Donnerstag, 25. September 2008

5. Fort Selkirk

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak

Fort Selkirk war ein wirklich wichtiger Ort. Alle kamen hierher zum Handeln - von Ross River, Carmacks und der Küste. Einige kamen sogar von noch weiter her. Bei mehreren Gelegenheiten zogen Menschen aus Fort Good Hope und Fort Norman über die Mackenzie Mountains nach Fort Selkirk. Die Tlingit und Chilkat von der Küste reisten auf einem Pfad nach Fort Selkirk, der später als Dalton Trail bekannt wurde, um mit den Menschen dort zu handeln. Die meisten dieser Treffen fanden im Frühling und Sommer statt.

Robert Campbell von der Hudson’s Bay Company errichtete 1848 in der Nähe einen Handelsposten und der Ort wurde zum Versorgungszentrum für die umliegende Gegend. Viele Menschen reisten zu bestimmten Anlässen wie Weihnachten oder im Frühling nach Fort Selkirk, um Pelze zu verkaufen, einzukaufen oder um sich gegenseitig zu besuchen. Wenn die Ureinwohner mit ihren Hunden ankamen, blühte die Stadt etwas auf und das Leben wurde aufregender. Die Tlingit fürchteten wegen der Ansiedlung der Hudson’s Bay Company um ihre traditionellen Handelsbeziehungen zur athapaskischen First Nation und zerstörten das Fort noch im gleichen Jahr. 40 Jahre später wurde es wieder aufgebaut und entwickelte sich zu einem wichtigen Versorgungszentrum am Yukon. Als Mitte des 20. Jahrhunderts der Klondike Highway, dessen Verlauf Fort Selkirk umgeht, gebaut wurde und der Yukon als Handelsweg an Bedeutung verlor, wurde der Posten aufgegeben.

Viele der Gebäude sind mittlerweile wieder aufgebaut worden. Die Fort Selkirk Historic Site ist anteilig im Besitz der Selkirk First Nation und des Tourismus- und Kulturministeriums der Provinzregierung. Es gibt keinen Straßenanschluss. Fort Selkirk kann per Boot oder Flugzeug erreicht werden.







Kuhglockengeläut weckte mich frühmorgens. Moment mal, Kuhglocken? Ich muss mich verhört haben, Kühe gibt’s auf den Almen aber nicht auf einer Sandbank im Yukon. Da war es wieder - und es kam näher. Vorsichtig öffnete ich den Reissverschluss des Zeltes und lugte durch einen Spalt hinaus. Keine Kühe, sondern zwei wunderschöne Pferde, eines davon mit Glocke ausgestattet, nahmen gemächlich aber neugierig Kurs auf unser Lager. Warum zum Teufel liefen hier Pferde rum und woher kamen die? Später erfuhren wir, dass sich nicht weit vom Ufer entfernt eine Farm befindet und dort vermutlich auch der Stall der Tiere.







Erfreut über diesen überraschenden Besuch, krabbelten wir gleich aus den Schlafsäcken und liessen mit den üblichen Aktivitäten den Tag beginnen. Dieser zeigte sich gleich von seiner besten Seite, die Sonne strahlte mit uns um die Wette und der Himmel präsentierte sich vielversprechend blau und wolkenarm und so beschlossen wir, erst mal auf der Insel zu bleiben - mit Kaffee und Buch bewaffnet faulenzten wir uns durch die Sonnenstunden. Am späten Nachmittag, als sich immer dickere Wolken vor die Sonne schoben und ihr die wärmende Kraft raubten, wurde es ungemütlich - die ersten Tropfen fielen und wir rüsteten die Boote zur Weiterfahrt.









Unser nächstes Ziel war Fort Selkirk, direkt an der Mündung des Pelly in den Yukon gelegen und nur ca. 20 km entfernt.
Auf dem Fluss fing es dann bald kräftig an zu regnen, die Temperatur sank und wir mussten ordentlich ins Paddel greifen, um warm zu bleiben-

Dicker Rauch, der aus dem Schornstein des Cooking Shelter quoll, liess unsere Herzen höher schlagen, als wir tropfend und frierend das Steilufer bei Fort Selkirk erklommen hatten, Ein Paddler-Päärchen aus Alaska und eines aus England sowie zwei Motorbootfahrer aus Whitehorse waren vor uns da und hatten für mollige Wärme in der Hütte gesorgt. Schnell packten wir unsere Kochutensilien aus den Kajaks und bruzzelten und klönten mit den anderen zusammen bis es Nacht wurde. Nachdem die anderen sich in ihre Zelte verkrochen hatten, hing unser eigenes Zelt immer noch zum Trocknen über der Leine. Kurzerhand breiteten wir unsere Isomatten und Schlafsäcke auf dem Boden der Hütte aus, warfen noch ein paar Scheite ins Feuer und schliefen zufrieden ein, in der Hoffnung, es möge kein Extrem-Frühaufsteher unter den anderen sein.


John Lee Hooker - Mad Man Blues [mp3]
The Police - Message In A Bottle [mp3]

Montag, 22. September 2008

4. Pelly Crossing








Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak
Pelly Crossing, ein verschlafenes Nest am Klondike Highway mit rund 300 Einwohnern, war am Anfang des 20. Jahrhunderts ein Versorgungslager für die Highwayarbeiter und Fährstation über den Pelly River. Heute leben hauptsächlich Indianer der Selkirk First Nations dort, die sich überwiegend traditionell vom Fischen, Jagen und Fallenstellen ernähren.

