Dienstag, 19. Januar 2010

Prolapsus nuclei pulposi


Der Deutsche geht durchschnittlich 18mal jährlich zum Arzt, so häufig wie nie zuvor. Das ginge aus dem neuen Arztreport der Barmer GEK hervor, sagte mir heute morgen der freundliche Nachrichtensprecher auf SWR3.
Dabei ist der Krankenstand der Niedrigste seit Einführung der Statistik anno 1970.
Wie passt das zusammen?
Eine andere Statistik sagt, aus Angst vor Arbeitsplatz-Verlust melden sich die Deutschen immer seltener krank.
Wenn ich richtig kombiniere, heisst das aber nicht, dass die Deutschen deswegen weniger krank sind, sondern dass die Krankheiten eben wegen der Angst ins Psychosomatische abdriften und sich so multiple, diffuse Krankheitsbilder entwickeln, die von den Ärzten nicht einfach behandelbar sind.
In den 8 Minuten, die ein Arzt durchschnittlich Zeit hat, einen Patienten zu behandeln, quält der sich dann noch oft durch schlecht funktionierende Computersysteme, da bleibt kaum die Zeit, dem Patienten in die Augen zu schauen. Eine ordentliche Diagnose allein aus Labor- und Gerätewerten ist m.E. in vielen Fällen nicht weiterführend, der fehlende empathischen Blick und diagnostische Mängel auf Grund einer reduktionistischen Denkweise der Schulmedizin offnet dem Drehtüreffekt Tür und Tor und die Katze beisst sich in den Schwanz.
Gut Ding braucht eben Weil. Würden sich Hausärzte statt der 8 Minuten gleich 20 Minuten pro Patienten Zeit nehmen, würde sich die Anzahl der Arztbesuche und Folgetermine drastisch dezimieren, und allen wäre geholfen. Eine nachhaltige Gesundheitssytem-Reform anstatt eines mit heisser Nadel gestrickten Gesundheitsfonds wäre ein Ansatz.

Ähnliche, verhängnisvolle Effekte erlebt man in der restlichen, schönen Arbeitswelt. Ein neues Projekt steht an, wie immer unter enormem Zeit- und Kostendruck. Man findet den kleinsten, gemeinsamen Nenner und beschränkt sich auf ein gerade noch kostenverträgliches Minimum an Ausarbeitung. Unterm Strich dieser Kosten- und Zeitreduktionsmentalität steht dann paradoxerweise immer eine Kostenexplosion, die dann von den hirngewaschenen Verantwortlichen in aberwitzig hochdotiert besetzten Gremien analysiert und schöndiskutiert wird. Und wenns gar nicht schöner werden will, dreht man am Personalkarusell.

Vor Jahren hatte ich mal einen Hausarzt, einer der letzten der alten Garde, der schaute mir erst mal tief in die Augen bevor ich ihm die Zunge rausstrecken durfte. Danach kamen die obligatorischen Fragen: "wo drückt der Schuh, wie gehts denn zuhause und auf Arbeit?" Oder: "lass di mol anschauä Mädle, Du hosch doch än dickä Hals!" Nachdem wir ein wenig geplaudert hatten, war ich kurz darauf wieder einsatzfähig oder mit einer aussagekräftigen Diagnose bei der Folgebehandlung.
Zum Leidwesen seiner Patienten begab sich Dr.Schlömann in den verdienten, vorgezogenen Ruhestand, einen Arzt mit ähnlich menschlichen Qualitäten suche ich seither erfolglos.

Ein verschleppter Prolapsus nuclei pulposi liess mich gestern an einem einzigen Tag 22,22% der durschnittlich jährlichen Arztbesuche verbrauchen. 5 Stunden hab ich damit verbraten, wenn ich die vom letzten Jahr plus Physiotherapie dazuzählte, käme das summa summarum auf locker 3 Wochen Kur. Krankgeschrieben wurde ich deshalb nie. Nachsitzen heisst die Devise, damit der Prolapsus prolapsen kann, denn häufige Fehlzeiten küren einem zur "unbrauchbaren Resource" und somit zu bevorzugten Anwärtern für den Schleudersitz.

Die nächsten Termine stehen schon im Kalender.Vielleicht sollte mir einen längsgestreiften Rolli besorgen. Zwecks dem dicken Hals, zur optischen Verschlankung.

