008

Das Jahr ist ein Jah ist ein Ja ist ein J war ein...

...ja, war ein tolles Jahr. Ein grossartiges Jahr, voller Geschenke, die nicht am Geburtstag oder an Weihnachten kamen, sondern einfach so, zwischendurch, als ich nicht an Geschenke dachte. Ein Jahr voller Liebe, die ich nicht forderte, nicht brauchte und nicht erwartete, die einfach da war. Und das Schöne ist, es geht weiter.
Das wertvollste Geschenk dieses Jahr war das Erleben einer Freiheit, wie ich sie bis dahin nicht kannte. Schwer, in Worte auszudrücken. Wenn ich daran zurückdenke, was ich als Jugendliche unter "Freiheit" verstand, würde ich mich am liebsten in den Arm nehmen und ganz fest drücken und sagen "es ist ein langer, steiniger Weg in die Freiheit und du wirst aus vielen Gefängnissen ausbrechen und es wird weh tun, aber ich bin bei dir".
Freiheit.
Für die einen mehr, die anderen weniger wichtig, für manche gar bedrohlich, für mich existenziell. Dieses Motto begleitete mich von Kindesbeinen an. Die ersten Jahre war es der Wunsch, aus einem Familiensystem ausbrechen zu können, welches ich so, wie es war, nicht ertragen konnte.
Ich las Indianergeschichten und träumte davon, im Lendenschurz am Fluss Fische zu fangen.
Später folgten Träume, endlich eine eigene Bude zu haben, Auto- und Motorradfahren zu dürfen, die grosse, weite Welt zu erkunden und mir von niemandem mehr sagen lassen zu müssen, was ich tun und lassen darf, mich keinen gesellschaftlichen Zwängen unterwerfen zu müssen.
Ich träumte davon, im Lendenschurz Fische zu fangen um danach die Fische auf der Moto Guzzi mit 180 Sachen an den Mann zu bringen.
Irgendwann im letzten Jahr reifte in mir immer mehr eine Erkenntnis, und ich begriff, dass wirkliche Freiheit etwas damit zu tun hat, Dinge wirklich loszulassen, Ballast abzuwerfen, sich von Überflüssigem zu trennen, zu sortieren und einfach sich selbst zu sein, unangreifbar an der Seele zu werden, aber niemals den Lendenschurz zu vergessen.
Viele von meinen Träumen hab ich inzwischen verwirklicht, bin nicht wunschlos glücklich, aber weiss inzwischen, dass die Ewigkeit immer im Augenblick liegt.
Im Sommer war ich in der Wildnis, hab nicht im Lendenschurz sondern in Jeans gefischt, aber es kam meinem Kindheitstraum ziemlich nahe. Ich hab die Stille und Einsamkeit lieben und schätzen gelernt, sie ist meine wirkliche Heimat geworden.
Bisher habe ich diese Wildnisträume mit meinem Sohn verwirklicht, er war der ideale Reisepartner für solche Abenteuer, wir hatten viel Spass und lernten tolle Menschen dabei kennen. Während des Rückflugs vom Yukon sinnierte ich ein wenig über die Zukunft. Mir war klar, dass dies wahrscheinlich unser letzter gemeinsamer Urlaub dieser Art war und dass es nicht zwangsweise einfach sein wird, jemanden zu finden, der die Einsamkeit und die Wildnis ähnlich spannend findet. Wir flogen über Ancorage und hatten dort Zwischenstopp. Im Flughafen fiel mir ein Mann mit einer Blechköfferchen auf, der ziemlich verwegen aussah. Ich fragte ihn, ob er eine Bombe in der Kiste hätte. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr dabei, dass er seit zehn Jahren im Sommer in den Yukon fliegt und dort filmt. Die Filme waren in der Blechkiste. Wir unterhielten uns den restlichen, 9-stündigen Flug über, tauschten Adressen und stellten ziemlich enttäuscht fest, dass unsere Wohnorte maximal weit voneinander entfernt sind - er Hamburg, ich Konstanz. In Hamburg war für Oktober schon lange eine Woche Tagung im Terminkalender, da trafen wir uns dann wieder. Beim gemeinsamen Sichten seiner Filme entstand der Wunsch und Plan, dieses Jahr gemeinsam mit dem Paddelboot den Yukon zu erkunden.
Ich freu mich drauf wie Bolle. Und vielleicht werd ich dann endlich auch mal im Lendenschurz fischen...

