Sonntag, 2. August 2009

Der Speermürli-Blues



Erst auf den Berg zum Alm-Öhi, dann zum Küchenhock beim Stadt-Öhi und am Ende zum Blues, wie sich das gehört. So war der Plan.

I woke up that morning.

Um sechs in der Früh rief mich der sechste Berg in den vergangenen vier Wochen. Schweizer Nationalfeiertag, strahlend blauer Himmel und eine bomben Kondition boten beste Vorraussetzungen für einen Testlauf im nahen Toggenburg.
Die Tour zum Speermürli hat ähnliche Anforderungen wie ein Tagesetappe auf dem John-Muir-Trail: 18 km Wegstrecke, 1000 Höhenmeter, keine Seilbahn und Sonne pur. Auch die Tierwelt weist Ähnlichkeiten auf. Hier Kühe, dort Bären - beide braun, von vergleichbarer Körpermasse und die Verdauungsreste erreichen baugleiche Dimensionen. Einzig auf die Killer-Bremsen, die hier gleich zu Anfang in Legionen über mich herfielen, könnte ich dort verzichten. Ich hoffe mal, dass denen in einer Höhe von knapp 3.000 m die Luft ausgeht.

Got a good beer before the sun burnt my brain

Beim Abstieg verlieh uns ein kaltes Haldengut-Bier in Gesellschaft von frohen Bergmenschen Flügel, wir wären nach Nesslau geschwebt, hätten uns die schweren Wanderschuhe nicht geerdet. Auf dem letzten Wegabschnitt erschien uns ein motorisierter Bergengel, der mein Winken als Aufforderung zum Dienst am Nächsten missverstand und uns die letzten 2 km Fussweg zum Nesslauer Bahnhof ersparte. Festlich bekleidet mit Feinrippunterhemd schwelgte er gänseblümchenkauend in Kindheitserinnerungen, während wir an seinem Geburtshaus vorbeifuhren.























Got a good Ossobuco and the dog ate the bone

Eigentlich reif für die Couch, quälte ich mich nach der Rückkehr noch eine Runde durchs Kaufland, schmiss mich dann unter die Dusche und anschliessend in Schale. Ossobuco, Gemüsepfanne und köstliche Mangocreme, akkustisch bereichert durch B.B. King und John Mayall's Blues vom Laurel Canyon, erwiesen sich als angemessene Alternative zur Couch.
Unter den illustren Gästen befand sich auch ein tibetanischer Tempelhund mit vorzüglichen Tischmanieren und ein schwarzer Mann im Anzug. Der schwarze Mann trommelte mit seinen Fingern zum Blues und der Hund legte artig ein Ohr auf den Tisch. Die beiden forderten meine ganze Aufmerksamkeit.
Warum frisst der Hund die Knochen nur von der Serviette und nicht vom Teller? Wachsen Berge analog zum Alter? Frisst der Hund auch Mangoknochen?
Fragen, über Fragen, auf die wir bis in die frühen Morgenstunden keine befriedigenden Antworten fanden und mich den Blues of the Naturfreundehaus vergessen liessen.

I woke up this morning

Nein, ich hatte keinen dicken Kopf. Mit einer dicken, ballonförmigen Hand strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und blickte einäugig und ungläubig in den Spiegel. Das andere Auge war zwischen zwei kleineren Ballons verschwunden. An Armen und Beinen entdeckte ich noch weitere beulenartige Gebilde - die Killerbremsen hatten ganze Arbeit geleistet. Dagegen war kein Hausmittel gewachsen.

Got a good coffee before the doctor came around

In der Ambulanz wankte mir um fünf vor zwölf und kurz vor dem Zuquellen des zweiten Auges zwischen anderen Verunglückten ein sturzbetrunkener Mann mit eingenässter Hose entgegen, aus dem Sprechzimmer torkelte ein anderer, nicht weniger Besoffene mit ausgekugelter Schulter. Ich wünschte, mir würde die Nase auch noch zuquellen.
"Bisher hab ich noch nie jemand Cortison bei Insektenstichen verabreicht, aber so wie das aussieht..." meinte der Arzt sichtlich beeindruckt und verpasste mir die volle Ladung.
"Als Nebenwirkung bekommen Sie Flugzeuge im Bauch. Wie beim Verliebtsein."
Keine Ahnung, welche Drogen er zu sich genommen hatte, jedenfalls hatte ich diesen Zustand etwas anders in Erinnerung.