Emily Haines & The Soft Skeleton - Dr. Blind
HEALTH - Die Slow 
Harlem Shakes - Technicolor Health

Dienstag, 12. Januar 2010

Reizvoll

Eine originelle Werbe-Aktion des französischen Dessous-Herstellers Aubade...vive la Frongraisch ;-)

via Zeit-Blog

Sonntag, 10. Januar 2010

Unter der Brücke

Entschleunigung ist zwar der neueste Hype, und ehrlich, ich finde auch immer öfter gefallen daran, aber das war es nicht. Mein Auto macht gerade Winterschlaf und der Drahtesel bockt (zu Recht!) bei der Kälte, so werden zur Zeit meine Beine überdurchschnittlich oft ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt.
Zugegeben, es kostete mich schon eine doppelte Portion Überwindung, aus dem warmen Nest den Gang in die Kälte, durchs nächtliche, trostlose, Industriegebiet anzutreten.  Ein flotter Schritt, vermummt in Zwiebelschalenkleidung und dicke Wanderschlappen an den Füssen machten das ganze erträglich. Mein Erscheinungsbild erinnerte ein wenig an einen Yeti, passte aber hervorragend in die surrealistische Szenerie.Es wunderte mich eigentlich nicht besonders, dass ich keinen Menschen begegnete.


Um so erfreulicher, als mich am Schänzle-Brückenpfeiler etwas Menschliches  aus meinen Gedankenlabyrinth befreite und unvermittelt an mein eigentliches Vorhaben erinnerte. Eine kleine Menschenherde, es mögen an die 100 gewesen sein, standen dicht aneinandergedrängt um Feuertöpfe, der Duft von Glühwein hatte etwas Verlockendes. Ich hätte nicht erwartet, dass Poetry Slam auf einer Europalette bei diesen Temperaturen doch so viele unter die Brücke lockt.

Initiator des „Benefizpoesieprotest“ zugunstan Konstanzer Obdachlosenprojekte war der Konstanzer Autor und Verleger Jürgen Weber. Er lud umsonst und draussen zur zweiten Ausgabe seiner Reihe „Kunst- und Literaturpalette“. Die vier Slam-Poeten Matze Brenner (Konstanz), Mathias Frei (Frauenfeld), Etrit Hasler (St. Gallen) und Christian Erne (Schaffhausen) konnte er für seine Idee begeistern, politische Texte, Texte über Armut und Obdachlosigkeit, auf einer Palette unter der neuen Rheinbrücke zu präsentieren.



Sie kamen, mit Texten scharf wie Rasierklingen unter der Zunge und sie haben damit die Kälte der Nacht durchschnitten, haben Worte ausgespuckt, geflüstert und geschrien, gegen die soziale Kälte, dass es einem warm wurde, auch ums Herz, und manchmal kroch mir die Gänsehaut über den Nacken.

Eineinhalb Stunden dauerte das Wortspektakel, dabei erwies sich der aussergewöhnlicher Ort als ideale Kulisse für diese aussergewöhnliche Veranstaltung. Immer wieder huschten Schatten über die Graffities des Brückenbetons und bizarre Echospiele verstärkten als Nebeneffekt die Wortgewalt der Akteure.



Der Verzicht auf Gage und die Unterstützung zahlreicher ehrenamtlicher Helfer ermöglichten, dass die knapp 700 Euro Spenden vom Publikum zu gleichen Teilen an die Konstanzer Tafel, die Betroffeneninitiative e.V. sowie an die Mobile Ambulanz der AGJ fliessen können.

Diese spektakuläre Aktion schreit förmlich nach Widerholung - ich würde sofort nochmal hingehen, auch wenn die Hölle zugefroren wär!

Samstag, 9. Januar 2010

Eiszeit

Juchu, es gibt Anzeichen für unmittelbare Erfolge des Klimagipfels! Die Erderwärmung ist gestoppt, wir schlittern rasant in eine neue Eiszeit. Wie man auf dem Bild schön erkennen kann, ist die Hälfte der Nordhalbkugel schon unter einer dicken Eisschicht begraben.
Aber freut euch nicht zu früh, denn die nächste Krise wartet schon auf Schlagzeilen: 
Klimaerwärmung in der Krise! Die Bundesregierung plant schon fieberhaft ein Klimaerwärmungsrettungsprogramm und ein Klimaerwärmungsbeschleunigungsgesetz. Demnächst wird es eine Abwrackprämie für Hamster geben  - das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät eindringlich zu Hamsterkäufen.
Gestern hab ich Hamster gekauft, wie blöde, der Gaskocher steht schon in der Küche und die Kerzen sind einsatzbereit. Nur, ich sitz hier auf meiner Couch und warte ungeduldig auf Daisy. Sie kommt einfach nicht. Langsam werd ich sauer und überleg mir, alle Hamster wieder zurückzubringen.

Bild via: Toms Wochenschau

Donnerstag, 7. Januar 2010

Was machte Bush eigentlich früher?


