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Dienstag, 10. März 2009

18. Der Dempster Highway








Es gibt wenige Srassen auf der Welt wie den Dempster.
Früher ein Pfad der Gwitchin-Indianer, später als Hundeschlitten Trail genutzt, auch von William John Duncan Dempster, nach dem diese Strasse benannt wurde. Er fuhr hier in den 30ern des vorigen Jahrhunderts mit seinem Hundeschlittengespann bei -40 Grad Patrouille für die Royal Canadien Mounted Police.
40 km hinter Dawson beginnt der Highway und schlängelt sich 736 km durch die Berge bis weit über den Polarkreis ans Eismeer, nach Inuvik in den Northwest Territories. Wer ihn befahren möchte, sollte dies möglichst mit einem Four Wheeler Truck tun, denn der Highway ist eine staubige Schotterpiste mit einem Dasein voller Schlaglöcher - Massengräber von zerfetzten Autoreifen am Strassenrand zeugen stumm davon.
Seit 1979 gibt es diese "Road to Nowhere", durchgängig befahrbar nur etwa 10 Monate im Jahr.
In der schneefreien Zeit im Juli und August rücken Arbeiterkolonnen der Piste auf den Schotter, um die Schlaglöcher zu stopfen.
Zu dieser Zeit ist der Highway "bevölkert" von Touristen, die einmal mit dem Wohnmobil den Dempster bezwingen wollen, von Dawson City bis ans nördliche Ende des Kontinents.
Bevölkert heisst hier, es taucht ungefähr einmal pro Stunde ein Fahrzeug auf, zwei sind seltener Zufall.

Auch wir wollten uns heute ins staubige Getümmel auf dem Dempster mischen. Aber nicht das Eismeer - die Tobstone Mountains sollten unser Ziel sein, nur ca. 70 km weit mussten wir uns dafür durchschütteln lassen.
Jerry verpassten wir für die drei Tage bis zu unserer Rückkehr ein Zimmer im Bunkhouse in Dawson und los ging's bei strahlend frostigem Sonnenschein.
Durch urzeitlich anmutende Mooslandschaften schlängelte sich die Piste, durch Gebirge mit namenlosen Gipfeln, durch violett und rostrot gefärbte Spätsommer-Tundra, kein Mensch weit und breit, kein Tier, kein anderes Fahrzeug - nur Stille. Es war, als würden wir ans Ende der Welt fahren, oder durch Mittelerde, hinein in Tolkiensche Fantasielandschaften - die Olgivie Mountains scheinen nicht von dieser Welt.
Immer wieder machten wir Halt, um diese Farbenpracht einzuatmen, um das grossartige, stumme Schauspiel der bizarren, surrealistisch anmutenden Natur auf uns wirken zu lassen.
Hin und wieder blähte sich am Horizont eine mächtige Staubwolke auf, die näher kam um kurz vor dem Zusammentreffen ein Fahrzeug auszuspucken.
Bei km 71 erreichten wir den Tombstone Campground, auf dem wir die kommenden Tage unser Zelt aufschlagen wollten. Im vorigen Jahr war der Capground vorrübergehend geschlossen, nachdem ein Grizzly dort ein Wohnmobil ausgeräubert hatte. Wir hatten Glück, er war offen.
Die Indianerfamilie, welche den Platz betreut, informierte uns gründlich über die Beschaffenheit der Trails im umliegenden Gebiet. Mehrere Wege waren gesperrt, damit sich die Grizzlies dort ungestört ihren Winterspeck anfressen konnten.
Wir stellten unser Zelt auf und machten uns dann auf den Weg in die Tundra. Eisiger Wind pfiff uns dabei um die Ohren - Mittelerde präsentierte sich von seiner unwirtlichen Seite. Immer dunklere Wolken brauten sich zusammen, das Zwielicht gepaart mit der grandiosen, urzeitlich anmutenden Landschaft erzeugte eine unwirkliche Stimmung. Schneeflocken, getrieben vom Wind, tanzten wild durch die Luft und plötzlich raubte uns minutenlang ein kleiner Schneesturm die Sicht. Wieder am Campground angekommen, war der Spuk schon vorbei.
Rauch quoll aus dem Schornstein der Schutzhütte, die anderen Camper hatten schon ordentlich eingeheizt und nach dem Eintreten machte sich wohlige Wärme breit. Wir schnackten eine Runde und während wir unser Abendessen zubereiteten, machte sich bleierne Schwere in den Gliedern breit. Die Hitze vom Ofen liess uns schnell auftauen, brachte die Wangen zum Glühen und das abendliche Bier gab uns den Rest - von der Müdigkeit übermannt trollten wir uns in die Nacht hinaus in unser frostiges Lager. Mehrere Lagen Kleidung, die guten Schlafsäcke, in welche wir ein paar mit heissem Wasser Flaschen gefüllte Flaschen stopften, sorgten dann schliesslich für warme Füsse und einen tiefen Schlaf.

Blitzen Trapper - Big Black Bird [mp3]
Blitzen Trapper - Canyon's Edge [mp3]
Blitzen Trapper - Sleepy Time In A Western World [mp3]

Mittwoch, 4. März 2009

17. Midnight Dome





Böses Brummen in meinem Kopf weckte mich am nächsten Morgen - die vergangenen Nacht forderte ihren Tribut. Zahlungswillig am Tresen wartend und schwupps, standen gleich wieder drei Drinks vor mir - drei zuviel. Es war wohl Zahltag in den Goldminen und da schmissen die spendablen Jungs mit ihren Dollars nur so um sich.
Egal, ich bereute nichts.
Die Boote mussten erst mal versorgt werden, denn am nächsten Tag sollte es weitergehen auf dem Dempster Highway in die Olgivie Mountains. Also, eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht und schon war der Blick wieder klar.
Phil ist Frankokanadier, Goldwäscher und ein Freund von Jerry.
Auf den Goldclaims am Klondike River hinter Dawson lebt er im Wohnwagen, sein Husky hat ein eigenes Domizil in einem Autowrack. Auf diesem Gelände wollten wir bis zur Rückkehr aus den Bergen die Kajaks zwischenlagern. Nach einer Irrfahrt duch die Goldfelder fanden wir den Platz mit Hund, von Phil jedoch keine Spur. Eine kurze Nachricht geschrieben, Boote und Kisten abgelegt und zurück - Wasch- und Putztag war angesagt. Wir trollten uns mit dem Bündel Klamotten vom Fluss zu einem RV-Park in Dawson, wo man für ein paar Loonies die Waschräume nutzen konnte. Während die Wäsche in den Riesenmaschinen ihre Runden drehte, hüpften wir unter die Dusche und genossen ausgiebig dieses seltene, erfrischende Ereignis.
Ein paar Einkäufe, dann fuhren Bernd und Jerry nochmals zu Phil, um mit ihm über einen Autokauf zu verhandeln.
Das kam mir gerade Recht, so konnte ich mich mal abseilen und in aller Ruhe den Midnight Dome, einen Aussichtsberg hinter Dawson, erkunden. Ein abenteuerliches Unterfangen, denn was auf den ersten Blick ziemlich nah und leicht erreichbar wirkte, entpuppte sich als Gewaltmarsch. Stundenlang trabte ich durch den Wald, stiess dann auf eine Schotterpiste und wähnte mich dem Ziel nahe. Doch eine Serpentine nach der anderen folgte, kein Mensch weit und breit, gerade mal drei Fahrzeuge kamen mir entgegen. Dafür schienen sich hier mehrere Bären herumzutreiben, der Strassenrand war gepflastert mit gewaltigen, mit Beeren durchsetzten braunen Häufen - ein deutliches Zeichen.
Bei diesem Anblick wurde ich etwas hasenherzig und um mich zu beruhigen, suchte ich mir einen kräftigen Prügel und fing an laut zu singen, in der Hoffnung, die Bären damit auf Abstand zu halten. Sehr effektiv, denn offensichtlich vertrieb ich mit meinen schrägen Arien nicht nur die Bären, sondern auch sämtliche anderen Lebewesen, nicht mal die sonst überall präsenten Mücken trauten sich mehr in meine Nähe.
Endlich oben angekommen, genoss ich nur kurz den wunderbaren Ausblick, machte mich aber gleich wieder auf den Rückzug, denn es fing schon an zu dämmern.
Ziemlich erschöpft erreichte ich dann kurz vor Mitternacht die Fähre, welche zum Glück nachts durchgehend bei Bedarf zwischen Dawson und dem am gegenüberliegenden Ufer befindlichen Campground hin und her pendelt.
Bernd und Jerry waren sichtlich erleichtert, als sie das Irrlicht meiner Stirnlampe erspähten!