Drei Tage verbrachten wir auf dem Campground am Pelly River mit Warten auf besseres Wetter, da wir nicht unbedingt von oben nass auf den Fluss wollten und die niedrigen Temperaturen keine gemütliche Flusstour versprachen. Es regnete, nieselte und schüttete abwechselnd, hin und wieder kam die Sonne durch um uns Hoffnung auf baldingen Aufbruch zu machen und dann gleich wieder zu verschwinden. Da wir genügend Zeit eingeplant hatten, störte uns das erst mal nicht sonderlich. Wir nutzten die Tage, uns an das Lagerleben zu gewöhnen, unsere Fähigkeiten in der Koch- und Feuermachkunst zu erproben und unser Improvisationstalent zu testen.
Am gegenüberliegenden Ufer des Pelly befand sich ein Fisch-Camp der Indianer, ab und zu setzte ein Boot über den Fluss und ein kleiner Schwatz mit den Fischern sorgte für
Abwechslung.
Im Dorf gab es eine Tankstelle und einen kleinen Laden mit einem Waschsalon und Duschen. So vertrieben wir uns die Zeit und erkundeten die Umgebung, tranken Kaffee und unterzogen uns noch einmal einer gründlichen Ganzkörperreinigung mit warmem Wasser, denn auf diesen Komfort würden wir die nächsten zwei Wochen verzichten müssen.
Als es sich am zweiten Tag so richtig einregnete, sank unsere Stimmung analog zur Temperatur und wir mussten ganz tief in die Trickkiste greifen, um uns gegenseitig bei Laune zu halten.
Am Platz gab es ein Cooking Shelter und da wir den ganzen Campground inzwischen für uns alleine hatten, packten wir kurzerhand das Zelt und die übrigen Klamotten und zogen damit in die Hütte um. Wir heizten dem Holzofen mächtig ein und spannten eine Leine um unsere Kleider zu trocknen. Da das Shelter ringsum offen war, kauerten wir uns dicht an den Ofen, wo dieser dann aber zum Glück ordentlich Wärme abgab.
Am Abend bekamen wir Besuch von einem Fuchspaar welches erfolgreich versuchte, uns etwas aufzuheitern. Es war ein ganz besonders schönes Erlebnis, die beiden aus nächster Nähe beim Liebesspiel zu beobachten. Sie tollten und spielten, jagten und vereinigten sich wieder, erst als es stockdunkel war trollten sie sich müde davon.
Unser Gemüt hatte sich nach dieser netten Einlage wieder etwas aufgehellt und voller Hoffnung auf ein baldiges Ende des Regens fielen wir in einen unruhigen Schlaf. Die Stille wurde durchbrochen von zahllosen, undefinierbaren Geräuschen, es raschelte un knackte ringsherum, von Ferne hörte man das Heulen der Wölfe und am gegenüberliegenden Flussufer bellten die Hunde der Indianer.
So war ich froh, als der Morgen graute und die Vorfreude auf heissen Kaffee mich aus dem Zelt lockte. Schnell war ein Feuer gemacht und schon wenig später durchzog verlockender Kaffeeduft unser Lager. Das Frühstück schmeckte wieder mal hervorragend, der Regen hatte aufgehört und wenig später begrüsste uns sogar die Sonne - dem Aufbruch stand also nichts mehr im Weg. Flink sammelten wir unser Geraffel ein, packten unseren Hausstand zusammen und verstauten alles in den Booten. Faszinierend, welche Mengen an Lebensmitteln und anderem mehr oder weniger überlebenswichtigen Equipment wir in den schlanken Kajaks unterbringen konnten.
Noch ein letztes mal hinter die Büsche und dann ging es endlich aufs Wasser. Die Boote waren schwer und hatten ordentlich Tiefgang - jeder von uns hatte ca. 60 kg Zuladung - nur wenige Zentimeter trennten den Süllrand von der Wasseroberfläche, aber trotzdem liessen sie sich relativ gut steuern, ich war überrascht.
Der Pelly River zeigte sich von seiner zahmen Seite und das Wetter hatte sich inzwischen richtig gemausert, so konnten wir uns gemächlich treiben lassen und uns langsam an die neue Fortbewegungsart gewöhnen.
Nachdem wir an diesem Tag ca. 40 km ohne nennenswerte Schwierigkeiten zurückgelegt hatten, landeten wir auf einer Sandbank an, schlugen unser Lager auf und machten es uns dort für die Nacht gemütlich.

Joe Cocker- Cry Me A River [mp3]
REM - Daysleeper [mp3]

Der Margelchopf, das hohe Überraschungsei

Der 2.163 hohe Margelchopf entpuppte sich als wahres Überraschungsei.

Samstag, 20. September 2008

Ein Samstag im September


Besuch ist toll, meistens freu ich mich über Besuch. So auch heute, in den frühen Morgenstunden.
Ich machte die Augen auf und die Sonne hätte mir frech ins Gesicht gelacht, wäre da nicht das Rollo zwischen uns gewesen. Tausend Ideen galoppierten schon durch meinen Kopf und voller Tatendrang sprang ich aus dem Bett.
Das passiert mir gar nicht mal so oft und wenn, dann am Wochenende. Gut, heute ist auch Wochenende, also machte ich mir keine Sorgen darüber. Als erstes stürmte ich zur Terassentür, um etwas Frischluft zu tanken und nachzuschauen, ob vielleicht irgendwo eine Spinne ihr Netzt gesponnen hätte. Die sehen immer besonders schön aus morgens früh, vor allem, wenn sich Tautropfen darin verfangen haben. An der Türe angekommen, entdeckte ich ein kleines, braunes Häufchen. Diese Katzenviecher...als ich meine Schimpfkanonade starten wollte, bekam der Haufen plötzlich Beine und stakte davon, mitten übern Teppich. Fasziniert rieb ich mir die Augen - dann fing der Haufen auch noch an zu hüpfen...naja, Frühsport ist ja nicht das Schlimmste und jedem seinen Spass. Instinktiv befürchtete ich jedoch, dass es nicht die Bestimmung dieses Springhaufens ist, über Berberteppiche zu hüpfen um es sich dann unter einem Sofa gemütlich zu machen. Vermutlich hatte die Kröte draussen einen kalten Po bekommen und sich unbemerkt am Abend zuvor in meine warme Bude geschlichen, offensichtlich auch unbemerkt an den Miezen vorbei, denn das Tier sah ziemlich frisch und unbespielt aus.
Jeden Tag ein gutes Werk dachte ich, griff mir das nette Tierchen, liess sie eigennützig vorher noch über meine Warze laufen und dann...schwupps und raus zur Tür.

Weil der Tag so gut anfing, hab ich mir dann heut noch was ganz Tolles gegönnt. Ich hab mir eine neue Brille gekauft. Nee, keine für den Durchblick sondern eine für den Durchschiss, sprich, ne Klobrille. Meine alte war nämlich kaputt, am Scharnier gebrochen. Wenn man sich da drauf setzte, rutschte man in letzter Zeit manchmal seitlich weg. Das könnte in die Hose gehen. Ausserdem fand ich das Plaste-Design inzwischen hässlich und geschmacklos. So kam es, dass ich mir eine schicke, gestreifte Bambusbrille kaufte. Um ehrlich zu sein, ich träumte schon lange von einer Holzklobrille, Holz ist einfach ein feines Material. Es fühlt sich gut an, sieht gut aus, ist strapazierfähig und ziemlich schmutzneutral. Und Bambus steht dem in nichts nach. Für ganze läppische 19,95 Euros hab ich das gute Teil erstanden, an anderer Stelle hätte ich auch über das doppelte ausgeben können. Wenn man bedenkt, wieviel an guter Lebenszeit auf dieser Sitzhilfe ausgesessen wird, dann find ich diese Investition absolut lohnenswert.
Inzwischen schon mehrfach getestet - auch mit Zeitung - und für gut befunden!

Und dann, zu guter Letzt mailte mir mein Wanderkumpel, wir würden morgen das "hohe Überraschungsei" erklimmen und starten werden wir dorthin "ca. mitten in der Nacht", um 7:00 Uhr...
Das Leben steckt eben immer wieder voller Überraschungen!