Draussen schüttete es wie aus Kübeln und die Polizei holte den Eigenässten zum Trocknen in die Ausnüchterungszelle ab.
Es juckte mich nicht im geringsten - meine Beulen dafür umso mehr.

John Mayall - Laurel Canyon Home [mp3]
John Lee Hooker - Mad Man Blues [mp3]
John Mayall - Medicine Man [mp3]
Del McCoury - Feel The Blues Movin' In [mp3]

Mittwoch, 29. Juli 2009

Hast Du den Blues?


Die Diskussion um den Blues sprengt langsam das Kommentarfeld. Deshalb hat
Egon's letzter Kommentar ein eigenes Posting verdient. Finde ich.






Egon
hat gesagt...

1. Blues beginnt fast immer mit "Woke up this morning"

2. "I got a good woman" ist ein schlechter Blues-Anfang, es sei denn, du denkst dir für die zweite Zeile etwas ganz Gemeines aus wie "I got a good woman with the meanest face in town" oder ähnlich Mieses.

3. Der Blues ist simpel. Wenn du die erste Zeile gesungen hast, wiederhole sie einfach. Dann mach dir darauf einen Reim, etwa so: "Got a good woman with the meanest face in town, Yes, I got a good woman with the meanest face in town. Got Teeth like Margaret Thatcher, and she weighs 500 pounds".

4. Der Blues bedeutet nicht unbegrenzte Möglichkeiten.

5. Blues Autos sind Chevies, Cadillacs and alte Pick-ups. Der Blues reist nicht im Volvo, BMW oder Daimler, auch nicht im Flugzeug. Andere Blues-Transportmittel sind der Greyhound Bus oder der Zug Richtung Süden. Zu Fuß unterwegs zu sein, spielt eine bedeutende Rolle im Blues Lifestyle, warten auf den Tod auch.

6. Teenager können keinen Blues spielen, sie warten noch nicht auf den nahen Tod. Erwachsene singen den Blues. Im Blues bedeutet erwachsen sein, dass du alt genug für den elektrischen Stuhl bist, wenn du einen Typen in Memphis erschießt.

7. Du kannst den Blues in New York City haben, aber nicht auf Hawaii oder irgendwo in Kanada. Schlechte Zeiten in Minneapolis oder Seattle bedeuten lediglich Depressionen, aber keinen Blues. Chicago, St. Louis und Kansas City sind immer noch die besten Plätze um den Blues zu haben.

8. Folgende Farben kommen im Blues nicht vor: a. violett b. beige c. mauve

9. Ein Mann mit Glatze symbolisiert keinen Blues. Eine Frau mit Glatze tut es. Sich das Bein beim Skifahren zu brechen symbolisiert nicht den Blues. Sich das Bein zu brechen, weil ein Krokodil darauf rumgekaut hat, tut es.

10. Du kannst keinen Blues im Büro oder im Einkaufszentrum haben. Das Licht passt einfach nicht. Geh raus auf den Parkplatz oder setz dich neben die Mülltonnen.

11. Gute Orte für den Blues sind: a. der Highway b. der Knast c. ein leeres Bett
Schlechte Plätze sind: a. KaDeWe b. Vernissagen c. Golf-Plätze

12. Niemand wird an Blues denken, wenn du einen Anzug trägst, Ausnahme: Du bist ein alter, farbiger Mann.

13. Hast du das Recht den Blues zu spielen? Ja, wenn:
a. Dein Vorname der eines Southern State ist, z.B. Georgia b. Du blind bist c. Du jemand in Memphis erschossen hast d. Du niemals zufrieden bist Nein, wenn: a. Du früher blind warst aber jetzt wieder sehen kannst b. Du taub bist c. Du eine Lebensversicherung hast

14. Julio Iglesias und Barbra Streisand können keinen Blues singen.

15. Blues ist keine Frage der Hautfarbe. Er ist eine Frage des Unglücks im Leben. Tiger Woods kann keinen Blues spielen. Sonny Liston könnte. Nur richtig hässliche Weiße haben auch einen Anspruch auf den Blues