Blitzen Trapper - Wild Mountain Nation [mp3]
The Strokes - Walk On The Wild Side [mp3]
Beirut - My Wife, Lost In The Wild [mp3]

Dienstag, 3. März 2009

Salz auf meiner Haut



















Am Anfang dachte ich
oft
wenig
an dich
immer dann
wenn ich an dich dachte
sah ich dich im Wind stehen
an einem Strand
an einem Fluss
warum auch immer
manchmal dachte ich
Rucksack packen
hinfahren
mich in den Wind stellen
ich hab es gatan
nicht zu feige
nicht zu weit
nicht zu gefährlich

und dann kam alles ganz anders
und viel besser
und dann doch jede Menge Wind
neben dir, hinter dir, vor dir
mit dir
gegen den Sturm
mit dem Sommerwind
kein Sturm
kann deinen Geruch
von meiner Haut pusten
aber immer
ein Lächeln
in mein Gesicht wehen
und Salz auf meine Haut
wenn ich an Dich denke
und immer öfter
angekommen bin

Antony & The Johnsons - Crazy In Love [mp3]
Bonnie 'Prince Billie' -You Remind Me Of Something [mp3]
Blondie - I'm Gonna Love You Too [mp3]
Ian Dury & The Blockheads - Hit Me With Your Rythm Stick [mp3]

Samstag, 28. Februar 2009

16. Vom Fluss in die Berge

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak































































Das Verladen von Booten und Gepäck auf den Truck am nächsten Morgen nahm einige Zeit in Anspruch. Gegen Mittag waren wir soweit und es konnte losgehen, auf dem Taylor Highway durch den Indian Summer erst mal zur kanadischen Grenze.
Der Grenzposten bei Poker Creek schien schon auf uns zu warten, denn der Highway ist nicht sehr stark frequentiert, während des Winters ist er komplett gesperrt. Vermutlich war ihm langweilig und ein Schwatz mit uns willkommen - etwa alle 2 Stunden ein Auto, da kommt jede Abwechslung recht. Die üblichen Fragen - woher? wohin? Waffen? Lizenz? Ja, zwei. Beim "warum?" sprang Jerry geistesgegenwärtig in die Presche und erklärte dem Grenzer, dass z.B. ein angreifender Grizzly nur mit einem Grosskaliber erlegt werden könne. Um den potentiellen Angreifer erwischen zu können, brauche man Übung. Mit einem Grosskaliber zu trainieren sei aber 1. zu kostspielig und 2. zu laut, für diesen Zweck diente uns das das 22er Kleinkalibergewehr. Uff ! Stempel in die Pässe und weiter ging's.
Im Yukon Territory geht der Taylor Highway in den Top of the World Highway über. Dieser Highway ist zwar nur eine schmale, staubige Schotterpiste, trägt seinen Namen aber zurecht, denn man hat die ganze Fahrt über den Eindruck, die Welt läge einem zu Füssen. Die Strasse windet sich über 105 km durch menschenleere Berge nach Dawson City und bietet dem Reisenden eine fantastische Aussicht.
Von den zahlreichen Schlaglöchern durchgerüttelt erreichten wir am Abend Dawson City. Es war wieder mal eiskalt und nachdem wir unser Zelt auf dem Campground aufgebaut hatten, heizten wir erst den Ofen im Cooking Shelter ordentlich ein, damit uns beim Abendessen die Lippen nicht zwischen den Bissen zusammenfroren. Während der müde Jerry beschloss, sich nach der langen Fahrt auf's Ohr zu legen, machten wir uns auf den Weg zur Fähre, setzten über den Yukon River und feierten im Pit, der urigsten Kneipe von Dawson, mit Goldwäschern, Indianern, Trappern und anderen schrägen Gestalten bis in den frühen Morgen.

Bob Dylan - Highway 61 [mp3]
PJ Harvey - Highway 61 [mp3]
Bachmann-Turner Overdrive - Roll On Down The Highway [mp3]
Tom Cochrane - Life Is A Highway [mp3]

Freitag, 27. Februar 2009

Ten Years After

fourty years later



Auch alte Herren machen gute Musik.
Davon konnte ich mich mal wieder im Salzhaus zu Winterthur überzeugen.
Woodstock, Fillmore East und Ten Years After, unzertrennlich verbundene Begriffe, die zu Legenden wurden und deren Nennung zumindest den Frühgeborenen unter uns Glanz in die Augen treiben dürften.
Glanz in den Augen hatte auch das zahlreiche Publikum, als die Recken von Ten Years After die Bühne stürmten und mit ihren unvergesslichen Songs wie Good Morning Little School Girl, Love Like A Man und I'm Going Home der Legende Leben einhauchte und mit hinreissenden Soli und harttreibendem Groove den Saal zum Kochen brachte.
LEO LYONS am Bass, Drummer RIC LEE und CHICK CHURCHILL am Keyboard gehören noch zum Urgestein der Band, Frontman ALVIN LEE ist inzwischen leider nicht mehr mit dabei. Seinem Nachfolger, dem jungen Sänger und Gitarristen JOE GOOCH, fehlt noch der stimmliche Blues-Rotz und die Ausstrahlung, ist aber spieltechnisch definitiv ein würdiger Ersatz.
Frisch, unverkrampft und eindringlich kam ihr unverwechselbarer Sound rüber, was die Jungs abliefern hat nach wie vor durchweg grosse Klasse - und so richtig alt sind sie auch nicht geworden.

Fazit: das war Bluesrock vom Feinsten und ein tip-top Konzert in feiner Location !