Johnny Cash- Don't Take Your Guns To Town [mp3]
George Harrison - Here Comes The Sun [mp3]

Dienstag, 16. September 2008

3. Lake Laberge

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak





Dave kann nicht nur ausgezeichnet mit dem Gewehr umgehen, die Gitarre bedient er mindestens genau so gut und ausserdem kocht er leidenschaftlich und hervorragend, was uns in Anbetracht der künftigen Lagerfeuerküche besonders entgegen kam.So beschlossen wir bei einem feuchtfröhlichen Abschiedsabend mit Speis, Wein und Gesang, 4 Tage Abhängen in Whitehorse seien genug und bereiteten am nächsten Tag dem Lotterleben ein Ende.Erst mal sollte es zum Lake Laberge gehen, wo unsere Kajaks bei Jerry's Hütte auf uns warteten.Also packten wir nach ausgiebigem Frühstück unsere Einkäufe und die Ausrüstung auf den Truck, fuhren zum Lake Laberge und schlugen dort unser Zelt auf. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne erwärmte die Luft auf über 25° und ich konnte es mir nicht verkneifen, erst mal ein kurzes Bad im herrlich klaren aber eiskalten Wasser zu nehmen. Anschliessend machten wir uns ans Reduzieren des Gepäcks - Nahrung und Klamotten für 3 Wochen sowie Zelt, Schlafsäcke, Isomatten und sonstiges Equipment wollten in zwei 1er-Kajaks verstaut werden. Kein einfaches Unterfangen, musste ich doch Abschied nehmen von meinem Föhn und anderen liebgewonnenen Werkzeugen der Eitelkeit. Als mir dann nach getaner Arbeit beim Abendessen die Kauleiste im Käsebrot stecken blieb, war mir das an Minimalismus entschieden zu viel. Vor Kurzem erst hatte die mir mein Zahnarzt für viele Euros verpasst. Ich wollte zwar auf dem Fluss auf einiges verzichten, nicht aber auf drei stattliche Backenzähne.Nach kurzem Abwägen, ob mit oder ohne, setzte ich die Brücke kurzerhand provisorisch ein und beschloss, mich eben nur rechts durch die Wildnis zu beissen.Dann endlich - die erste Nacht im Zelt! Wie ich diese Nächte da draussen liebe! Die Milchstrasse über uns, von fern das Heulen der Wölfe, die kalte Luft lässt uns die Nähe des anderen suchen und draussen knistert das sterbende Lagerfeuer...Am nächsten Tag tauchte Jerry auf, pünktlich mittags, wie verabredet. Wir verschnürten die Boote auf dem Truck und dann ging es los - auf dem Klondike Highway nach Pelly Crossing, wo uns Jerry samt Ladung an unserem Einsatzort am Pelly River rauswarf, um den Truck anschliessend nach Whitehorse zurückzubringen.Da sassen wir dann auf dem Campground mit unserem ganzen Gepäcksalat, und da die Fahrt fast den ganzen Tag in Anspruch nahm, machten wir uns erst mal daran, unser Nachtlager aufzubauen und zu kochen. Der Himmel verdunkelte sich währenddessen zusehends und pünktlich, als wir fertig gespeist hatten, fielen die ersten Tropfen und mit der Nacht kam der Regen. Da wir den nächsten Tag noch an diesem Platz verbringen wollten, störte uns das leise Trommeln auf dem Zeltdach keineswegs, ganz im Gegenteil, es steigerte den Kuschelfaktor enorm.

Donovan - Catch The Wind [mp3]
Beatles - Rain [mp3]

Sonntag, 14. September 2008

2. Kaffee in Riverdale

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak



Das Dunkel duftet nach Kaffee. Ich mache die Augen auf, absolute Stille und Dunkelheit umgibt mich. Der Versuch, wenigstens die Uhrzeit auszumachen, scheitert. Die Uhr, wie auch der Rest meiner Bekleidung fehlt - völlig nackt liege ich in absoluter Dunkelheit in einem fremden, weichen Bett - ich fiel offensichtlich direkt aus der Dusche ins Bett. Meine Erinnerung scheint wie in einem 100-jährigen Dornröschenschlaf ausgelöscht. Als Bernd das Licht anknipst und mir einen frisch gebrühten Kaffee ans Bett bringt, kehrt das Erinnern langsam zurück.
Karen's Gästezimmer befindet sich im fensterlosen Kellergeschoss ihres Hauses in Riverdale, einem Vorort von Whitehorse. Dieses dunkle, aber nicht ungemütliche Verliess, war wie geschaffen für meinen 16-stündigen Schlaf nach einem 33-Sunden-Tag.
Wir hatten geplant, die ersten drei Tage in Whitehorse bei Karen&Dave, unseren Freunden, zu verbringen, um in aller Ruhe die Zeit für ein Finetuning unserer Flusstour wie diverse Einkäufe und intensives Kartenstudium zu nutzen.
Das Wetter zeigte sich noch nicht von seiner besten Seite- es war bisher wohl ein ziemlich schlechter Sommer - regenreich und relativ kühl. Doch von Tag zu Tag sah man die Sonne häufiger am Himmel und die Temperaturen kletterten so hoch, dass man im T-Shirt draussen klönen konnte, was meinen Ruf als Schönwetterqueen wieder mal bekräftigte.
Im Kampf gegen den Jetlag unternahmen wir lange Spaziergänge in der Umgebung und dabei musste ich feststellen, dass sich die Natur im Vergleich zum letzten Jahr schon ziemlich herbstlich eingerichtet hatte.
Ein Besuch bei Helmuth Grünberg - einem deutschen Biologen und Vogelkundler, den es vor Jahrzehnten auf verschlungenen Pfaden in den Yukon verschlagen hat - liessen wir mit einem kulinarischen Ausnahmeereignis im besten China-Restaurant von Whitehorse ausklingen.
Dann kam Jerry. Jerry Olsen, auf dessen Gelände unsere Boote und ein grosser Teil der Ausrüstung lagern. Jerry ist U.S. Amerikaner mit schwedischen Vorfahren. Er wollte damals in den späten Sechzigern kein Agent Orange in Vietnam versprühen und lebt seither mehr oder weniger friedlich und abgeschieden mit seinem selbst erlegten Wolf und einem eigenen Büchercabin im Yukon in einer Blockhütte am Lake Laberge. Jerry, der früher in der Mine und in der Gastronomie jobbte und sich ein so Stück weit seine Wildwest-Träume erfüllte, bekommt inzwischen Stütze, in Whitehorse ist er im Winter untergebracht im Stratford Motel, im Hinterhaus. Er kann nicht mehr alles alleine und der Winter draussen ist zu hart. Jerry wird uns und die Kajaks nach unserem Trip in Eagle/Alaska mit Bernd's Truck abholen und sich so ein paar Dollar verdienen. Seinem Bruder wird er schreiben, aus Eagle - er war noch nie in Eagle - und er freut sich auf Dawson City und wird sich dort ne neue Mütze kaufen und das Diamond Tooth Gerties besuchen, während wir zwei für ein paar Tage in die Tombstone Mountains fahren.
Bevor wir zu unserem Abenteuer aufbrachen, frischten wir schliesslich nochmal unsere Schiesskünste auf. Mit Dave, der Gun Courses anbietet, im Yukon und im restlichen Kanada, der gerade von Whitehorse nach Fort St. John umgezogen ist und vor 5 Monaten wieder zurück kam, nach Whitehorse, und seither dort mit Karen zusammenlebt.

