Freitag, 21. September 2007

Was ist Musik wert?

"Am 2. September 2007 beschrieb Rick Rubin seine Zukunftspläne in der Sonntagsausgabe der New York Times für die Plattenfirma Columbia. Der Artikel lautete: "The Music Man". Wenn es nach Rubin geht, dann sollte die Musikindustrie voll auf ein Abonnementskonzept setzen. Ein Musikabo, das Kunden den Zugang zum gesamten verfügbaren Repertoire ermöglicht, egal auf welcher technischen Plattform. Für kleine Künstler und Netlabels ist dieser Weg jedoch keine Möglichkeit."
So steht's in Phlow, Magazin für Musik und Netzkultur

Es ist heute, im Zeitalter von Multimedia und Internet, wohl viel einfacher als früher, ein Musikprojekt aufzuziehen, wobei dies nicht die gleiche Chance gewährleistet, damit auch wirklich im Sinne von Qualität wie auch lukrativ erfolgreich zu werden.
Die Konkurenz ist vielffältig und unübersichtlich; mussten ambitionierte Musiker früher noch jahrelang als Nobodies durch schmuddelige Clubs ziehen und ihre ganze Kreativität einsetzen, um die Musik einem breiteren Publikum und eventuell einem Plattenproduzenten zugänglich zu machen, schiessen heute Bands wie Unkraut aus dem Boden und versuchen ihr schnelles Glück - Internet machts auch möglich. Dies hat zur Folge, dass inzwischen Musik zum Massenkonsumartikel verkommt, MP3's sind beliebig und billig konsumierbar wie Fastfood und als Konsument sieht man sich einem unüberschaubaren Musikangebot gegenüber. Da geht es einem oft ähnlich, wie in amerikanischen Supermärkten: man läuft duch die Regale auf der Suche nach DER Marmelade, alle ähneln sich in der Verpackung, preislich und vom Inhalt her, und nach einer halbe Stunde, nachdem man das 150ste Glas wieder zurückgestellt hat, greift man blind und frustriert zu, in der Hoffnung, ausser künstlich aromatiesierter Zuckerpampe auch etwas Beerengeschmack auf's Brötchen zu kriegen.
Auch ich gehöre manchmal zu den Sammler- und Jägerinnen. Die Objekte der Begierde wechseln meist im Schweinezyklus, mit den Mp3's ging es allerdings etwas schneller. Rasch durchschaute ich den Mechanismus und das führte bei mir zu einem anachronistischen Effekt.
Nachdem ich Unmengen von MP3's gesammelt hatte und feststellen musste, dass mindestens 75% davon Trash für die virtuelle Tonne war, fing ich an, mir die Perlen aus dem musikalischen Einheitsbrei rauszusuchen und auch nach den Interpreten und Bands zu recherchieren. Ich fand darunter beachtens- und hörenswertes, was durchaus dafür geeignet war, mehr als ein mal gehört zu werden und das auch noch mit Genuss.
Darunter waren viele Bands, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört hatte und meist dauerte es nicht lange, bis deren CD's in mein Regal wanderten - Amazon ist nur ein Mausklick entfernt - Yo La Tengo, Beirut, Spielerfrau, Patrick Wolf, Portugal.The Man, Victory At Sea, Clann Zu und Sufjan Stevens bereichern seither meine Plattensammlung - um nur einige davon zu nennen.
Als Nebeneffekt kam dazu, dass ich Live-Konzerte wieder zu schätzen gelernt hab, Musik, die unter die Haut geht, die man nicht nur hört, sondern auch spürt, die alle Sinne anspricht, weg von der Masse, der Konserve und vom Mediaplayer. Das ist zwar mit mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden, macht aber um ein vielfaches Spass.
Und es macht mir nach wie vor Spass, Mp3's zu sammeln :-)

"Für die Zukunft der Musiker und der Musikindustrie bleibt zu hoffen, dass sich das Konsumentenverhalten irgendwann ändert. Lieber Klasse statt Masse. Lieber weniger MP3's auf der Festplatte, die aber zahlen und lieben."
schreibt Wils in seinem Blog Beitrag "Weniger ist mehr". Dem kann ich nur beipflichten.
Und vielleicht - nicht weniger, nicht mehr - bestreitet Schwester Gaby ja mein 17. Konzert in diesem Jahr...

9 Kommentare:

  1. Diedrich Diederichsen sagt dazu.
    "Eigentlich ist das Herunterladen von MP3 Lieder in etwa so wie früher Singles kaufen."

