Dienstag, 10. Oktober 2006





















Das Ideal

Ja, das möchste:

Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -,
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
natürlich selber - das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche - erstes Essen -
alte Weine aus schönem Pokal -
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten

Kurt Tucholsky

Montag, 2. Oktober 2006






Thai Panang Curry

Vier Hand voll Putenbrustwürfel wälzen sich in scharfer, roter Paste, hüpfen in den heissen, erdnussbeölten Wok, bräunen sich und knuddeln anschliessend mit zarten, grünen Bohnen in einem Bad von Kokosmilch und Hoisin-Sauce.
Garniert mit einem Zweig Koriander - hier ausnahmsweise mit Rosmarin, zwecks der Optik - sieht's toll aus und der Feinschmecker kann nicht meckern, für Alltag. Auge isst mit. Und speziell in diesem Fall - Katz auch.
Das ohne ausdrückliche Genehmigung der Halterin. Was ihr - lernt eine ausgewachsene Katz aus Erfahrung? - nächtens zu ungewohnter Darmgeräuschentwicklung verhalf.

Donnerstag, 28. September 2006

Kaukasischer Kreidekreis














Der kaukasische Kreidekreis

heut Abend im Theater. Das Stück war ungewöhnlich gut besucht, viele neue Gesichter gabs in den Zuschauerreihen und auch unter den Schauspielern konnte ich nur zwei Bekannte ausmachen. Gratulation, guter Einstand, Herr Nix!
Am Anfang war ich sehr zerissen, es fiel mir nicht leicht, mich auf die unterschiedlichen, teilweise skurrilen Bilder einzulassen. Dann, in der zweiten Hälfte, entwickelte das Spiel eine rasante Dramatik, meine anfängliche Skepsis wich der Neugierde und dem Schmunzeln über makabere Wortspiele... "im Krieg begegnet man vielen offenen Menschen"...wohl wa(h)r - oder - Richter: "Scheidungsgrund?" Paar: "Wir sind uns unsympathisch." Richter: "Wie lange schon?" Paar: "Schon immer!" Richter: "Geschieden!"

Das Bühnenbild ist schlicht und dennoch interessant gestaltet mit mehreren Wandebenen, die Darsteller voller Spielfreuede, wobei das Stück vor allem durch die enorme Präsenz und facettenreiche Darstellung der Grusche getragen wird. Alles in allem ist es eine interessante Inszenierung der Brecht'schen Parabel mit teilweise ungewöhnlichen theatralen Mitteln.

Nix mit Langeweile!

Mittwoch, 27. September 2006




Und die Spinne spinnt und schweigt...
...was soll man auch sonst dazu sagen?
Mädel, nicht schreien, die ist NUR virtuell ;-) Real spinnt sie vor meiner Türe, quasi mein neues Haustier.
Wer spinnt sonst noch vor meiner Tür? Der Opa, der ist jetzt Straftäter. "Fahrlässige Brandstiftung" nennt es das Gesetz.

§ 306d
Fahrlässige Brandstiftung

(1) Wer in den Fällen des § 306 Abs. 1 oder des § 306a Abs. 1 fahrlässig handelt oder in den Fällen des § 306a Abs. 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer in den Fällen des § 306a Abs. 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Nun muss ich morgen mit zum Verhör. Das Verfahren wird eingestellt, wegen Geringfügigkeit, das ist schon klar, aber der Formalismus geht seinen Gang. Es lebe die Bürokratie!
Da wird Mann 88 Jahre alt, vergisst, alt und tattrig, die Platte unterm Topf auszuschalten, und schon steht Justitia im Haus.
Nun wird er mir im hohen Alter fast noch sympathisch!

Montag, 25. September 2006


Nach einer anstrengenden, tollen Seminarwoche, den Kopf noch voller Paragraphen, nachhaltig gesättigt von Claudias wunderbaren Speckknödeln und in freudiger Erwartung auf einen erholsamen Sonntag, sitz ich nichtsahnend mit der Zeitung und nem Kaffee auf meiner Terasse.
Düdeldü, bimmelt das Telefon. Wer wagt es wohl, mein allsonntägliches Ritual zu stören?
Die Stimme meines Vaters, live aus der Klinik. Er stammelt was von "Bude abgefackelt des nächtens und Rauchvergiftung und Polizei und Feuerwehr und überhaupt und sowieso kommt er jetzt zu mir. Morgenstund hat manchmal auch Russ im Mund...
Manche Aufgaben kann man sich nicht aussuchen, die knallen wie Meteoren in den Semmelkorb und hinterlassen einen emotionalen Krater.
Am Ende dieses denkwürdigen Tages festigt sich bei mir die Erkenntnis, dass abgefackelte, verrusste, mit Scherben übersäte Küchen zu entrümpeln nicht unbedingt in die Top-Ten-Liste meiner sonntäglichen Aktivitäten aufgenommen wird.
Da sprach eine Stimme tief aus meinem Inneren: es hätte noch schlimmer kommen können und morgen kommt ERA und - thank God it's Monday!