16. Wenn du um Wasser bittest aber Benzin bekommst, das ist der Blues. Blues Getränke sind: a. Wein b. Whiskey c. trübes Wasser d. ekliger schwarzer Kaffee Keine Blues Getränke sind: a. alle Mixgetränke b. Brause (Pulver, Tabs, Würfel) c. Eistee

17. Wenn es in einer billigen Absteige oder bei einem Waffendealer passiert, dann ist es ein Blues-Tod. Von einem eifersüchtigen Liebhaber erstochen zu werden ist auch eine Art den Blues-Tod zu sterben. Ebenso der elektrische Stuhl, Überdosierung irgendwelcher Art oder die Weigerung von Notärzten, dich zu behandeln. Es ist kein Blues-Tod, während einer Schönheitsoperation zu sterben.

18. Ein paar Blues-Namen für Frauen: a. Sadie b. Big Mama c. Bessie

19. Ein paar Blues-Namen für Männer: a. Jo b. Willie c. Little Willie d. Lightning

20. Frauen mit dem Namen wie Sierra oder Sequoia können den Blues nicht spielen, völlig egal wie viele Leute sie in Memphis erschossen haben.

21. Blues-Namen-Bausatz:
a. körperliche Behinderung wählen: z.B. Blind, Cripple, Asthmatic...
b. Vorname = Wahl aus a. + Name einer Frucht z. B. Blind Lemon, Cripple Peach
c. Nachnahme eines Präsidenten z.B. Jefferson, Johnson, Fillmore...
d. Mixen!

22. Völlig egal, wie tragisch das Leben verläuft, wenn du einen Computer hast, kannst du nie den Blues spielen.

Zu klären bliebe da noch: hat mein Computer den Blues, wenn er einen Bluescreen hat ?

Dienstag, 28. Juli 2009

Auch Geiz ist geil im Pussy Club














Vorletzte Woche, beim Besuch eines Seminars, wurde von einer Seminarteilnehmerin offtopic folgender Brief vorgetragen und zur Unterschriftensammlung aufgefordert:

Offener Brief
Juli 2009
Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Herrn Ministerpräsident Günther Oettinger Herrn Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, Frau Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, Frau Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula von der Leyen, Herrn Minister Heribert Rech MdL, Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Herrn Minister Prof. Dr. Ulrich Goll MdL, Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Frau Ministerin Dr. Monika Stolz MdL, Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister,

wir, engagierte Bürgerinnen der Stadt Fellbach, Stadträtinnen und Vertreterinnen im Gleichstellungsbeirat, unterstützt durch ein breites Aktionsbündnis, zu dem sich Fellbacher Gruppen, das Stuttgarter Fraueninformationszentrum FIZ für Frauen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Osteuropa, Solwodi – Solidarität mit Frauen in Not, TERRE DES FEMMES e.V. und die Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten zusammengeschlossen haben, wenden uns mit einem dringenden Anliegen an Sie. Seit Anfang Juni 2009 wird in Fellbach ein „PUSSY-Club“ betrieben, der mit einer „Sex- Flatrate“ wirbt. In Zeitungsinseraten, auf Plakaten an öffentlichen Orten und Autos als Werbeträgern sowie auf einer Homepage wird das Angebot folgendermaßen beschrieben: „Sex mit allen Frauen so lange du willst, so oft du willst und wie du willst! Sex mit allen Extras! Analsex, Oralsex Natur, 3-er, Gruppensex, Gangbang … Alles ist möglich!“ „Sex-Flatrate + 100 Pussys.... Alles inklusive.“ Der Einheitspreis für diese Dienste beträgt 70 Euro tagsüber und 100 Euro abends. Mit diesem Geschäftsmodell wird die bisherige Praxis eines „Vertragsabschlusses“ zwischen Kunde und Prostituierter unterlaufen. Preis und Leistung sind bei einer „Sex-Flatrate“ nicht mehr frei verhandelbar. Dadurch wird den Frauen das bisherige Mindestmaß an Einflussnahme und Selbstbestimmung genommen. Nachdem bereits in Berlin, Wuppertal und Heidelberg solche Clubs betrieben werden, ist abzusehen, dass sich diese Geschäftspraxis weiter ausbreiten wird. Wir sind als Bürgerinnen und Bürger Fellbachs, der Region, Baden-Württembergs und der gesamten Republik zutiefst betroffen und schockiert über diese menschenunwürdige, frauenverachtende Geschäftspraxis. Zum Schutz dieser Frauen fordern wir Sie, Frau Bundeskanzlerin und Herr Ministerpräsident, sowie die verantwortlichen Ministerinnen und Minister des Bundes und der Länder, zum Handeln gegen eine Sex-Flatrate auf. Wir fordern, dass in das Prostitutionsgesetz der Schutz der Menschenwürde von Frauen, die als Prostituierte arbeiten, aufgenommen wird. Wir fordern das Verbot einer „Sex-Flatrate“. Wir fordern das Verbot der Werbung mit diesem Geschäftsmodell.