Danke an alle Menschen, die mit mir gelacht, geweint, gearbeitet, geflüstert, gestritten und geschwiegen haben, gewandert und geflogen sind, albern und ernsthaft waren.
Ein gutes Neues Jahr und ein schönes Leben wünsch ich einfach allen !

P.S. Auch 2008 fliesst der Fluss, weil er fliessen muss.

Montag, 31. Dezember 2007

Das Doppelschwein



































So kurz vorm Sterben des alten Jahres wirds wieder mal Zeit, ein wenig Bilanz zu ziehen.
Das Schwein des Jahres hatte ich im Jahr des Schweins wohl gestern.
Mich riss es zu fortgeschrittener Stunde noch fort aufs Gnadenseeeis, mit meinen alten Schlittschuhen und meiner Kamera bewaffnet drehte ich ein paar Pirouetten in die Dämmerung - Eis und Wetter waren wunderbar, allerdings zogen im Westen schon die vorhergesagten Regenwolken auf. Von Allensbach wieder Richtung Reichenau schlitternd, etwa in der Mitte des Sees scheiterte ich am übermütigen Versuch eines doppelten Rittbergers kläglich und mir ging der Arsch regelrecht auf Grundeis. Klägliche Figuren sind nicht so mein Ding, also schwang ich mich wieder auf die Kufen und sauste Richtung Ufer. Die Dämmerung war schon ziemlich fortgeschritten als ich dort ankam - schnell noch ein Bild um den letzten Rest Tageslicht und die tolle Stimmung einzufangen. Als ich in meine Jackentasche griff - Leere - keine Kamera - nix!! Da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren...der Sturz! Ich hatte die Kamera ungesichert in die Jackentasche gesteckt und diese nicht zugemacht...es blieb nur der Weg zurück, denn das gute Stück wollte ich auf keinen Fall Neptuns Reich überlassen. Ich hatte die Kamera erst im Sommer für meinen Alaska-Trip erstanden, sie ist klasse, sie ist klein, sie ist toll und ist mir - jetzt werd ich sentimental - ans Herz gewachsen, meine Lumix. Und Umsonst ist sie leider auch nicht zu haben.
Zum Glück gibts auf'm Eis keine Geschwidigkeitskontrolle, der Strafzettel wär mir sicher gewesen und dann noch ohne Licht! Meine Intuition sagte mir, irgendwo in der Mitte muss es passiert sein. Nur, die Mitte zu finden wenn man den Anfang und das Ende nicht mehr sieht, ist eine echte Herausforderung. Es waren noch genau drei Menschen in der Nähe und in meiner Verzweiflung bat ich sie um Hilfe - wenn sie auf ihrem Weg über ein kleines, schwarzes Teil stolpern sollten, das wäre meine Kamera und..."da drüben, schauen sie mal, da liegt doch etwas Schwarzes" sagte der Mann. Sein Kind sauste sofort los und und schwenkte kurz darauf meine Kamera in der Luft "da ist sie und da liegt auch noch ein Lippenstift".
Das war wie ein kleines Wunder, mir fehlten fast die Worte, sah ich das Teil vor meinem geistigen Auge doch schon bei beginnendem Tauwetter in den eisigen Fluten versinken und als Unterwasserkamera ein trübes Dasein zu fristen.
Wieder am Ufer machte ich noch ein paar Nachtaufnahmen - trotz Kälteschock und Absturz war die Kleine noch voll funktionstüchtig.
Das war Doppelschwein, und ich weinte schier vor Glück...wirklich!