Ten Years After - I'm Goin' Home [mp3]
Ten Years After - Love Like A Man [mp3]
Ten Years After - I Woke Up This Morning [mp3]

Donnerstag, 29. Januar 2009

15. Eagle und die Yukon Queen

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak













































































Der achtzehnte und letzte Tag unseres Flussabenteuers dämmerte und erfreut stellten wir fest, dass der Sturm sich etwas gelegt hatte. Wir brachen zeitig auf, wussten wir doch nicht, welche Überraschungen der Fluss für uns noch bereithielt. Die Schwierigkeiten waren aber zum Glück vergleichsweise gut zu meistern und wir kamen zügig voran.
Nach ein paar Stündchen erreichten wir die Grenze zwischen Kanada und Alaska. Lediglich eine Schneise im Wald, ein Grenzstein und zwei an einem Seil aufgehängte Flaggen weisen darauf hin.
Durch die Waldschneise könnte man theoretisch bis zum Nordpolarmeer schauen, sie verläuft über 2.000 km schnurstracks durch die Wildnis. Wir machten uns auf die Socken und meldeten uns in Ermangelung eines Grenzpostens beim Stein in Alaska an.
Während wir uns ein wenig die Füsse vertraten, vernahmen wir aus der Ferne das Grummeln von Motoren - das konnte nur die "Yukon Queen" sein. Der Katamaran schippert im Sommer einmal täglich morgens Touristen von Dawson City nach Eagle und nachmittags den Yukon aufwärts wieder zurück. Wenn sie uns sah, drosselten sie ihre starken Motoren und wechselte auf die andere Seite, die mächtigen Wellen hätten uns sonst umgeworfen. Da man sie aber meistens hört lange bevor man sie sieht, hatten wir es immer geschafft, rechtzeitig an Land zu gehen. Als das Schiff über die Grenze fuhr, ertönte plötzlich aus dem Lautsprecher eine Stimme: "welcome to the United States of America". Wir erschraken erst mal mächtig, fühlten uns fast ertappt und mussten dann lauthals lachen, als wir begriffen, dass diese Begrüssung uns galt, denn der Kahn fuhr ja gerade aus den USA hinaus.
Nach dieser netten Einlage machten wir uns auf die letzten Kilometer und bald schon sahen wir die ersten Hütten am Ufer, welche dann immer dichter beeinander standen und die Ortschaft Eagle bildeten.
In der Nähe des Hafens legten wir die Kajaks an und gingen erst mal auf die Suche nach unserem Fahrer Jerry, der uns wieder nach Whitehorse zurückbringen sollte.
Nicht lange, und wir fanden ihn im Riverside Cafe, der einzigsten Kneipe in Eagle, wo er sich auch schon ein Zimmer gemietet hatte. Die Freude über das Wiedersehen und die gelungene Tour war gross und bei ein- zwei Kaffee bequasselten wir unsere weiteren Pläne. Als nächstes mussten wir nach einem Grenzposten Ausschau halten um die Einreiseformalitäten zu erledigen. Das Office war aber unbesetzt und abgeschlossen, so fragten wir im Laden nebenan nach, ob uns jemand Auskunft über den Verbleib des Officers geben könnte. Ein kurzer Anruf, und wenig später kam der Ranger auf seinem Quad angesaust und wir folgten ihm in sein Büro, wo er ziemlich unkonventionell unseren Pässen die Stempel verpasste. Bei einem netten Plausch erfuhren wir nebenbei, dass unsere Ankuft gerade seine Fischfangaktivitäten unterbrochen und er uns sowieso schon mit dem Fernglas entdeckt hatte und wo wir unser Zelt aufstellen könnten.
Jerry war wohl müde nach der langen Fahrt und hatte sich zwischenzeitlich in sein Zimmer verdrückt und nach einem kleinen Rundgang durch den Ort fuhren wir zu den Booten, holten das Zelt und die Schlafsäcke und machten uns auf den Weg zu unserem Nachtlager.
Dort entdeckten wir einen Biberbau und hatten das Glück, diese putzigen Gesellen bei ihrer Arbeit beobachten zu können. Eine wunderschöne Abendstimmung rundete dieses Erlebnis ab, mit der Vorfreude auf's nächste Abenteuer - die Tombstone Mountains - liessen wir den Abend am Lagerfeuer ausklingen und krochen mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl in die wärmenden Schlafsäcke.

Iggy Pop - Lust For Life [mp3]
Talking Heads - Once In A Lifetime [mp3]
The Band - Life Is A Carnival [mp3]
The Rolling Stones - 2000 Light Years From Home [mp3]
Sid Vicious - My Way [mp3]

Samstag, 3. Januar 2009

12. Cassiar Creek

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak















































Einer der schönsten Abschnitte des Yukon Rivers erwartete uns, als wir um 15:30 Uhr die bepackten Kajaks bestiegen, um Dawson City den Rücken zu kehren und die restlichen 160 km bis zur Alaskanischen Grenze in Angriff zu nehmen. Da es unweit des Nordpolarkreises Ende August bis ca. 23 Uhr noch hell ist, hatten wir genügend Zeit, unser angepeiltes Ziel - das 60 km entfernte Cassiar Creek - bei Tageslicht zu erreichen. Im Gegensatz zum mäandernden, labyrinthartigen Flussverlauf vor Dawson, wird der Yukon hier immer schmaler und manch hoher Berg und schroffe Fels säumt die Ufer.
Ein immer stärker werdender Sturm, der uns direkt von Norden kalt ins Gesicht blies, machte uns enorm zu schaffen und wir kamen nur sehr langsam voran. An manchen Stellen peitschten Fallwinde das Wasser auf und heftige Böen schüttelten uns und die Boote, so dass wir trotz schneller Strömung seitlich abgetrieben wurden und ein Vorwärtskommen völlig unmöglich wurde. Um das Paddel nicht dem Spiel des Sturms preiszugeben, krallte ich mich wie verrückt daran fest und so kämpften wir uns mit aller Kraft Meter für Meter durch die unzähligen Flusswindungen. Nach 2 Stunden sichteten wir endlich eine Kiesbank und legten dort eine kurze Stärkungspause ein.
Der Sturm legte sich nicht wie erhofft, sorgte aber immerhin für einen wolkenlosen Himmel. Dies hatte jedoch zur Folge, dass durch die Westkehre des Yukons die immer tiefer sinkende Sonne uns direkt in die Augen strahlte. Die Reflektionen auf der Wasseroberfläche taten ihr übriges, wir waren so geblendet, da half nicht mal mehr die Gletscherbrille.
Meine Schultern schmerzten bei jeder Bewegung und fingen an zu brennen wie Feuer; intuitiv ahnte ich, dass unsere bisher relativ leichte Tour eine abenteuerliche Wendung nehmen könnte.
Die Elemente hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes gegen uns gewendet und es gab weit und breit keinen Ausstieg - wir mussten weiter.
Am Ende meiner Kräfte fing ich an, Sonne, Wind und Wellen zu hassen. Die trügerische Schönheit der Natur verwandelte sich immer mehr in eine Hölle und immer öfter stellte ich mir die Frage "warum machst Du das nur?"
Als meine Muskeln zu krampfen begannen und ich das Boot nicht mehr steuern konnte, nahm mich Bernd eine Weile ins Schlepptau.
Wir wussten, es konnte nicht mehr allzu weit sein, 5 oder 10 km noch, dann wären wir am Tagesziel. Wieder losgelöst von Bernd's Leine - auch er war ziemlich entkräftet - suchten wir verzweifelt und fast blind die Anlegestelle von Cassiar Creek.
Die letzten Meter wurden zur Qual, mein ganzer Oberkörper fühlte sich an wie Beton und als wir endlich das befreiende Ziel erreicht hatten, konnte ich mich kaum noch bewegen. Als Bernd mich aus dem Boot gezogen hatte, wurde ich von einem Weinkrampf geschüttelt und brach vor Erschöpfung am Ufer zitternd zusammen.
Bernd schleppte mich in eine der Trapperhütten oberhalb des Steilufers, machte ein Feuer im Ofen und bedeckte mich mit allem, was uns an Wärmendem zur Verfügung stand. Zwei Stunden vergingen, bis das Zittern allmählich aufhörte und währenddessen räumte er die Boote aus, kochte Tee und eine stärkende Suppe.
Immer noch unfähig, mich zu rühren war ich unendlich glücklich, in der heimeligen, warmen Hütte so liebevoll umsorgt zu werden.
Nachdem wir die Blockhütte bärensicher verrammelt hatten, fiel es uns nicht besonders schwer, in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.