Fressen, Saufen, Ficken...Hauptsache viel und billig - einfach ekelerregend.
Wie lange dauert es noch, bis wir uns nur noch kriechend über die Erde bewegen?
Gute Nacht Zukunft, gute Nacht Welt
.

Der Arbeitsplatz der Seminarteilnehmerin befindet sich in der Nähe des Clubs und sie berichtete von mehreren Zwischenfällen, bei denen ver(w)irrte Freier auf dem Betriebsgelände nach "scharfen Ladies" Ausschau hielten und sie hiermit auf das Etablissement aufmerksam machten.
Bis dato hatte ich noch nichts über dieses "Geschäftsmodell" im Prostituiertengewerbe gehört. Wütend und empört über die menschenverachtende Geschäftspraxis versprach ich, den Brief hier zu veröffentlichen.
Nun haben sich die Geschehnisse um den Fellbacher "Pussy Club" überschlagen, der Club ist dicht - es hat sich erst mal ausgepusselt. Ein Lichtblick, ich dachte nicht, daß es soo flott geht.

Montag, 27. Juli 2009

Lost in Laurel Canyon

Reiseplanung

Heut abend blieb ich in San Francisco hängen. Erst auf der Karte, dann virtuell. Heisst, die Routenplanung schreitet voran. Es ist immer wieder spannend, ein Land erst auf der Landkarte zu erforschen, um es dann in 3 Wochen popelige Urlaubszeit zu verteilen. Waren das noch Zeiten...ohne wwww und Google Maps.
Mit Hilfe von Google Maps landete ich also heute abend in LA, dann ging es weiter über Fresno ins Yosemite Valley, mit dem Bus nach Mammoth Lakes und von dort mit Rucksack und Zelt 100 km durch die Sierra Nevada zurück ins Yosemite. Und schwupps - war ich schon in San Francisco. Dort verfranste ich mich ein wenig, erst in Fisherman's Wharf, dann im Mission District. Die Frage, ob man besser ein Bett im Hostel vorbucht, übersprang ich erst mal und fuhr gleich auf dem Highway No.1 weiter nach LA um dort eine Runde durch den Laurel Canyon zu drehen.

Freitag, 10. Juli 2009

Hitler und das Bergidyll

"Das Kehlsteinhaus war ein Projekt Martin Bormanns, das er im Namen der NSDAP Adolf Hitler zu dessen 50. Geburtstag schenkte. Hitler besuchte das Kehlsteinhaus allerdings äußerst selten.
Wenn auch keine Entscheidung Hitlers auf dem Kehlstein fiel, so steht das Haus doch für den Wahn seines Regimes, steht es für "seine Welt" am Obersalzberg, wo Pläne für Krieg und Massenmord geschmiedet wurden. Das Kehlsteinhaus war einst Geschenk der Partei, die sich willenlos jenem Mann unterwarf, der die Welt ins Unglück stürzen sollte. Scheinbar trotzig erhebt sich das Gebäude über der schroffen Steilwand - auch eine Straße in völlig unwegsamem Gelände hatte man dem Berg mit Gewalt abgerungen. Wenngleich eine architektonische Leistung, so war es auch ein Akt der Verschwendung von Natur und Ressourcen. Ein goldglänzender Aufzug inmitten des Berges, durch den man zum "Gipfel der Macht" gleichsam emporgehoben wurde - all das eignete sich nur zu gut, um Menschen zu blenden.Die Bomben der Aliierten im Zweiten Weltkrieg trafen das Kehlsteinhaus nicht. Dank des persönlichen Einsatzes des damaligen Landrats Jacob unterblieb auch die Sprengung des Hauses. Das Kehlsteinhaus ist daher heute noch in seiner ursprünglichen Form erhalten und wird seit 1952 als Berggasthaus durch private Pächter geführt. Der bayrische Staat hat 1960, anläßlich der 150 jährigen Zugehörigkeit des Berchtesgadener Landes zu Bayern, den Besitz in eine Stiftung eingebracht. Die Erträge fließen gemeinnützigen Zwecken zu.Heute bietet es vielen Menschen nicht nur einen einzigartigen Ausblick auf eine wunderschöne Landschaft, sondern auch die Chance zur Erinnerung und Aufklärung über die Abgründe einer menschenverachtenden Diktatur."
Quelle: Das Kehlsteinhaus