Frühstück bei Tim Hortens, dann raus mit dem Four Wheeler auf den Schiessplatz, um dann anschliessend auf ein Bier oder drei im Goldrush Inn beim Smalltalk mit dem Kultuusminister abzusacken - der ganz normale Sonntagswahnsinn in Whitehorse.

Bo Dddley - Gun Slinger [mp3]
The Clash- Lost In The Supermarket [mp3]

Freitag, 12. September 2008

1. Ankommen

Von Pelly Crossing/Yukon nach Eagle/Alaska mit dem Kajak

Aus dem bunten, europäisch lauten Hochsommer in den graugrünen, stillen Norden Kanadas katapultiert, empfängt mich Whitehorse müde und unaufgeregt. Raus aus dem Flieger - dieses mal trieb mich die Freude auf das Wiedersehen an die Spitze der Schlange.
Am Zoll die gleiche Dame wie letztes Jahr mit dem gleichen stereotypen Fragenbombardement:
"drugs? alcohol? food? firearms?"
"No! No! No! No!"
"bearspray?"
"Oh no!!!"
"So, how do you defend yourself against bears"
Schluck..."with my brain"
"OK"...uff! Durch...und der Bärspray im Koffer hoffentlich auch.
Dann geht das Koffersuchspiel los. Offensichtlich hat mindestens die Hälfte der Passagiere vor dem Flug einen Saxony-Koffer bei Karstadt im Sonderangebot erstanden und mein neongelbes Erkennungsband scheint im Gedränge abhanden gekommen zu sein.
So suche ich mich schwitzend durch hunderte von geklonten Koffern um dann im ausgedünnten Sortiment schliesslich fündig zu werden - mein Zeitvorsprung hat sich so inzwischen auch relativiert.
Endlich draussen aber Bernd ist nicht da. Hier ticken die Uhren etwas anders, fällt mir ein und so setz ich mich auf eine Bank und versuche, so viel wie möglich von dieser frischen Nordluft in mich einzusaugen. Die Zeit ist stehengeblieben - 11:30 Uhr wie in Frankfurt beim Abflug.
2 Minuten bevor ich mir anfange Sorgen zu machen steht er dann unvermittelt neben mir und wir umarmen uns, erst etwas scheu, als ob wir Angst hätten, aus einem Traum aufgeweckt zu werden, dann stürmisch...Es ist so unwirklich, so sehr hatte ich mich auf diesen Zeitpunkt gefreut und jetzt stehen wir da, in Whitehorse am Flughafen, die Koffer in der Hand, den Rucksack geschultert und den Yukon vor uns. Fast ein Jahr ist es her, seit wir uns im Flughafen von Anchorage kennengelernt hatten.
Bevor mich die grosse Müdigkeit anfällt, machen wir erst einen Rundgang durch die Stadt und bleiben bei Tim Hortons hängen. Der stärkste Kaffee vermag jedoch nichts mehr auszurichten und wir machen uns auf den Weg zu Karen und Dave, die uns für die ersten Tage ein Zimmer zur Verfügung stellten. In Riverdale angekommen, bin ich restlos begeistert, werf mein Gepäck in die Ecke und schmeiss meine müden Knochen in das herrlich weiche kingsize bed um gleich danach bis in den nächsten Tag wegzuschnarchen.





















Blitzen Trapper - Black River Killer [mp3]
Blitzen Trapper - Gold For Bread [mp3]

Sonntag, 7. September 2008

Vom Verlassen und Ankommen






















Einfach ankommen. Oder Ankommen ist einfach. Es ist aber nicht einfach, einfach nicht anzukommen. Und immer geht dem Ankommen ein Verlassen vorraus. Umgekehrt ist das nicht zwingend, dem Verlassen folgt nicht unbedingt ein Ankommen.

So geschehen am Mittwoch, als ich nach 22 Stunden Reisezeit und dem Überfliegen von 10 zeitzonen wieder in der lieblichen Heimat gelandet bin.
Angekommen ist mein Körper - meine Seele und ein Teil meines Herzens sind noch gefangen, brauchen wohl noch eine Weile, um zu folgen.
Einfach verlassen?
Zu tief die Spuren, zu stark die Eindrücke, zu still die Einsamkeit, zu aufwühlend die Liebe, zu unbarmherzig die Natur und zu gross die Freiheit um sie zu entlassen in die beklemmende Enge der Zivilisation.
Verfangen und verloren in der unendlichen Weite der Wildnis.
Verlassen ist nicht einfach.
Gespalten und zerrissen, noch nicht hier und nicht mehr dort.
Einfach ankommen?

Ich hab ihm noch eine Karte geschrieben. Am letzten Tag vor dem Abflug hab ich sie zur Post in Whitehorse gebracht. Weil ich es ihm versprochen hab. Weil er es sich gewünscht hat.
Ich hab ihm auch versprochen, Bilder zu zeigen, nach meiner Rückkehr.
Weil er sich immer für meine Reisen interessierte und im Atlas nachschlug, in welche verlorene Ecke der Welt es mich treiben würde.

Als es nach meiner Ankunft an der Tür klingelte, war mir noch nicht aufgefallen, dass am Eingang ein Namensschild fehlte. Nicht der Henning - wie erwartet - stand vor der Tür, um mich willkommen zu heissen, nein - es war die Nachbarin mit der Mitteilung, die Hausordnung wäre noch zu erledigen und einen an mich adressierten Brief in der Hand, der wohl versehentlich beim Henning im Briefkasten gelandet ist.
Meine Frage, ob denn der Henning im Urlaub sei, wurdevon ihr mit einem erstaunten: "Oh...wissen Sie's denn noch nicht..." quittiert.
Sofort fiel mir wieder dieser unangenehme Geruch auf, den ich schon beim ersten Betreten des Hauses bemerkt hatte.
Der Henning hat uns also verlassen. Vor drei Wochen. Suizid, meint die Polizei. Eine knappe Woche sass er sich unbemerkt in seinem Sessel schwarz.