Van Morrison - Moondance [mp3]

TV On The Radio - Wolf Like Me [mp3]
The Cure - Boys Don't Cry [mp3]

Dienstag, 30. Dezember 2008

Die drei Weisen

"Ist das euer Tannenbaum?" fragte mich eine Freundin, die ich samt Brut und Gatten zum Adventsbrunch eingeladen hatte, mit einem verächtlichen Blick durchs Fenster auf die Terasse.
In der Tat, unser Tännchen beeindruckte nicht gerade durch seine Grösse - mein Hang zum Minimalismus war wieder mal voll durchgebrochen.
Klein aber fein stand er stabil und tief verwurzelt in grüner Nacktheit in seinem Topf und wartete auf das festliche Kleid. Gerade im Angesicht der drohenden Weltwirtschaftskrise ist er eine zukunftsträchtige Investition, eine ökologisch untadelige Mehrweg-Tanne, die bis zum nächsten Fest 100%ige Wertsteigerung verspricht und ausserdem im Sommer das Loch in der grünen Grenze um unsere Terrasse stopfen wird. Ein weiterer Vorteil des Zwergenbaums ist der begrenzte Stauraum für Zierwerk. Dem Wunsch, den ganzen Flitter, der sich während der letzten zwei Jahrzehnte in 4 Euroboxen ansammelte, in stundenlanger, kreativer Handakrobatik an den Baum zu werfen, sind durch die fehlende Grösse natürliche Grenzen geetzt.
Kurz bevor ich mich also am Nachmittag der stillen Nacht in den Keller wagte, um mich wie eine Maulwürfin durch angehäuften Sperrmüll an die Weihnachtskisten ranzupirschen, ertönte aus der Küche die schnippische Stimme meiner Engeline "könntest Du jetzt vielleicht mal...den Computer ausmachen!" und kurz darauf aus dem Zimmer des Prinzen "Zoff? Wartet, bin gleich wieder da, will auch !!"
Aah, Weihnachten, das Fest der Liebe. Da bekam ich sie serviert, die Früchte jahrelangen Versuchs, die Brut zu sozialverträglichen Wesen zu erziehen.
So musste das wohl geklungen haben, als die Rollen noch vertauscht waren und ich Herrin im Haus...dachte ich mir und biss in den sauren Apfel, der nicht weit vom Stamm gefallen war.
Während Prinz sich weihnachtsmännisch um seine Liebste kümmerte und Engeline sich um die geschmackliche Verfeinerung der gewürfelten Kuh bemühte, kämpfte ich mich durch Skier, Kisten, Werkzeuge und Koffer, die sich während des letzten Jahres vor den Weihnachtskisten aufgetürmt hatten...und ein weiterer Vorteil des kleinwüchsigen Bäumchens offenbarte sich mir. Die erste Kiste reichte aus, um ihm den Putz zu verleihen.
Fast andächtige Stimmung kehrte ein, als der letzte Ast geschmückt, der letzte Dip im Kühlschrank und das letzte Geschenk verpackt war.
Ein letztes Luftschnappen beim Gang auf den Friedhof rundete das Zeremoniell des Heiligen Nachmittages ab und endete mit heftigem Magenknurren beim Betreten der gewürzig duftenden Küche.
Jetzt musste es schnell gehen. In weiser Vorraussicht inszenierte ich den bisher ausgebliebenen Weihnachtszoff - Oma sagte immer, streiten mit vollem Magen ist ungesund - kurzerhand beim Decken des Tisches durch Zerdeppern eines guten Weinglases, worauf mein Prinz vor Schreck ein Schälchen mit Eiweiss ausschüttete und Engeline darauf ausrutschte. Wir keiften kurz, schoben jeweils dem andern die Schuld in die Schuhe und bekundeten uns gegenseitig unsere Blödheit. Dann war das auch erledigt und bald darauf hatten wir uns wieder lieb und sassen in harmonischer Eintracht im sanften Lichterschein der Kerzen bei Tisch und genossen in gefrässiger Stille die Köstlichkeiten - und Antony Hegarty sang mit engelsgleicher Stimme leise dazu "I'll grow back like a Starfish..."
Zu fortgeschrittener Stunde fand sich dann unter den Geschenken auch meine als vermisst gemeldete Kameratasche wieder, die ich wohl beim letzten Konzert im Shamrock verschlampert hatte - Engeline hat sie dort aufgestöbert und mir liebevoll verpackt mit den Worten überreicht "hier noch etwas, was Du dir so sehr gewünscht hast...". Hach. Wie süss. Ist sie nicht süss, meine Engeline?
Aber nicht so süss, wie das Finale der stillen Nacht. Süssholz. Nein, nicht geraspelt, gekaut. Schmeckte wie Räucherstäbchen in Parfüm getunkt und mit Puderzucker und Lakritze paniert. Ekelhaft, einfach ekelhaft. Man kann sich die Welt damit schönkauen, selbst ein Fischauge wird vergleichsweise zur Delikatesse. Zum Glück hatte ich im Geschenkefundus noch ein Fläschchen Ü20 Whisky...

Palms - Der König [mp3]
The Welcome Wagon - Up On A Mountain [mp3]
Susanna - Jailbreak [mp3]
Kreator - Hordes Of Chaos [mp3]

