Montag, 21. Juni 2010

Carmen auf der schiefen Bahn. Ach du liebe Katastrophe!

Ein Theaterabo hat auch seine gute Seite, 200m weiter befindet sich die Seekuh und dort gibt es lecker-würziges Guinness. Das geht fast immer, sei es, um die Kehle zu ölen und den Sprachfluss nach einem packenden Stück anzuregen, oder um den schalen Geschmack nach einem noch schaleren und langweiligen Schauspiel runterzuspülen.

Obwohl es mich nach einer Überdosis an verwirrender Aktivität - man könnte es auch Arbeit nennen, wenn man nur ansatzweise so etwas wie ein befriedigendes Ergebnis daraus erkennen würde - eher in die Federn zog, trollte ich mich für "Carmen - eine Liebeskatastrophe" bei strömendem Regen aus den schützenden Vierwänden, die Überlegung, ob mit Auto oder Schlauchboot war nicht mal so abwegig. Zum Glück gibts neben dem Theater eine Gasse, da fand mein Auto einen angemessen spielortnahen Platz. Das runde Schild in der Nähe ignorierten wir beide geflissentlich, schliesslich hatte ich nicht vor, die Rolle des begossenen Pudels spielen.

Gleich zu Anfang nervte ein Kopf. Der befand sich direkt  in meinem Blickfeld und war definitiv eine halbe Kopflänge zu hoch. Man sollte die Damen vor dem Theaterbesuch anweisen, ihre Frisur sichtfreundlich zu gestalten und die Haare auf dem Oberhaupt möglichst platt zu halten, eine Türsteherin mit Massband wäre für diesen Zweck denkbar. Im übrigen habe ich es aufgegeben, das Phänomen erklären zu wollen, warum die Hochfrisuren, die besonders Aufrechten und die 2 Meter-Menschen IMMER VOR MIR sitzen, auch wenn links und rechts die ganze Reihe leer ist. Diesen Abend sollte sich das später allerdings als Segen erweisen.

Die Bretter, die die Welt bedeuten - eine Schräge. Nicht zwingend unzweckmässig, und sinnig eingesetzt ein wunderbares Stilmittel, in diesem Stück aber eindeutig fehl am Platz. Die Rolle der Carmen beschränkte sich überwiegend auf die Herausforderung, ihre Absätzchen ungestürzt unter Kontrolle zu bringen, während sie die schiefe Bühne bezwang. Das wirkte weder leichtfüßig, noch begehrenswert und schon gar nicht erotisch anziehend. Wie ein Trampel polterte das Wesen über die schiefe Bahn, es blieb mir verschlossen, was sich die Regie dabei dachte, vielleicht sollte es schräg wirken, wirkte aber bemüht und angestrengt. Überhaupt, die Carmen. Blonde Langmähne kombiniert mit rotem Spitzenkleid - klischeelos und ein Augengraus. Und nicht nur das. Eine Carmen, gespielt ohne Leidenschaft und ohne Alternative dazu, bedient weder das Klischee der feurigen Spanierin, Suffragette oder Hexe, noch das der opernfernen Persiflage.
Carmen und ihr gefallener Don wirkten nicht nur wie zwei, die sehr verschieden sind, sondern wie zwei, die nichts miteinander zu tun haben. Auch die übrigen Rollen des Schauspiels schienen eher beiläufig besetzt und in das Spiel eingeflochten, einzig aus dem Orchestergraben tönte Hörenswertes, zwar zum Stück unpassend, aber dies fügte sich immerhin in den Gesamteindruck.
Im Grunde genommen hätte man das ganze Spektakel auf  einen 10minütigen Spot reduzieren können, die obligatorische aber zusammenhangslose Entkleidungsszene und der rätselhaften Auftritt der Kinderschar im Schlussakt wäre einem dann auch erspart geblieben.

Etwas ratlos verliess ich das Theater, um mich der eindeutig reizvolleren Alternative dieses Abends zu widmen. Der Geschmack war zu schal, um ihn mit nach Hause zu tragen und es drängte, noch ein paar befreiende Worte über die zurückliegenden, quälend langen eineinhalb Stunden zu verlieren, in denen ich mindestens 23 mal zu oft auf die Uhr schaute.
Der Abend hätte ja durchaus auch Alternativen geboten, z.B. den Lenz. Anyway.
Am Ende hatte ich noch Glück, und der Wegezoll blieb mir erspart. Offensichtlich war es den Ordnungshütern auch zu nass.


Cincinnati Pops Orchestra – Bizet: Carmen Suite 1: The Toreadors 
Bridges & Powerlines – Carmen

4 Kommentare:

  1. Prost .. mit Tee .. katzenjammer bestellt

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  2. Heute ist Sommeranfang. Abwarten und Tee trinken. Bei mir gibt es grünen Jasmintee, schmeckt vorzüglich! Guten Morgen Rainer.

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  3. guten morgen hilde,

    ich kenne das phänomen der blickversperrung auch. man sollte die sitzlänge des oberkörpers messen und danach die platzierung vornehmen. vor allem weil sich das auch in den hinteren reihen fortsetzt. man selbst versperrt die nächste sichtlücke, hinter dir muß sich eine/r groß machen usw.

    schade, daß der bretterabend dich nicht vom hocker gerissen hat, aber einen anderen ausklang fand...

    liebe grüße

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  4. Guten Morgen liebe Wortfeile,
    es kam mir eh schon spanisch vor, dass ich meist begeistert von den Stücken schwärmte, auch wenn die Kritiken gar nicht soo gut ausfielen. Insofern ist eine verrissene Darstellung in der Spelzeit keine schlechte Bilanz.

    die Hilde wünscht einen schönen Tag

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