Leise schloss ich die Tür, um den süsslichen Geruch des Verlassens auszusperren.
So gerne hätte ich ihm noch erzählt, wie der Bär mit unseren Kajaks um die Wette schwamm, wie sich die Füsse anfühlen, nachdem sie durch die kalten Flüsse des Nordens wateten und wie frischer Lachs und ein Caribousteak schmeckt.

Ob Verlassen für ihn einfach war? Ich wünsche ihm so sehr, dass er vor dem Verlassen irgendwo angekommen ist...

Jim Croce - One Less Set Of Footsteps [mp3]

Rolling Stones - Tar And Feathered Blues [mp3]

Samstag, 26. Juli 2008

The call of the wild


Freitag, Punkt zwölf Uhr mittags verdunkelten sich meine beiden Bildschirme, der weltbeste Feeder und ich waren endlich frei und draussen vor dem Tor warteten mein Rucksack und meine Bergschuhe, Alfred, ein wunderschöner Sommertag und 5 Wochen Ferien.
Auf dem Weg zur Tierwies im Alpstein verlor ich nach und nach jegliche Anspannung und stimmte mich Schritt für Schritt auf die nahenden Abenteuer ein.
Was für ein herrlicher Tag mit wunderbarer Aussicht - in die Täler und auf die Ferien!
Es waren sicherlich die besten Bedingungen für einen gelungenen Urlaubsstart.
Vier Tage noch, dann beginnt ein neues Kapitel "Kanada". Mein Liebster und unsere Kajaks warten schon im Yukon, die Ausrüstung ist beinahe verpackt und meine Gedanken sind mehr dort als hier.
Am Oberlauf des Pelly River werden wir die Boote einsetzen, dann geht es über Pelly Crossing nach Fort Selkirk, wo der Pelly in den Yukon mündet. Nächstes Ziel ist erst mal die alte Goldgräberstadt Dawson City und falls wir dort beim Schürfen nicht fündig werden geht es weiter auf dem Yukon nach Eagle in Alaska.
Wenn wir es bis dorthin heil geschafft haben, holt uns hoffentlich Jerry mit dem Truck ab und bringt uns und die Boote sicher zurück nach Whitehorse.
Und wenn nicht...dann gibt's Stoff für Lagerfeuergeschichten.

Soweit die theoretische Kurzform.

Da hätte ich nur noch einen klitzekleinen, bescheidenen Wunsch: liebe Lufthansas und Verdis, macht bitte am Donnerstag eine Streikpause!!

Bush- Wild Horses [mp3]
Cat Stevens - Wild World [mp3]
Avril Lavigne - Happy Ending [mp3]

Montag, 21. Juli 2008

The distance between us


You take my breath away
And yet you're all I'm breathing for
I always want that little bit more of what you do
And I still feel today
The way I felt the first time we kissed
You made me live, not simply exist
Broke like a clear view out of the mist
I'd known
You turned my life to up from down
Taken me from lost to found
Raised me up and now I see
How high we are
And every night before I sleep
I hope and pray you're mine to keep
It's all I can do to thank my lucky stars

The distance between us
'Cos close is never close enough
And there's a world beyond your touch
I want to climb inside of you
And see your heart beat
Your heart beat
So now and here we are
Within a land that we're making our own

I can't believe how devotion has grown
And still it grows
We're not the first to fall so far
Won't be the last to give our hearts
But now it's me and now it's you
We own this love
Sounding out the way I feel
Reminds me that this dream is real
All that I can do is thank my lucky stars

I've never felt like this before
Never felt this way before
Can't get close enough
Or stop myself from wanting more

Apocalyptica - Faraway [mp3]
Metallica - Nothing Else Matters [mp3]

Dienstag, 15. Juli 2008

Die letzte Männerbastion...

...ist geknackt, der quälende Penisneid gehört hiermit endlich der Vergangenheit an:















Hehe. Die simple Story hinter Whiz Freedom: Mann pinkelt in die Konservenbüchse, oder ins Gurkenglas. Aber was macht Frau, wenn sie im Kajak sitzt, mitten in der Wildnis, links Canyon, rechts Canyon und weit und breit keine Sandbank in Sicht?
Richtig. Whiz Freedom ansetzen, Gurkenglas drunter und los geht's. Funzt nicht? Denkste, funzt super, schon ausprobiert und für Erheiterung gesorgt...und: gleiches Recht für alle - mindestens jedes zweite Lagerfeuer im Yukon ist meins ...;-))
















Tim Hardin - Hang On To A Dream [mp3]

The Beautiful South - Don't Fear The Reaper [mp3]

Sonntag, 13. Juli 2008

Und dann kam Daniel...





















...mit Klatsch und Tratsch, Skandalen und Skandälchen aus dem alten Konstanz.
Es war wieder mal so weit. Stadtführung die soundsovielte für Kollegen, Eingeborene und Reingschmeckte .
Einmal im Jahr Rollentausch, sich wie ein Touri fühlen, mit dem Foto alles Interessante Uninteressante ablichten wie ein Japaner, die Stadt mal anders sehen und neu entdecken mit Daniel, das ist Kult.
Bei wunderschönem Sommerwetter zogen wir vom Bodanplatz aus durch Stadelhofen Richtung Stadtkern und liessen uns von Daniel entführen an mittelalterliche Schauplätze des Grauens. Eine Gänsehaut jagte die andere, als der Historiker uns mit schauerlichen Geschichten über die Schappelers und die Stickels fütterte. Die historischen Mittel der Züchtigung liessen es uns immer wieder kalt über den Rücken laufen, was nicht mal unangenehm war in Anbetracht der hohen Lufttemperaturen.

Die Allianz der heissen Geschichten mit der Hitze der Stadt trieben uns am Schluss in den Biergarten, wo sich unsere ausgetrockneten Leiber und dürstenden Lippen an kühl-schäumendem Hopfensaft laben durften. Bevor der drohende Gewitterregen mein Bier verdünnen konnte, hatte ich mich verdünnisiert.
Das war wieder mal ein supertoller Ausklang der umtriebigen Arbeitswoche - Dank an Daniel und den grossen Organisator Königssohn!