Sonntag, 14. Dezember 2008

11. Auf nach Dawson !

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak






Die letzte Nacht auf Galena Creek brachte besseres Wetter, der Regen hielt endlich inne. Alpträume, in denen ich mit dem Boot auf einen Felsen rauschte und anschliessend in den kalten Fluten versank, quälten mich des nachts und bescherten mir einen unruhigen Schlaf. Beim Frühstück beschäftigten wir uns dann vor allem mit Startstrategien - entweder geradeaus in die Strömung, was mich der bedrohlichen Felsnase vermutlich auf Tuchfühlung nahe bringen würde oder gegen die Strömung aus dem Kehrwasser heraus, was widerum die Gefahr des Kenterns barg. Wir entschieden uns kurzerhand für eine dritte Variante - quer zur Strömung. Der Bug wurde sofort eingenordet, ein bisschen gegengehalten, und schon nahmen wir in ungefährlichem Abstand zum Fels schnell Fahrt auf.
Etwa 1 km vor Dawson wird der Yukon in der Zielgeraden ziemlich schmal und legt noch mal an Tempo zu. Nachdem wir die ersten Häuser passiert hatten, steuerten wir das linke Ufer an, wo wir hinter dem Campground unser Lager aufschlugen. Um ca. 5 Uhr nachmittags krabbelten wir glücklich aus den Kajaks und die Aussicht auf eine heisse Dusche, ein kaltes Bier und warmes Essen liessen uns ruck zuck das Zelt aufbauen. Mit ein paar frischen, extra für den "Stadtgang" reservierten Klamotten und Duschzeug bewaffnet, sassen wir schon bald auf der Fähre, die Tag und Nacht zwischen West- und Ostufer über den Yukon pendelt.
In den Waschräumen eines RV-Parks machten wir uns stadtfein und liessen uns vom leckeren Geruch in die nächste Kneipe locken - Fish and Chips, eine Riesenportion, und ein kühles Bier - das schmeckte wie Weihnachten im Doppelpack. Dawson City mit seinem Wild-West Charme hatte uns wieder, zog uns in seinen Bann und nach dem üppigen Mahl über staubige Holzbürgersteige in einen Musikschuppen.
Männer mit Bärten und Lederhosen standen an der Bar und tranken und erzählten Trappergeschichten, an einigen Tischen sassen langhaarige Indianer, alle schienen sich erst zu verstehen und dann zu besaufen und in der Mitte herrschte reges Stossen am Billardtisch. Die Uhr schien hier rückwärts zu gehen oder zumindest stillzustehen. Jedes weitere Bier liess uns jünger werden und - passend zur Musik - eintauchen in die Hippie-Zeit der frühen Siebziger. Getragen vom Sound der Doors traten wir dann zu fortgeschrittener Stunde den Rückzug an - Riders On The Storm, mit wedelndem Taschenlampenlicht, damit die Fährleute uns sehen und auf uns warten konnten.
Noch zwei ganze weitere Tage verbrachten wir in Dawson City. Nach sternklaren, frostigen Nächten wärmten wir uns beim Frühstück im River West Cafe auf, genossen in der aufgeheizten Nachmittagsluft den Bummel durch die kleinen Läden und klönten uns durch lange Kneipenabende, bis wir am dritten Tag des Rummels überdrüssig wurden und beschlossen, wieder in die Stille der Wildnis zurückzukehren.

Dawson City ist mit heute etwa 1.250 Einwohnern nach Whitehorse die zweitgrößte 'Stadt' im Yukon Territorium. Es liegt am Ostufer des Yukon, an der Mündung des Klondike River, 240 km südlich des nördlichen Polarkreises. Noch heute ist es eine der interessantesten Städte im Yukon Territory. Die Haupteinnahmequellen sind vor allem der Tourismus und immer noch der Goldabbau.

The Dresden Dolls - The Ghost In You [mp3]
Blitzen Trapper - Gold For Bread [mp3]
Firewater - Feels Like The End Of The World [mp3]
Bo Diddley - Gun Slinger [mp3]
Old Crow Medicine Show - Wagon Wheel [mp3]

Sonntag, 30. November 2008

10. Galena Creek

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak





Seit Tagen waren wir keinen Menschen mehr begegnet und die Vorstellung, bald in Dawson City anzukommen, löste Freude und Befremden gleichzeitig aus. Freude über die ersehnte warme Dusche, frische Klamotten und die urigen Kneipen dort. Befremden darüber, wieder von hektischen Menschen und lauten Geräuschen umgeben zu sein.
Die Weite der Wildnis schärft die Sinne dermassen, dass man anfängt, die Stille zu hören, den Wind zu riechen und Unsichtbares zu sehen. Abgeschirmt von überflüssigen Reizen und Informationen entwickeln die Sinnesorgane eine Sensibilität, die man in solcher Intensität sonst nicht erlebt. Man taucht vollständig ein in die Natur, Ängste schwinden, Richtig und Falsch verlieren an Bedeutung - was zählt sind Kraft, Stärke, Intuition und das Wissen um Gleichgewicht.

Mit geschärften Sinnen stachen wir wieder in See, um die vorletzte Etappe vor Dawson in Angriff zu nehmen. Der Himmel empfing uns morgens schon mit Dawson Blau - jenem typischen, leicht ins Türkis driftende Blau, welches sich mir bisher so nur in der Region um Dawson City gezeigt hat. Der Sturm hatte sich gelegt und wir kamen in relativ ruhiges Fahrwasser und zügig voran.
Der Yukon wird in dieser Gegend immer breiter und unübersichtlicher, wie in einem Labyrinth suchten wir den richtigen Lauf zwischen den vielen Inseln und Sandbänken.
Am Nachmittag zogen dunkle Wolken auf und kündeten von baldigem Regen. Bernd erzählte etwas über ein Indianercamp in der Nähe, wo wir in einer Blockhütte lagern könnten. Ich fühlte mich aber noch frisch genug, um einige km weiterzupaddeln, ausserdem schien die Landestelle technisch schwierig zu sein. So verwarfen wir den Plan und als die Wolken platzten, waren wir schon fast an der Schlüsselstelle vorbei. Im letzten Moment entschieden wir uns um - eine exzellente Seilfähre und das Kehrwasser brachten uns schliesslich sicher ans Ufer. Mit dem Nötigsten bewaffnet rannten wir zur nächstgelegenen Hütte und kochten uns unter dem schützenden Vordach erst mal einen Kaffee. Auch hier kein Mensch weit und breit, am Weg hing ein Schild "For Sale".
Als der Regen etwas nachliess, schauten wir uns im Camp nach einer geeigneten Schlafstelle um. Es gab eine Blockhütte, die mit einem roten Band für Besucher ausgewiesen war.
Während Bernd alles Notwendige aus den Booten in die Hütte schleppte, hackte ich Holz, heizte schon mal den Ofen mächtig ein und versuchte draussen, ein Lagerfeuer zu entfachen, was sich aber mit dem feuchten Holz ziemlich schwierig gestaltete.
Irgendwann klappte auch dies und nachdem wir gespeist und uns häuslich eingerichtet hatten, machten wir noch einen Abstecher auf den Hügel hinter den Hütten, wo uns eine grossartige Aussicht auf den Fluss belohnte.
Wir hatten uns schon in "unserem" Cabin eingemummelt, als es wieder zu schütten anfing. Aaahh, wie gemütlich ! Das Holz knisterte im Ofen und verbreitete eine wohlige Wärme, der Regen trommelte dazu Stakkato und zur Feier des Tages köpften wir die Flasche selbstgemachten Wein, die uns Karen in Whitehorse mit auf den Weg gegeben hatte. Wir schliefen anschliessend wie die Bären...
Am Morgen danach weckte uns das gleiche Geräusch, mit dem wir abends eingeschlafen waren - Regenstakkato. Nach einem Besuch auf dem Outhouse und dem Erledigen der notwendigsten Bedürfnisse, krochen wir zurück ins Bett und verbrachten dort den restlichen Tag. Ab und zu warfen wir ein paar Holzscheite ins Feuer, dann wieder kochten wir Tee und fütterten uns gegenseitig, lasen und schliefen abwechselnd und erzählten uns haarsträubende Geschichten.
Abends taten sich zwischen den Wolkenfetzen die ersten blauen Löcher auf, wir krochen aus den Federn und erkundeten die weitere Umgebung. In der Nähe entdeckten wir einen kleinen Bach und neben dem Bachlauf eine weitere Hütte - eine Sauna! Es lagerte dort auch ein grosser Haufen trockenes Holz und flugs brannte schon das Feuer im Ofen und wir sassen im heissen Dampf und schwitzten. Ein genialer Abschluss dieses Hüttenzaubers war das anschliessende Abkühlen im eiskalten Wasser des Bergbachs...wir haben es knapp überlebt.
Innerlich und äusserlich gereinigt und ganz entspannt beschlossen wir bei Einbruch der Nacht, am nächsten Morgen weiter Kurs auf Dawson City aufzunehmen.