Vor ein paar Wochen besuchte ich den Obersalzberg und fuhr hinauf zum Adlerhorst.
Von oben hat man einen wunderbaren Blick auf die Berchtesgadener Alpen und mit ein wenig Glück in die Tiefe auf den Königsee. Die heutige Bergidylle einerseits und andererseits der zerstörerische, abgründige Geist der Vergangenheit, den man hier überall zu spüren meint, wecken ambivalente Gefühle. Man kann diesen Ort nicht unbeschwert geniessen.
Trotzdem bin ich froh, dort gewesen zu sein. Der Besuch hat mich zutiefst beeindruckt und nachdenklich gemacht.

Am Wochenende ziehts mich erneut dorthin, allerdings werd ich einen Nachbarberg besteigen und aus wohltuender Distanz einen Blick auf den Kehlstein werfen.
Anschliessend gehts zur Grauzellenfrischkur - eine Woche Schulbank drücken.

Also, bleibt sauber, bis die Tage.

Zur Überbrückung gibt's ne ganz feine Ladung auf die Ohren.

Bruce Cockburn - Last Night Of The World [mp3]
Bruce Cockburn - Mango [mp3]

Bruce Cockburn - When You Give It Away [mp3]

John Mayall - Ready To Ride [mp3]
John Mayall - First Time Alone [mp3]
John Mayall - Somebody's Acting Like A Child [mp3]

Sonntag, 5. Juli 2009

I guess thats why they call it the blues



































































Berge und Blues sind immer eine besonders erfreuliche Kombination mit Seltenheitswert. Schon öfters träumte ich davon, statt unter Herscharen von Gipfelstürmern den Kuhglocken und Alphörnern zu lauschen, inmitten einer kleinen Fangemeinde auf dem Gipfel des Hohen Kasten dem Blues zu huldigen. Der Groove würde das Rheintal hinunter schallen und im Turnaround durch die Saxer Lücke am Alpstein entlang mit der Thermik zum Säntis hinaufgetragen werden. Das wäre der Gipfel !... bleibt aber erst mal Zukunftsmusik.
Immerhin hat sich der Blues den Bergen etwas angenähert. Am Samstag war Blues-Night in Gossau und von Gossau ist es ein Katzensprung in die Berge.