Guano Apes - Big In Japan [mp3]
Avril Lavigne - Together [mp3]

Anatevka meets Konstanz


Welch ein Genuss, an einem wunderschönen, lauen Sommerabend am Konstanzer Münsterplatz auf das Schtetl Anatevka, dessen sympathischen Bewohner Tevje nebst Frau und ihren Stall halbwüchsiger Töchter zu treffen!
Das Musical vor historischer Kulisse war ein Bühnenschmankerl der besonderen Art, ein Stück voller Lebensweisheit und verschmitztem Humor. Wunderbare Akteure, die nicht nur grossartig spielten, sondern auch ihre Sangeskünste nicht verstecken brauchten, wurden von melancholischem Klezmer unaufdringlich begleitet.
Man konnte eintauchen in das Treiben in Anatevka, teilhaben am mehr oder weniger bunten Leben seiner Bewohner dank der realistischen Altstadtfassaden-Szenerie.
"Wenn ich einmal reich wär'. . . " - dieser Wunsch ist mehr als das Streben nach Geld und Gut: Reichtum heißt für den Milchmann Tevje auch Vertrauen, gute Gesprächspartner, familiäres Glück - für die Juden aus Anatevka eine Vision, die sie leben läßt, und für das Theaterpublikum der Schnittpunkt zwischen Bühne und Leben.
Begeisterter Beifall am Ende des ohne Pause gespielten Stücks wurde zu meiner grossen Verwunderung flankiert von einem Schild, auf dem tatsächlich zu lesen war: "Bitte leise applaudieren". Hatte ich etwas verpasst? Oder sollte das gar ein Witz sein?
Es wurde ganz und gar nicht leise geklatscht, sogar laute Beifallsrufe waren zu hören und aus den Reaktionen der benachbarten Zuschauer konnte ich folgern, dass es sich bei dem Schild keineswegs um einen Scherz handelte. Zuhause recherchierte ich dann in alten Zeitungen, und meine Befürchtungen bestätigten sich. Diese tolle Inszenierung, dieser Glückswurf für Konstanz wird von einem Häuflein kleinkariertem Bürgertum konterkariert?
Ich staune, obwohl ich ja schon des öfteren mit lärmgeplagten Konstanzern konfrontiert wurde.
Das darf alles gar nicht wahr sein, in welcher Stadt leben wir eigentlich???

Konstanz, eine weltoffene Stadt mit toleranten Menschen, für mich eine Vision und der Schnittpunkt zwischen Kunst und Leben.

Samstag, 12. Juli 2008

Bang your head




Apocalyptica - die apokalyptischen Reiter in der legendären Grossen Freiheit 36 in Hamburg. Seit Wochen war das Konzert ausverkauft und ich erfuhr erst am Samstag vorher davon, als ich anlässlich einer kommenden Tagung mal eben abends durch Hamburg googelte, um lohnende Events ausfindig zu machen.
Nicht gut, aber ich war wild entschlossen, Karten oder mindestens Eine dafür aufzutreiben. Bei ebay bot sich erst ein, später zwei Tickets. Das Erste machte ich gleich klar, das Zweite stand unter Beobachtung bis Sonntagabend. Um 23:58 Uhr war es dann mein. Freude...
Am nächsten Morgen ging mein Flieger schon relativ früh, da hatte ich anschliessend Zeit die Karten in HH einzusammeln um dann noch rechtzeitig zur ersten Tagungsrunde zu kommen.
Mein erstes Ticket hatte Mandelentzündung, das Zweite war zur Spätschicht verdonnert...traurig, wie das Leben manchmal spielt...des einen Leid, des anderen Freud.

Unter den Tagungsteilnehmern fanden sich dann drei weitere Apocalyptica Fans, ebay bot nochmals zwei Tickets aufgrund einer Blinddarmentzündung - das letzte erstanden wir 20 Minuten vor dem Konzert.

Der Sommer hatte inzwischen auch in Hamburg Einzug gehalten, die grosse Freiheit platzte aus allen Nähten und drinnen war ne Bombenstimmung. Es floss das Bier und der Schweiss ohne Fleiss schon vor dem Konzert - als die Apocalyptiker dann endlich unter frenetischem Applaus die Bühne betraten gab es kein Halten. Die Jungs brachtenn ihre Celli mit "Worlds Collide", "Grace" und "Last Hope" förmlich zum Brennen - die Temperatur im Saal stieg analog gut und gerne auf gefühlte 40°C.
"Bittersweet" und "Path" erzeugten dann trotz der Hitze eine Gänsehaut und die Headbangers im nahen Umfeld sorgten zusätzlich für frischen Wind.
Perttu Kivilaakso riss sich das Shirt vom nassgeschwitzten Leib und Eicca Toppinen fragte schüchtern ins Publikum: "wollt ihr schwimmen lernen wie Delphine?". Zur Abkühlung hätten wir das sicher alle gerne getan, die Antwort aus 1.300 Kehlen läutete dann aber die Coverversion von David Bowies "Heroes" ein.
Erstaunlich, wie die Jungs unbeeindruckt von der Hitze teuflisch wild ihre Celli bearbeiteten und ihre Köpfe kreisen liessen, einer knappen Andeutung zufolge würden sie aber lieber im Winter hier spielen.
Bei der letzten Zugabe ertönte dann endlich der "Seemann", auf den ich so lange gewartet hatte. Klasse, auch ohne die Stimme Nina Hagens.
Danach zog es uns rasch raus aus dem Schwitzkasten, die Luft hatte sich zum Glück etwas abgekühlt und wir liessen den Sommerabend auf der Reeperbahn ausklingen...vier Celli, fünf Finnen, eine tolle Stadt und nette Menschen...ein Sommernachtstraum!

Apocalyptica - Bittersweet [mp3]
Apocalyptica - Seemann [mp3]