P.S.: Beim Recherchieren hab ich grade rausgefunden, dass Galena Creek, das hübsche Fleckchen Erde, für 240.000 CAD zu haben ist.

The Cure - From The Edge Of The Deep Green Sea [mp3]

TV On The Radio - Wolf Like Me [mp3]
R.E.M. - Daysleeper [mp3]

Samstag, 22. November 2008

Fairsharing

Ganz gut gemacht, das kann ich ohne Einschränkung unterschreiben:

"Privates Kopieren ist kein Verbrechen!
Wie Millionen andere sind auch wir potentiell straffällig geworden, weil wir
irgendwann einmal zu privaten Zwecken Musik- und Filmdateien z.B. in P2P-Netzwerken getauscht haben. Gegen diese Kriminalisierung setzen wir uns zur Wehr: Das Kopieren und Tauschen von urheberrechtlich geschützten Musik- und Filmwerken zu privaten Zwecken soll künftig auch in der digitalen Welt legal sein. Gleichzeitig erkennen wir den Anspruch von Kunstschaffenden an,
für ihre getauschten Werke eine Kompensation zu erhalten.
Dafür dürfen aber Bürgerrechte nicht durch Maßnahmen wie z.B. Digitale Rechte Minimierung (DRM) eingeschränkt werden. Deswegen fordern wir eine öffentliche Diskussion über eine beide Seiten zufrieden stellende Lösung, wie z.B. die Einführung einer Kulturflatrate.
Kurz: Wir fordern Kompensation ohne Kontrolle."

mehr dazu bei Fairsharing

Antony & The Johnsons - Shake That Devil [mp3]
Antony & The Johnsons - Another World [mp3]

Freitag, 21. November 2008

Rote Fabrik: Joan As Police Woman



Neulich morgens - es war zwischen 7 und 8 Uhr, zwischen Dusche, Kaffee und Katzenfutter - lief eine brandneue CD, welche mir tags zuvor ein Freund geschenkt hatte. Ziemlich passend zur Tageszeit "To Survive" von "Joan As Policewoman". Absicht war, meiner untertourigen Morgenroutine mit musikalischer Untermalung etwas drive zu verleihen. Was da aus dem Lautsprecher tönte, war aber alles andere als easy listening. Der Sound verwandelte den gewünschten drive in ein Innehalten - als morgendliches Grundrauschen taugte das nicht. Ganz unpassend zur anstehenden Tagesordnung waren nur noch meine Ohren aktiv. Also, Platte raus, SWR3 rein - Steffi Tücking und Christian Thees als grundrauschende Alternative.
Ohne greifbar zu sein, wirkte die Musik nach wie ein Sog; nichts von den Songs setzte sich richtig fest und dennoch hatte ich das Bedürfnis, die Scheibe wieder zu hören.
Die sperrigen, nicht auf Anhieb eingängigen Balladen, getragen von der betörenden Soulstimme Joan Wassers wollen ungeteilte Aufmerksamkeit, und das am besten live.
Also begab ich mich am Donnerstag abend in die Rote Fabrik nach Zürich.

Pünktlich zur Türöffnung um 21 Uhr laufen wir dort ein. Ein Bier, ein paar Nüsse und schon lädt der pianolastige Sound der Vorgruppe Beach House zum träumen ein, reisst mich aber nicht gerade vom Hocker.

Kurze Pause, dann kommt Sie. Brünette Mähne, enger Glitzerfummel, schwarze Leggings und goldene Stifeletten. Am Schlagzeug nimmt Parker Kindred Platz und am Bass Joan's langjähriger Freund Timo Ellis, der die Ausnahmebassistin Rainy Orteca vertritt. Der Saal ist nicht überfüllt aber es sind genügend Leute gekommen, um dem Trio stürmisch zu applaudieren.
Nach knapper Begrüssung "Hello...how are you feeling tonight...thank you" steht sie auch schon hinter der mit Glitzerstoff verkleideten Hammond und zieht sofort das Publikum mit wunderschönen, geheimnisumwobenen Songs in ihren Bann. Später dann greift sie auch zur Gitarre, die Violine kommt an diesem Abend nicht zum Einsatz.
Wenig Worte, die Show aufs Wesentliche reduziert - trotz ihrer cool und distanziert wirkenden Art merkt man sofort, um wen und was es auf der Bühne geht.

Von Verlust, Liebe und Begehren handeln ihre schwer fassbaren, filigranen Lieder, die erst still und unscheinbar über ihre Lippen kommen um sich dann in monumentalen, intensiven Melodiekurven in luftigen Klangwolken fast zu verlieren. Immer aufgefangen und getragen von Joans wunderbar souligen, manchmal etwas verrucht zerbrechlichen, aber ausdrucksstarken und klangsicheren Stimme und dem reduziert und doch bedeutungsvoll eingestzten Fundament aus Klavier, Schlagzeug und Bass.

Erstaunlicherweise hat die Multiinstrumentalistin mit dem Singen und Songschreiben erst relativ spät angefangen.
In den 80ern liess sie sich an der New Yorker Musikhochschule zur klassischen Violinistin ausbilden um dann als gefragte Gastgeigerin im kreativen Umfeld unter anderem von Lou Reed, Elton John, Sheryl Crow, Rufus Wainwright, Anthony & the Johnsons mitzuwirken. Ende der 90er spielte sie mit ihrer ersten Band, den "Dambuilders" und der ehemaligen Begleitband ihres Freundes Jeff Buckley "Black Beetle". Als diese 2002 auseinanderbrach, gründete Joan Wasser ihre eigene Band "Joan As Police Woman", mit der sie zur Zeit anlässlich ihres zweiten Albums "To Survive" durch Europa tourt.

Jeff Buckley, mit dem Joan bis zu seinem tragischen Tod 1997 befreundet war, widmete ihr einst das Lied "Everybody Here Wants You". Und der Titel wird bestätigt. Aufmerksame Stille herrscht im Saal bis zum Schluss, unterbrochen nur vom begeisterten Applaus zwischen den Stücken. Absolut eindrucksvoll. Bisher kannte ich ein solch andächtiges Lauschen nur aus klassischen Konzerten
Sie wiederum widmete Buckley nun das Stück "To Be Lonely". Bezaubernd fragil, intensiv und verletzlich erzählt, ohne in Trauer oder Hoffnungslosigkeit zu verfallen, war es für mich der Favorit des Konzerts.

Am Ende bietet die Band noch eine Zugabe und Joan Wasser signiert am Merchstand persönlich alles, was man ihr unter die Nase hält. Dieses sehr intime Konzert liess - bis auf eine Kleinigkeit - nichts zu wünschen übrig.
Recht gewöhnungsbedürftig empfand ich Joan's Glitzerlook. Meine ausgeprägte Aversion gegen alles Glitzerige, vor allem auf Kleidung, endete zum Glück nicht in einem Fluchtreflex. Die angenehme Stimmung im Raum und die wunderbare Musik liessen mich nach kurzer Zeit nur noch das innere Glitzern und Funkeln wahrnehmen.

Inzwischen hörte ich die CD mehrmals aktiv und obwohl "To Survive" nicht grade ein fröhliches Album ist, ist es grossartig und hilft in verschiedensten Situationen beim Überleben. Man muss nur richtig hinhören.

