Die Fabrik ist eine ziemlich coole location für heisse Sommernächte; als ich dort ankam reichte die Warteschlange der Kartenkaufwilligen bis weit in die Seestrasse hinein. Das Konzert, eigentlich ausverkauft, sollte aber bei gutem Wetter statt in der Aktionshalle im geräumigeren Draussen stattfinden. Das Wetter war bombig, so rentierte sich ein Einreihen und man hatte genügend Zeit für Überlegungen wie: "hab ich die Autoscheinwerfer ausgemacht?" Wenn man im Land der Tunnel sein betagtes Fahrzeug ohne akustische Memofunktion im Parkverbot abstellt, sollte man sich wenigstens DArüber Gedanken machen. Wie gut, wenn das Auto aktionsnah abgestellt ist. Andere, ähnlich naheliegende Überlegungen wie: "stehe ich überhaupt in der richtigen Schlange?" folgten. Patti Smith, inzwischen 63 Jahre alt, zog nicht überwiegend die alten Recken der Generation X an, im Gegenteil. Der Altersdurchschnitt lag schätzungsweise um die 31, möglicherweise 30. Die Godmother of Punk und deren Musik scheinen zeitlos zu sein.
Patties Auftritt wirkte wie eine kleine Zeitreise, wie die Begegnung mit einer verflossenen, grossen Liebe. Die Funken entzünden kein Feuerwerk mehr, bringen aber eine stille Freude zum Glühen und die fühlte sich unendlich gut an. Es mag ja sein, dass der pastorale Sprechgesang und die Aufforderung, die Stimmen zu erheben, für oder gegen was auch immer, eine anachronistische Geste darstellt in einer Welt, die auf immer mehr Fragen immer weniger Antworten weiß, in der es einem vor lauter Wissen immer öfter die Sprache verschlägt. Und trotzdem, so schlimm wie es die Zeit darstellt, war es nicht. Es war sogar richtig weit entfernt davon, schlimm zu sein, so weit entfernt, wie Zürich von Berlin.
Während die betörend düstere Reibeisenstimme der charismatische Punk-Poetin Gänsehaut in die Ohren schmirgelte, begleitete ihre Band um den treuen Gitarristen Lenny Kaye sie unaufdringlich und beglückte die Fans vor allem mit den Klassikern Gloria, Because The Night oder Pissin In A River. People Have The Power und Play With Fire folgten in der Zugabe und mit einem fulminanten Rock n Roll Nigger ging dieser wunderbare Konzertabend zu Ende.
Kaum war der Schlussapplaus verhallt, ertönte Jubel von der andern Seite. Ich hatte ja zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen, denn der Ausflug nach Zürich verschonte mich auch gleichzeitig von den Jubel-Schlöchern aus Schland. Richtig. Es gab zeitgleich das unrühmliche Halbfinalspiel. Nun, als ich den Jubel hörte, war ich mir ziemlich sicher, dass der nicht Deutschland galt. Als ich dann aber hörte, wie Scharen von jungen Schweizern (nicht Spanier!) ganz aufgeregt Dinge wie "wie geil wie geil die Dütsche san dussä" ihrem Natel anvertrauten und sich jubelnd um den Hals fielen, fand ich das nicht mehr nett. Die Freude war nicht in erster Linie eine über Spaniens Sieg, es klang eine gehörige Portion Schadenfreude mit.
Obwohl ich mich gewöhnlich mit dem Fussballfieber schwer tue, hätte ich unserer Mannschaft schon gegönnt, sich ins Finale zu kicken. Dass es nicht so kam, tat dem Abend keinen Abbruch.
Wie sich dann aber ganz unverhohlen eine tiefe Abneigung für Dütschland lautstark breitmachte, kippte meine Stimmung etwas, so hatte ich das noch nie erlebt. Ich fühlte mich schlagartig solidarisch als Verlierer und es blieb ein Versuch, mit Hopfentropfen den Herzschmerz zu lindern.
Irgendwie nervten die Autokorsos in Zürich. Wenigstens hatte ich keinen Strafzettel und bei der Ankunft in Konstanz war es stockdunkel und leise.
Patti Smith - Helpless
Patti Smith - Redondo Beach