Turnschuhtauglich und genüsslich sollte unser Ziel sein, denn wir wollten beides - Blues und Berge. Was liegt da näher als der Kronberg? Viele Wege führen hinauf, mehr und weniger ausgetretene. Unser Weg sollte uns von Weissbad über Chlosterspitz und Scheidegg auf den Gipfel des Kronberg führen. Die Wegweiser verrieten uns erst mal nicht die Richtung. Nach einigem hin und her und Befragen von Eingeborenen pirschten wir uns langsam aber immer sicherer an den richtigen Einstieg. Von nun an gings bergauf. Eindrucksvolle Wolkenformationen verfingen sich in respektvollem Abstand ringsum in den höheren Gipfeln, doch das befürchtete Gewitter blieb aus. Statt dessen schien die Sonne mit uns zu wandern und bescherte uns herrliche Licht- und Schattenspiele. Legionen von Gleitschirmfliegern schraubten sich in der wohl vorzüglichen Thermik über die Felsen des Alpsteins und flogen lautlos - gefolgt von neidischen Blicken - über unseren Köpfen hinweg.
Bei einem kühlen Bier in Scheidegg beschlossen wir, den Gipfel des Kronbergs in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde links liegen zu lassen und den Rückweg über Ahorn anzutreten. Über bunte Bergwiesen, durch schattigen Wald und einen wildromantischen Tobel erreichten wir nach ca. 2 Stunden unseren Ausgangsort Weissbad.
Raus aus den Bergstiefeln, Klamottenwechsel, rein ins Auto und ab nach Gossau. Der Marktplatz dort empfing uns gut gelaunt und gut gefüllt. Halb Appenzell, Inner- Ausser- und Mittelrhoden war hier unterwegs...Wahnsinn !
Die Schweizer Chickenhouse Texas Rythm n'Blues Band heizte auf dem Marktplatz schon mächtig ein - keine Musik zum Füsse hochlegen, aber für Leute, die nicht auf dem Berg waren, durchaus hüpftauglich.
Pünktlich um 20:30 Uhr erschienen auf der Bühne der Markthalle dann unsere Lokalmatadore Skin n'Bone und begeisterten mit ihrem erdigen Blues in bewährter Manier das Publikum. Die englischsprachigen Ansagen befremdeten etwas, aber nach anfänglichen Berührunsängsten und Schwede's Bekenntnis "mir sind halt Camper" rückte das Volk den spielfreudigen Jungs immer dichter auf den Pelz und entlockte ihnen am Ende noch eine Zugabe.
Die Nacht war lau, die Stimmung toll und der Blues sowieso kein Hindernis, bis um 2 Uhr durchzufeiern - aber unsere immer schwerer werdenden Knochen forderten zum Rückzug auf.
Und so kam es, dass ich schon kurz nach Mitternacht in den Federn lag...and I guess thats why they call it the blues.

Sonntag, 28. Juni 2009

Dream Theater






























Gestern Abend in der Sporthalle in Wettingen boten die New Yorker Metal-Pioniere ein astreines Konzert. Allein der Umstand, dass wir gefühlte vier Kilometer von der Bühne entfernt standen, die schätzungsweise ***tausend Fans sich wie die Sardinen in der Büchse davor drängelten und ein weiteres Vordringen unmöglicht machten, schmälerte das visuelle Erleben etwas. Zum Glück bekamen wir dafür einen ordentlichen Ohrgasmus.
Man brauchte nicht mal zu tanzen, die durchaus melodiös gespielten Basslinien brachten Bauch-Beine-Po von ganz alleine in Schwingung. Obwohl ich keine Stöpsel drin hatte, klingelten meine Ohren anschliessend nicht und ich hörte hinterher genauso schlecht wie vorher.
Gut konditioniert, meine Ohren. Oder - das Alter hat auch Vorteile.
Egal.
Es war saugut. Es war voll. Es war laut. Es war heiss. Und es floss unter anderem auch viel Schweiss.
Der Weg nach draussen führte am Hallenbad vorbei. Ironie des Schicksals. Gerne hätte ich einen Sprung ins kühlende Nass gewagt. Doch da waren Scheiben dazwischen.

Obwohl wir durch den regen Verkehr auf der Rückfahrt etwas ausgebremst wurden, verlief sie doch völlig unspektakulär. Kein Hagel, kein Donner und kein einziger Blitz erleuchtete den Nachthimmel.
Donnerwetter, Wettingen hat auch was. Aber Openair oder im Hallenstadion wäre der Knaller gewesen.

Dream Theater - Take The Time [mp3]
Dream Theater - Pull Me Under [mp3]
Dream Theater - Learning To Live [mp3]

Laurel Canyon

"Zu Beginn war alles einfach, beschaulich, gemütlich, liebenswert und ruhig. Am Anfang stand der Entdeckergeist, der künstlerisch geprägte Idealismus, die musikalische Aufbruchsstimmung, geschürt durch die Elektrifizierung des Folk und die folgende, blumenreiche Hochzeit zwischen Country-, Rock- und Folk- und Singer-Songwritermentalität. THE BYRDS, BUFFALO SPRINGFIELD, Joni Mitchell, Frank Zappa, THE MAMAS & THE PAPAS, insbesondere deren gewichtige Vorsteherin Cass Elliott bewässerten innerhalb des sagenumwobenen Laurel Canyon musikalisches Neuland, und die Früchte, die alsbald darauf erwuchsen, waren so betörend süß, dass es einem die Sinne vernebelte.