Joan As PoliceWoman - To Be Lonely [mp3]
Joan As Police Woman - To Survive [mp3]
Antony And The Johnsons - Frankenstein [mp3]
Antony And The Johnsons - Cripple And The Starfish [mp3]
Jeff Buckley - So Real [mp3]
Jeff Buckley - Satisfied Mind [mp3]
Tim Buckley - Driftin [mp3]

Sonntag, 16. November 2008

Ein Nasenbein für Jimi

Mitch Mitchell Memory Post













So Mitch is back jamming with Jimi and Noel. The Experience has now left Planet Earth.

Einer, der Gitarre spielte wie ein Gott, hat seine Experience wieder um sich versammelt und - wer weiss - vielleicht machen sie eine Revival Tour im Himmel...

Rückblick

Es war ein warmer Spätsommertag. Ich sass im Garten meiner Mutter mit Blumen im Haar, Frieden im Herzen und "The Cry Of Love" auf dem Plattenteller meines Bruders. Es war die erste eigene Schallplatte, mühsam zusammengespart vom Restgeld des weinroten Cord-Maximantels, den ich mir bei einem Ferienjob in der Schokoladenfabrik Stehlin erarbeitet hatte.
"Angel came down from heaven yesterday..." sang Jimi und ich träumte...tomorrow I will be on your side...wie liebte ich diese Stimme, die Gitarre, die Riffs...er war meine erste grosse Liebe, unerreichbar und doch immer nah. Durch seine Musik, die jetzt in Form einer schwarzen Plastescheibe mein war. Wie hütete ich diesen Schatz! Kind noch, ein Mini-Teeny, schwärmte ich mich mit "Freedom" durch den friedlichen Tag. Einmal Gitarre spielen können wie er...
Dann:
"Jimi ist tot."
Meine Schwester.
Ich schrie... .
Doch, sagte sie.
Ich weinte.
Lief zum Plattenteller und drehte auf. Auch die Nachbarn sollten es hören "Sailing for your love Sailing home..."
Meine Mutter hatte Besuch. Ein Onkel, schwer verwundet an Körper und Seele. Im Krieg.
Einmal zeigte er uns seine körperlichen Narben und ich erschrak und verstand doch nicht viel.
Und er redete von merkwürdigen Dingen. Oft klang Hass aus seiner Stimme.
Auch dann, als er aus dem Zimmer trat und mich anbrüllte "mach diese Negermusik aus".
Erschrocken drehte ich ab um dann zwei Minuten später wütend wieder aufzudrehen. Volle Lautstärke.
Fast ein Kind noch, ein Mini Teeny, mit Blumen im Haar aber rebellisch.
Kurz darauf kam er wieder, sagte nichts, holte mit der Hand aus und schlug zu.
Es schmerzte und das Blut lief und die Tränen liefen.
Und doch verdrängte dieser Schmerz den um Jimi's Tod für eine fast wohltuende Weile.

3o Jahre später - meine Nase war inzwischen längst geflickt - bat mich der Onkel um Verzeihung. Der Onkel hat uns längst verlassen, aber die Musik von Mitch, Noel und Jimi ist geblieben, lebt weiter und hat nie etwas an Faszination eingebüsst.

"You got to tell the children the truth
They dont need a whole lot of lies
Because one of these days, baby
Theyll be running things
So when you give them love
You better give it right
Woman and child and man and wife
The best love to have is the love of life"

Jimi Hendrix - Remember [mp3]
Jimi Hendrix Experience - The Wind Cries Mary [mp3]

Montag, 3. November 2008

9. Riders on the storm

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak
"Paddeln bezeichnet die Fortbewegung eines Paddelboots durch einen Paddler mittels Paddel (Doppelpaddel oder Stechpaddel) und kommt vom frei in der Hand bewegten Paddel (eng. "paddle" = "rühren", "Rührstange"). Die einzelnen Paddelschläge werden dabei genutzt, um das Boot voranzutreiben, abzubremsen, zu steuern oder dem Boot zusätzliche Stabilität im labilen Gleichgewicht auf dem Wasser zu geben."
So steht es im Wikipedia.
Hinzufügen möchte ich noch Folgendes: Paddeln ist manchmal höllisch anstrengend, das Kajak auf Kurs zu halten erfordert viel Geduld und Konzentration. Vor allen Dingen, wenn einem ein strammer Wind von vorne ins Gesicht pustet und der Fluss nicht nur einfach still vor sich hinfliesst, sondern sich in wilden Strudeln windet.
Nachdem wir nun schon 7 Tagesetappen mit durschschnittlich 50 km gepaddelt waren, hatte ich ein gutes Gefühl für das Boot und die Technik entwickelt und es fuhr meistens in die Richtung, in die wir wollten.
Am folgenden Tag war es allerdings ein bisschen anders.
Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen und Bernd's frischgebrühter Kaffee und die Sonne weckten auch an diesem Morgen die Lebensgeister. Vor dem Paddelspass stand wieder die schon zur Routine gewordene Packerei, wir waren mittlerweile ein gut eingespieltes Team und der Lagerabbau klappte wie am Schnürchen.
Nachdem wir einige Kilometer zurückgelegt hatten, wurde es immer stürmischer, der Wind drückte die Boote zur Seite und wir hatten alle Mühe voranzukommen. Die starke Strömung und die vielen Kabbelwellen - "shoppy water", wie die Kanadier es nennen - machten es auch nicht einfacher. Im Kampf mit den Elementen liess sich das Kajak nur noch höchst widerwillig steuern und ich trieb in rasantem Tempo auf eine Felswand zu. Der heisse Ritt, der mich um ein Haar kentern liess, wurde glücklicherweise gebremst von einem am Felsen befindlichen Kehrwasser.
Nachdem ich mich mit Bernd's verbaler Unterstützung aus dem Kehrwasser manövriert hatte, ging es wieder Richtung Flussmitte und weiter unserem Tagesziel entgegen, Stewart Island, an der Mündung des Stewart River gelegen. Dort sollte es laut Flussführer einige Hütten und einen Laden geben.
Wir waren sehr verwundert und enttäuscht, als wir ausser den Resten einiger Cabins kein Stewart Island mehr vorfanden, zum grössten Teil war alles weggeschwemmt.
Der Fluss gibts, der Fluss nimmts...also paddelten wir weiter und schlugen alsbald mit unserem Zelt wieder mal auf einer Sandbank auf.


Guns N'Roses - Jumpin Jack Flash [mp3]
The Doors - Riders On The Storm [mp3]

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Von unten gesehen. Funktionärskonferenz ___


Karlsruhe, Ende Oktober 2008, zwei Tage vor der dritten Verhandlungsrunde. Auftaktveranstaltung zur heissen Phase in den Tarifverhandlungen.
Ca. 5.200 Metaller/innen folgten dem Aufruf der Arbeitnehmerorganisation und unterstützten lautstark und kämpferisch die diesjährige Tarif-Forderung "konsequent für 8 Prozent". Gehalt selbstverständlich, nicht Gewinn-Marge, die liegt erfahrungsgemäss in anderen Dimensionen.
Wenn ein börsennotiertes Unternehmen von "nur" acht Prozent Gewinnsteigerung spricht, nennt sich das Gewinnwarnung und verscheucht die Aktionäre. Wenn Gewerkschaften acht Prozent Lohnsteigerung fordern, haben sie - laut Gesamt-Metall-Chef Martin Kannegiesser - "nicht mehr alle Tassen im Schrank".