Mit dieser typischen Handbewegung begann er im zarten Kindesalter seine unheilvolle Karierre. Das Bild ist in  Compton entstanden (ich berichtete einige Blogetagen tiefer davon), wo er einen Teil seiner Kindheit verbrachte.
In Compton, einem Vorort von LA, sind Gewaltverbrechen an der Tagesordnung. Ob es da Zusammenhänge gibt?
Ich weiss, das ist eine gewagte Spekulation, jedenfalls wäre der Welt viel erspart geblieben, wenn er als Schauspieler einfach beim Film geblieben wäre und dort mit seinen Spielzeugpistolen rumgefuchtelt hätte.
Mein Tipp: alle machtbesessene Politiker, Banker, Manager etc.beim Film entsorgen, da können sie ihren Wahn voll ausleben ohne grossen Schaden anzurichten. Den Fernseher kann man schliesslich abschalten und ins Kino zwingt einem keiner.

Aber was macht Bush eigentlich heute? Dieser Beitrag gibt Aufschluss.

Dienstag, 29. Dezember 2009

The Point Of No Return

Seit 3 Jahren spinne ich nun schon an den Fäden meines virtuellen Spinnennetzes, mal mehr und mal weniger lustvoll, oft begleitet von den Fragen: wie? wann? warum? Meistens war es die Musik, die mich die Fäden weiter spinnen liess. Damit war wenigstens das "warum" beantwortet. Interessante Stilrichtungen, wunderbare Songs und grosssartige Musiker mit teilweise eindrucksvoller Biografie verfingen sich in meinem Netz, viele engagierte Musikblogs spinnen im Hintergrund unermüdlich und unkommerziell mit. Hörerlebnisse fand ich auf ihern Seiten, die ich auf herkömmliche Weise niemals entdeckt hätte, viel davon bereichert inzwischen meinen Plattenschrank und meine Ohren.
Vor einiger Zeit entdeckte ich so "Sno Cat" von Kristin Hersh. Die US-amerikanische Sängerin, Gitarristin und Songwriterin, die vor allem durch die Indie-Rock-Band Throwing Muses bekannt wurde, sägte mit ihrer rauchigen, leicht brüchigen Stimme und den komplett verrückten Texten sofort an all meinen Tischbeinen.
Ziemlich schräg, aber unbedingt schön.
Lange nichts mehr von ihr gehört, verirrte ich mich heute wieder mal auf Kristin's Homepage.
Ich fand ein Bild von Vic's Gitarre und den Satz "he's gone...so much to go away in a moment.I miss him more than I've missed anybody ever"
Vic Chesnutt, US-Folkmusiker mit eindringlicher Stimme und Kristin's enger Freund hat sich am Heiligabend mit einer Medikamentenüberdosis das wohl unerträglich gewordene Leben genommen. 
Welche Ironie...auch seine Musik hatte ich vor Jahren über Musikblogs kennen- und schätzengelernt, sie schlich sich übernacht mit "Everybody Can Change" übers Ohr direkt ins Herz. Inzwischen besitze ich fast alle seine Alben.
„What a great day to come out of coma“, hat er einmal in einem seiner Songs getextet, und diese Art des schwarzen Humors mochte ich von Anfang an, sie ist charakteristisch für viele seiner Songs.
"Dieser Mann hatte übermenschliche Fähigkeiten. Vic war brillant, wahnsinnig komisch und so wichtig. Er entwickelte einen Gitarrenstil, der es ihm erlaubte, gleichzeitig Bass, Rhythmus und Melodie zu spielen – indem er lediglich zwei Finger bewegte", trauert Kristin Hersh auf einer Spendenseite, die sie zur Unterstützung von Chesnutts Hinterbliebenen eingerichtet hat.

Chesnutt war auf den Rollstuhl angewiesen, seit er im Alter von 19 Jahren im Suff einen Autounfall hatte. In einem Interview der Los Angeles Times klagte er vor kurzem, dass er nicht mehr wisse, wie er seine Arztrechnungen begleichen solle. "Ich habe immer gezahlt, aber jetzt habe ich nichts mehr und weiß einfach nicht, was ich tun soll." Es mache ihn so wütend, dass die in Washington debattierte Gesundheitsreform nicht vorankomme, sagte er der Zeitung im Dezember.
Die überfällige Gesundheits-Reform, die US-Präsident Barack Obama noch an Heiligabend mit breiter Unterstützung des Senats auf den Weg brachte, kommt für Vic Chesnutt zu spät.

Leider durfte ich Vic Chesnutt nie live erleben, obwohl er schon lange auf meiner Liste stand.
Vic kokettierte gerne mit dem Sensenmann, er hatte einige Suizid-Versuche hinter sich und machte dadurch ein mögliches Ende immer greifbar. Dennoch hat mich die Nachricht von Vic's Tod zutiefst berührt.

Rest In Peace, Vic Chesnutt.



Vic Chesnutt - Flirted With You All My Life
Vic Chesnutt - You Are Never Alone
Vic Chesnutt - Chain
Vic Chesnutt - Rustic City Fathers
Vic Chesnutt - Panic Pure Live
Kristin Hersh - Houdini Blues
Kristin Hersh - Sno Cat
Kristin Hersh - Three Nights Drunk
Kristin Hersh - Gin