Montag, 7. Juli 2008

Über den Wolken


Manchmal holt einem die Realität schonungslos grausam in die Niederungen des Alltags zurück, schmerzlich und heilsam, um mit klarem Kopf dem kommenden Tagesgeschäft nachgehen zu können.
Nein, ich hatte keinen guten Flug, obwohl ich zwei zur Auswahl hatte, Hamburg - Düsseldorf und Düsseldorf - Zürich. Es hätte einer besser sein können als der andere. Aber es war definitiv keiner von beiden auch nur annähernd gut, ganz im Gegenteil, einer war noch schlimmer als der andere. Wenn ich es genau überlege, kann es eigentlich gar keinen guten Flug von Hamburg zurück geben.
In Fuhlsbüttel fing das Unheil schon an. Aprupt wurde ich meinem Liebsten entrissen und vom quirligen Flughafenumtrieb verschluckt, um mich in einer fürchterlich langen Schlange von kurzhosigen, bedelatschigen und vorurlaubsfreudig lärmigen Menschen wieder zu finden - Stop and Go in einer Abgaswolke billigen Parfüms.
Endlich spuckte mich die Schlange am Schalter aus und das eine Kilo Übergewicht meines Koffers veranlasste die Dame hinterm Schalter dazu, ein Auge zuzudrücken. Immerhin. Ich war schon über die Boarding Time, also rannte ich zum Gate, schmiss mein Handgepäck aufs Band und stürmte durch die Pforte.
Irgendetwas piepste, vermutlich ging mir ein virtuelles Messer in der Hosentasche auf. Eine Dame befummelte mich von oben bis unten, dann von hinten bis vorne und befahl mir meine qualmenden Schuhe auszuziehen, bevor sie von mir abliess. Die nächste Schlange erwartete mich daraufhin vor der Damentoilette. Meine neuerworbene Stehpinkelhilfe hatte ich leider mit dem Gepäck aufgegeben, also kniff ich die Pobacken zusammen und beschloss mein Geschäft
über den Wolken zu verrichten. Eine weitere Warteschlange im Flieger wurde mir erspart, hatte ich doch in weiser Vorraussicht einen Platz in der ersten Reihe gewählt. Die erste Durchsage des Flugpersonals klärte uns über verspäteten Start auf - wir mussten noch auf einen Koffer warten. Vermutlich meinen. Bei der zweiten Durchsage waren es dann falsche Gepäckstücke, die
wieder aussortiert werden mussten. Ich hoffte, nicht meine. Das dauerte, und zwar eine komplette Stunde. Immerhin las ich in dieser ganzen Zeit meine halbe "Zeit" und mir
wurde dabei klar, für welches Klientel ein grosser Teil der Auflage dieser umfangreiche Wochenzeitung gemacht wird.
Der Flug verlief erstaunlich friedlich und der Anschlussflug schien zeittechnisch auch gesichert. Eigentlich war ich froh, mich in Düsseldorf nicht 1 Stunde auf dem Flughafen rumquälen zu müssen.
Direkt aus dem Hamburg Flieger konnte ich in den Zürich Flieger hüpfen, wo ich abermals einen Platz in der ersten Reihe hatte. Den Platz musste ich aber diesmal mit einem charmanten, ca. 4 Monate jungen Mann teilen. Doch, ich mag Kinder. Und verspüre so etwas wie Solidarität mit ihren Müttern. Also versuchte ich mich zu freuen, als der kleine Prinz mit seinen entzückenden, noppenbesockten Füsschen, in flottem Rhythmus in meine Seite strampelte und versorgte die
Mutter nebenbei mit dem Notwendigsten, da ich zwei Hände mehr frei hatte als sie.
Als die Durchsage kam, der Flug würde sich wegen mangelnden Flughafenpersonals verspäten, fing Prinzchen fürchterlich an zu schreien. Seine Mama wollte ihn nicht vor dem Startflug stillen, denn das Stillen fördert wohl den Druckausgleich.
Beinahe hätte ich mitgeschrien.
Es war wie Freitag Morgen im Bürgerbüro nach dem Markeziehen. Die Flugzeuge
standen in Reih und Glied vor der Startbahn und fuhren ca. alle 5 Minuten 100m weiter.
Go - Stop - Go - Stop - 45 Minuten und Prinzchen kommentierte fleissig und lautstark.
Ich war kurz davor, in den Klapptisch zu beissen.
Als der Airbus dann endlich durchstartete, wurde es still neben mir, Prinz Valentin nuckelte genüsslich und sein anschliessendes Bäuerchen machte er ordentlich in die dafür bereitgelegte Stoffwindel. Die Allianz aus säuerlichem Babymageninhalt und süsslichem Billigparfum ergab eine fast unwiderstehliche Duftmischung. Heimlich zog ich die Windel in Reichweite, um
dem Schlimmsten vorzubeugen.
Als wir dann über den Wolken schwebten, schien sich alles zum Guten zu wenden. Prinzchen gluckste vergnügt bei jedem Luftloch, ich kam der Klärung des Mordfalls in meinem Buch zweieinhalb Seiten näher und die monotone Kommunikation zwischen Mutter und Kind verführte mich zu einem Nickerchen und liess mich die Sorge um meinen wartenden Taxifahrer am Züricher Flughafen fast vergessen.
Als Erste stand ich dann in Zürich am Gepäckförderband, was mir aber nichts nützte, denn die Koffer waren langsamer. Nach einer Viertelstunde Wartezeit lief das Band an und ich war gespannt, ob mein Gepäck mir gefolgt war. Offensichtlich hatte es der Trolly genauso eilig, er kam als Dritter.
Fast glücklich zog ich ihn vom Band und dann hinter mir her Richtung Ausgang. Unter den Wartenden waren einige Taxifahrer vertreten, aber keiner von Dornheim. Ich schaute draussen, aber auch da sah ich nirgends ein Dornheimer Taxi. Nach einigem hin und her fragte ich einen anderen Konstanzer Taxifahrer, ob er Dornheim gesehen hätte. Er versicherte mir, diesen am Terminal 1 gesichtet zu haben. Mit flottem Tempo schritt ich Richtung Terminal 1, um dort festzustellen, dass Taxi Dornheim sich wohl schon auf dem Rückzug befand. Nachdem ich ihn erfolglos ausrufen liess funkte ich, leicht resigniert, mit der Konstanzer Zentrale, um genau
das zu erfahren, was ich schon befürchtet hatte. Mir wurde aber versichert, dass gleich ein Taxi losgeschickt würde, um mich spätestens in einer Stunde einzusammeln. Etwas zerknautscht sass ich im Cafe und freute mich, als der Taxifahrer schon nach einer halben Stunde erschien.
Als ich ihn auf der Rückfahrt fragte, warum er statt am Terminal 2 am Terminal 1 wartete und ob er nicht wusste, dass der Flug sich verspäten würde, sagte er mir, die ihm gemeldete Flugnummer wäre auf dem Ankunftsplan gar nicht erschienen. Ich verglich die Nummer mit meinem Flugschein - er hatte die von Hamburg nach Düsseldorf auf seinem Zettel...das gibt Ärger.

Zuhause wartete ein zufriedener Sohn mit Freundin, zwei hungrige Katzen, durstge Blumen, ein fast leerer Kühlschrank und - kein Liebster. Das fand ich am Schlimmsten.
Noch 3 lange Wochen, dann treffen wir uns im Yukon wieder...