Die Gewerkschaft verschärft den Ton in der Tarifauseinadersetzung für die 3,6 Millionen Beschäftigten in der deutschen Metall- und Elektroindustrie.
Die Lohnforderung der Gewerkschaft ist die höchste seit 16 Jahren. Die IG Metall reagiert damit auf die Wut in den Betrieben über die wachsende Kluft zwischen Arbeitseinkommen und Unternehmensgewinnen.

IG Metall Chef Berthold Huber sagte, die Gewerkschaft wolle einer drohenden konjunkturellen Abschwächung mit einer Erhöhung der Kaufkraft entgegenwirken. «Wir brauchen angesichts der Finanzmarktkrise und der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten eine Stärkung der Binnennachfrage», sagte Huber. «Wir brauchen höhere Löhne damit Arbeitsplätze gesichert werden». Huber hielt den Arbeitgebern vor, mitten in der Finanzkrise und einem Abschwung der Weltwirtschaft mit Lohnsenkungen die Binnenkonjunktur abzuwürgen. «Genauso könnte man einem Magersüchtigen eine Nulldiät verordnen, um ihn vor dem Verhungern zu retten», sagte Huber. Möglicherweise legen die Arbeitgeber am Donnerstag in Baden-Württemberg bei der dritten Verhandlungsrunde erstmals ein Angebot vor. Bezirksleiter Jörg Hofmann sagte, es gehe jetzt darum, die Schieflage zwischen Profiten und Arbeitseinkommen wieder gerade zu rücken. «Gerade weil die Arbeitnehmerhaushalte dringend mehr Geld in den Geldbeuteln brauchen, angesichts galoppierender Belastungen.»
Deutschland als Export-Weltmeister - die Zeiten des Aufschwungs im Inland durch florierende Ausfuhren sind leider vorbei.
Selbst nach Ansicht von Klaus Holschuh, Chefvolkswirt der DZ Bank, sollten die Unternehmen die Löhne stärker erhöhen, um die Kaufkraft der Bevölkerung zu stärken. Der Ökonom, der gewiss kein Gewerkschaftsanhänger ist, sieht dazu reichlich Spielraum. Vermutlich hat er Recht. Doch welcher Arbeitgeber lässt sich in der heutigen Lage zu einer kräftigen Tariferhöhung bewegen?

Nach Berechnungen des Tarifexperten Torsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung, sind die durchschnittlichen Tariflöhne in der Gesamtwirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2008 nur um 3,3 Prozent gestiegen, trotz nominal höherer Abschlüsse. Das gleicht noch nicht einmal die Preissteigerung aus.
Nur Malta hat geringere Netto-Lohnzuwächse innerhalb der EU. Im Land der 500.000 Millionäre dürfen wohl nur Reiche reicher werden.

Die Gewerkschaften sind den Arbeitgebern in den vergangenen Jahren - bedingt durch die schwache Konjunktur und den verschärften internationalen Lohnwettbewerb - weit entgegen gekommen. Sie haben gegen große interne Widerstände die Arbeitszeiten flexibilisiert, haben Öffnungsklauseln zugestimmt, die den Betrieben Abweichungen vom Flächentarifvertrag ermöglichen, haben Einschnitte bei Weihnachts- und Urlaubsgeld hingenommen.
Nun aber hat sich der Wind gedreht.
Die Vorbereitungen für die Warnstreiks laufen auf Hochtouren. Die Friedenspflicht endet in der Nacht auf Samstag.

Franz Ferdinand - What You Waiting For [mp3]
Damien Jurado - Everything Trying [mp3]

Von oben gesehen. Gipfelkonferenz /\


Noch einmal Sonne tanken, raus aus der herbstlichen Nebelsuppe am See.
Auf den 2246 hohen Schwalmis zog es uns, erst mit der Seilbahn, dann per Pedes.
Nicht nur Sonne, auch Kraft tanken lässt es sich vorzüglich über den Wolken - einfach wunderbar wanderbar !

Bob Dylan - Most Likely You Go Your Way And Ill Go Mine [mp3]
R.E.M - Supernatural [mp3]

Sonntag, 19. Oktober 2008

WKAFP - Who Killed Amanda Fucking Palmer ?
















Das würden wir auch gerne wissen.
Und nicht nur das.
Gerne wüsste ich auch, was schreiben über das Solodebüt der Dresden Dolls Sängerin Amanda Palmer, die mich letzten Donnerstag komplett sprachlos aus dem Abart ins herbstlich verregnete Zürich entlassen hat.
Mehr noch. Glücklich. Staunend. Berührt.
Amandas Stimme flüsterte und stöhnte, kratzte und schrie und im Zusammenspiel mit theatralischer Mimik und ihrem Piano raubte einem diese Fülle an Ausdruck die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten.
Wie die Wortfindungssötrungen überwinden ? Erst mal anschleichen mit dem zum Glück vergeblichen Versuch, die Palmer in eine Schublade zu stecken. Ein passendes Genre zu finden ist schwierig, weckt jedoch eine lange Liste von Assoziationen.
Kurt Weill meets PJ Harvey, Madonna unternimmt beschwingte Ausflüge in den Chaleston der 30er Jahre, da haucht für Sekunden die sanftmütige Tori Amos am Piano sphärische Töne um sich gleich darauf als David Bowie im Berliner Kabarett der 20er wiederzufinden.
Der Bogen ist weit gespannt und der Ansatz, deutsche Cabaret Tradition und Weillsche Songstrukturen mit Punk und Alternativ-Rock zu paaren, wohl einzigartig.

Ihr Solo-Arrangement nutzt die charismatische Amanda genial, um mehrere Musiker/innen - ihre "friends" - zu beteiligen. Herausragend erwähnenswert die grossartige Ex-Rasputina Cellistin Zoe Keating, die auch schon das Vorprogramm bestritt.






















Völlig absorbiert lauschte ich den Tönen, die Zoe aus ihrem Cello zupfte und streichelte, mal sphärisch psychedelisch, dann wieder basslastig rockig, an Apocalyptica orientiert. Seit ihrer Kindheit streicht sie sich durchs Leben - die sympathische, gebürtige Kanadierin Zoe hat ihr Handwerk gelernt, das hörte man.
Während Amanda sich spottend und tröstend hinter dem Piano räkelte, um sich dann wieder kraftvoll in die Tasten fallen zu lassen, umschmeichelten Zos's Streich- und Zupfarrangements ihren facettenreichen Gesang - eine ideale Ergänzung.
Der Konzertabend barg viele Überraschungen und wurde nie langweilig. Mal tauchte überraschend eine Gitarre auf, dann wieder wurde die Bühne in ein groteskes, an die Rocky Horror Picture Show erinnerndes Spektakel verwandelt.
Die Spielfreude und dynamische Kreativität der Vollblutkünstler liess nichts zu Wünschen übrig und sie rockten, als ob sie die Weimarer Republik ein zweites Mal erschüttern wollten.

Dass es gut werden würde, ahnte ich schon. Es war unbeschreiblich gut. Dieser Beitrag ist ein Versuch, das Unbeschreibliche in Worte zu fassen...

Zoe Keating - Tetrishead [mp3]
Dresden Dolls - Life On Mars [mp3]
Dresden Dolls - Cosmic Dancer [mp3]