    Finde, ganz unrecht hat er nicht. Als ich ein kleiner Bub war kaufte ich auch mal diese und jene Single-Schallplatten die ich oft nur ein paar Mal hörte. So gesehen hat sich nicht viel geändert ;-), nur dass damals halt das Taschengeld zum Fenster hinaus geworfen wurde und heute ist es oft kostenlos.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Diedrich_Diederichsen

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  2. Wie schön, dass es noch Gutmenschen gibt, die die arme Musikindustrie am Leben erhalten wollen. Solln se doch. Das habe ich um die 25 Jahre auch so gemacht und solchen Krücken wie Madonna und Hern Jackson auch noch ihre fünfte Villa mitfinanziert. Jetzt lade ich alles runter, was nicht niet- und nagelfest ist, auch so obskuren Unsinn wir Yo La - was nochmal? und wenns mir gefällt, kaufe ich mir unter Umständen die CD und wenn nicht, lösche ich den ganzen Mist. So einfach ist das. Herrliche Zeiten :-))

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  3. @rainer, dieser Vergleich hinkt etwas. Es hat sich doch viel in der Wertschätzung der Musik geändert. Das Gehör wird durch diese "Hauptsache viel und shuffle und billig" Einstellung verdorben, genauso wie der Geschmackssinn durch Geschmacksverstärker und Fastfood.
    Kein Wunder, dass viele Menschen das Leben eintönig finden und sich mit immer mehr Schrott zudröhnen müssen.

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  4. @sauger
    hach, ich liebe zugedröhnte soda-Kommentare ;-)

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  5. @rainer, dieser Vergleich hinkt etwas.

    --
    Natürlich hinkt der Vergleich.
    Aber auch nicht ganz. Als Cassetten billig wurden, hat jeder erst mal wie verückt LP´s kopiert und sich mit der Zeit gar nichts mehr richtig angehört.
    Ich gehe aber davon aus, dass viele Musik nur als nettes Hintergrundgeräusch begreifen und sich freuen wenn sie ihr Lied kostenlos bekommen.
    Ein unendliches Thema für mich, ich will hier aber nicht zu viel texten.
    Noch etwas. Als Edison den Phonograph erfand wurde sofort die Walzen kopiert, was ihn natürchlich gar nicht gefallen hat :-)).
    Die Musikindustrie jammert immer. In der Tat verkauft heute ein Künstler nicht mehr so viel Tonträger wie noch in den 80ger Jahren.
    Popmusik hat heute auch nicht mehr den Stellenwert wie wir es noch kennen. Musik ist nicht mehr so mit einer Lebenseinstellung verbunden.
    Es ist, da gebe ich Dir recht, inzwischen oft ein plankes, beliebiges Konsumgut.
    Aber so lange es noch Musikzeitschriften wie SPEX, DE:Bug, wire gibt, befürchte ich keinen Niedergang der Musik. MP3 hin oder her.
    Übrigens, zunehmend kaufen sich auch junge Leute gute Stereoanlagen. Und da hören sich MP3 schrecklich an ;-).

    Jetzt ist es doch lang und wirr geworden ;-)

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  6. @rainer
    ich wollt hier auch nicht die Megadiskussion zum Musikkonsum starten.
    Klar ist, dass wir zwei eine ähnliche Sensibilität für Musik haben. Und ich wollte, inspiriert durch Wils' Beitrag, meine Positin schildern. Klar ist auch, dass die Schere zwischen den Gescmäckern und der Art des Hörens und des Konsums weit auseinanderklafft.
    Für mich hab ich festgestellt, je grösser die Masse an schnell verfügbarer Musik ist, desto weniger hör ich Konserven und desto mehr geniesse ich Live-Musik. Das ist dann eben nicht die Hintergrundbeschallung, bei der man nur mit halbem Ohr zuhört und nebenher klickert oder läuft oder was auch sonst was treibt. Die MP3's auf meinem blog entsprechen immer meiner momentanen Gefühlslage, ich häng sie sozusagen rein "statt Worten" ;-)

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  7. ...16 Konzerte bis jetzt in diesem Jahr? Hilf mir mal beim Zählen.

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  8. Zitat -- "Die MP3's auf meinem blog entsprechen immer meiner momentanen Gefühlslage, ich häng sie sozusagen rein "statt Worten" ;-)" --

    Wie wärs nur mit MP3s? Man könnte sich soviel (überflüssige) Worte sparen :-)))

    Da fällt mir ein, ist dieses MP3-Posten nicht auch illegal? Und kommen die Dinger alle aus deiner formidablen Amazon-Sammlung? Bitte um völlig nüchterne Antwort ;-)

    So, da hast dus.

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  9. @Soda
    nur MP3's wären sicherlich eine gute Lösung, hab ich mir auch schon überlegt. Würden alle ihr gesprochenes Wort in Musik umsetzen, wär die Welt um ein vielfaches heimeliger.
    MP3's illegal? Muss ich gleich mal Herrn Schäuble fragen, was der dazu meint. Würde mich nicht wundern, wenn demnächst auch noch das Pupsen verboten würde.
    Tja, es gibt eben in Kleinmaschendrahtzaunien nicht nur Maschendrahtzäune und Knallerbsensträucher, sondern auch jede Menge MP3's, Raucher, Schnüffler und Knallerbsen.
    Was meine formidable Amazon-Sammlung betrifft: ich zeig sie Dir gerne mal ;-) Aber nur, wenn Du mich nicht bei Apollon verpfeifst.

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