Sonntag, 15. Juni 2008

Schluchten - die Via Mala

Nachdem es mir in der Ruinaulta ausserordentlich gut gefallen hat, beschloss ich, meinen Besuch aus den norddeutschen Niederungen in die Höhen und Tiefen der Schweizer Berge einzuführen.
Wir fuhren am Freitagabend nochmals in die Rheinschlucht um erst das gemeinsame Nächtigen im Zelt zu proben und am nächsten Morgen die Schlucht in umgekehrter Richtung zu laufen. In den Bergen gehe ich ungern 2x den gleichen Weg und...der frühe Vogel fängt den Wurm!
Die Vor-Fahrt gestaltete sich ein wenig aufregend, da mein Auto beschloss, auf's Wochenende hin zickig zu sein. Zur Strafe musste es sich dann bei meinem Haus- und Hofmechaniker einer Routineuntersuchung unterziehen. Diese ergab jedoch nichts, so fuhren wir, mit ADAC Ausweis bewaffnet, erst mal Richtung Schweizer Tankstelle.
Auf dem Weg dorthin ruckelte die Kiste noch mehrmals, nachdem sie sich vollaufen liess, schnurrte sie aber ohne Murren Richtung Graubünden.
Es war schon gegen 20:00 Uhr, als wir den lauschigen Campingplatz in Trin erreichten. Der Platz war nicht stark besetzt, ein paar Wohnwägen und keine Zelte, dafür standen dort drei Tipis für diverse Gruppenevents. Als Zweier-Kleingruppe mit geplantem Koch-Event fühlten wir uns willkommen im geräumigen Indianerzelt. Flugs flackerte auch schon ein Lagerfeuer, welches uns bei den doch noch recht kühlen, bergigen Nachttemperaturen ordentlich wärmte und für einen traumhaften Schlaf sorgte.
Nach reichlich heissem Kaffee und Frühstück zogen wir am nächsten Morgen los, der Himmel war ziemlich grau, aber es blieb trocken, was uns zum Wandern recht gelegen kam.
Es war auch das zweite mal ein Genuss, durch diese wilde Schlucht zu stromern und am Ende fuhren wir mit der Rhätischen Bahn von Castrisch wieder zurück nach Trin, immer das kühle Weizenbier im Garten vom Besenbeizli Trin-Station vor Augen. Dort erwartete uns stattdessen eine geschlossene Gesellschaft und recht enttäuscht trollten wir uns davon - immerhin wartete auch noch 1 Stunde Bergweg auf uns. Zum Glück las die Wirtin unsere Gedanken und lud uns zum Mittrinken ein. Das liessen wir uns nicht zweimal sagen, der Tag war vollends gerettet, auch wenn der folgende Weg dadurch nicht kürzer wurde.
Am Campingplatz angekommen, entrichteten wir unseren Obulus und machten uns anschliessend hoffnungsfroh auf den Weg ins Maggia-Tal im Tessin, war doch für dort sonniges Sommerwetter vorrausgesagt, während es in der Heimat ziemlich nass und grau werden sollte.
Müde aber glücklich, mit einem trockenen Roten liessen wir den schönen Tag ausklingen.
Unsere Erwartungen auf einen mediteranen Sommertag schrumpften am nächsten Morgen ziemlich, als wir die Regentropfen auf das Zelttdach prasseln hörten. Dicke, graue Wolkenschwaden hatten sich zwischen den Bergzügen verfangen und liessen die Hoffnungen auf ein Sonnenbad am Fluss auf ein Minimum schwinden. Nach diesem gruseligen Blick zippten wir den Eingang erst mal wieder zu, was allerdings den Regen nicht beeindruckte.
Etwas enttäuscht brachen wir dann die Zelte ab und fuhren zürück Richtung Bernardino, wo wir uns dann noch einen Abstecher in die grossartige, bis 500 m tiefe, 2,5 km lange, wildromantische Via Mala Klamm gönnten. Um zur Via Mala Schlucht und dem schönsten Teilstück der Via Mala zu gelangen fährt man von der Schnellstrasse Richtung San Bernadino kurz hinter Thusis ab. Die Schlucht, bzw. die Via Mala ist schon ab der Schnellstrasse beschildert. Ein moderner Wegelagerer liess uns für 3 Franken Einblick nehmen in ein beeindruckendes Naturmonument - Stein und Wasser schufen in tausenden von Jahren wundersame Formen, Muster und Farben - gewaltige Tiefen und steile, schroffe Felswände flankieren den faszinierenden Wasserlauf.
Die berauschenden Tiefblicke entschädigten uns jedenfalls angemessen für das verfrüht eingetroffene Regenwetter und zu Hause buchten wir dann gleich unsere Flüge nach Kanada...5 Wochen all inclusive...Zelt...Boot...Mann...Frau und Natur pur ;-)















Joe Bonamassa - Faux Mantini [mp3]

Montag, 19. Mai 2008

Schluchten - die Ruinaulta

"Die Ruinaulta in Graubünden ist eine der grossartigsten und vielfältigsten Landschaften der Alpen. Eine wilde Schlucht mit einem ungebändigten Fluss, weissen Steilwänden und weiten Wäldern. Die stillen Seen füllen sich wie von Geisterhand, bei den Auenwäldern brüten seltene Vögel. Selbst Orchideen findet man in diesem kleinen Paradies..."

Ein kleines Paradies ist sie in der Tat, die Ruinaulta, die Rheinschlucht unterhalb von Flims.
Meinen rechten Grosszeh hatte ich vorsichtshalber dick in Schaumstoff verpackt und dann zogen wir bei strahlend blauem Himmel und fast sommerlichen Temperaturen los.
Schon Castrisch, der urige, malerische Ausgangsort der Tour, lud zum Verweilen ein. Bei Castrisch ist das Tor zum Naturmonument Ruinaulta, der Rheinschlucht. Begonnen hat die Geschichte der Ruinaulta mit dem gewaltigen Flimser Bergsturz vor etwa 10'000 Jahren. Der Rhein wurde aufgestaut und bahnte sich in tausenden von Jahren seinen Weg - er formte so die Ruinaulta.
An den gemeinden Sagogn, Valendas und Versam vorbei wanderten wir, mal im Schatten, mal in der Sonne, auf gutem Weg durch den Grand Canyon der Schweiz. Zwischendurch luden zahlreiche Rastplätze mit Grillstellen zum Ausruhen ein, wir bevorzugten aber ein Lagerfeuer am Fluss. Würstchen und Bier hatten wir im Rucksack verstaut, mit dem haufenweise herumliegenden Trockenholz war das Feuer schnell entfacht und wir genossen nach dem Vesper ein Sonnenbad auf den warmen Steinen und schauten den Kanuten beim Spiel mit dem wilden Wasser zu.
Kurz vor Trin, der Endstation unserer Tour, ging der der Weg dann doch noch steil bergan, ca 450 Höhenmeter, wo wir dann oben angekommen mit einem atemberaubenden Blick in die Schlucht und auf die gegenüberliegenden, steil abfallenden Felswände belohnt wurden.
Da wir keine Karte dabei hatten und ein Wegweiser zur Bahnstation Trin fehlte, führte uns ein ziemlicher Umweg über Trin Mulin wieder hinunter in die Schlucht zu unserem vorläufigen Ziel, der Beiz am Bahnhof Trin. Dort liessen wir den zauberhaften Tag mit einem kühlen Radler im lauschigen Biergarten ausklingen, bevor uns die Rhätische Bahn nach Castrisch zurückbrachte.
Es muss nicht jeder Tag ein solcher sein, aber solche Tage wirken lange nach...

Joe Bonamassa - The River [mp3]