Michael Walker, selbst Bewohner des Laurel Canyon und geschätzter Journalist für diverse Postillen wie 'The New York Times' und 'Los Angeles Times' machte sich also auf, den Geheimnissen des Canyon ein wenig intensiver zu folgen, um sie anschließend in diesem sehr unterhaltsamen und spannenden Buch zu veröffentlichen. Hierzu befragte er in endlosen Interview-Sessions diverse Zeitzeugen (Gail Zappa, Chris Hillman, Graham Nash, Pamela Des Barres u.a.) und ehemalige Bewohner des Canyon, um quasi einen schillernden Regenbogen aus irrwitzigen Anekdoten und frappierenden Insider-Informationen zu gestalten.
Der Leser wird schnurstracks in diese brodelnde Sechziger Jahre-Ära versetzt, in der Hippietum und Bohème als konterkulturelle Strömungen die verkrusteten Gesellschaftsstrukturen und eingleisigen Denkweisen aufzuweichen versuchte, nicht zuletzt durch freizügigen Genuß bewußtseinserweiternder Drogen.
Die Musik, die seinerzeit dabei entstand, besitzt bis heute prägenden Charakter für Heerscharen Nachgeborener. Einflüsse von Bands wie THE BYRDS, THE EAGLES, Crosby, Stills, Nash & Young, Joni Mitchell und Jackson Browne lassen sich einfach nicht verleugnen. Der sogennannte Westcoast-Sound wurde zum Trademark, entwickelte sich aber im Laufe der folgenden Jahre zu einem immer starrer werdenden Gebilde und verriet unter Einflussnahme des großen Geldes und eines explodierenden Drogengenusses seine eigenen Wurzeln und degenerierte schließlich mehr und mehr zu einem dekadenten und snobistisch verklärten Kunstprodukt, das sämtliche Ecken und Kanten, jeglichen Charme verloren hatte. Ende der Siebziger Jahre war wirklich alles vorüber, die süßen Früchte des Laurel Canyon überreif, gärend, geplatzt und verfault. Ein zum Himmel stinkendes Gewirr aus fehlgeleiteten Träumen und Idealen.

Diese teilweise aberwitzige, zeitweilig sehr spannende, bisweilen anrührende, mitunter auch haarsträubende Geschichte erzählt uns Michael Walker in klarer, sehr differenzierter Sprache, meist sehr sachlich, selten einmal überschwänglich, nie aufschneiderisch und macht dieses sehr empfehlenswerte Buch zu einer aufregenden Reise in eine Welt, in der die Rockmusik noch frische Luft atmete und bereit war, in einem halsbrecherischem Spurt für aufsehenerregende Geschehnisse zu sorgen. Eine wichtige Zeit, eine Ära stilbildender Rock-Strömungen, doch leider auch der Beginn des Ausverkaufs im Rock'n'Roll-Business. Dieses absolut kurzweilige Buch sollte für jeden rockmusikalisch interessierten Liebhaber zur Pflichtlektüre werden."

Quelle: "Home of Rock"

Demnächst werd ich mir Laurel Canyon live anschauen. Das Buch dazu kommt hoffentlich bald und ich freu mich - auf Beides.

Danke Egon für den heissen Tipp !

Sonntag, 21. Juni 2009

Schuld war nur der Büffel-Rock

Der Briefträger hat heute wieder mal ganze Arbeit geleistet. Lesenswertes und Papiermüll füllte den Briefkasten gleichermassen. Zwischen "Gesundheit und Gesellschaft", "political correct darf man den eigentlich nicht lesen" und "direkt" der Werbebrief einer penetranten Fern-Akademie, die mir ständig Wissensdefizite suggeriert. Die üblichen Rechnungen, eine davon üblicher als normal. Hektisch riss ich das Kuvert auf - die Stadtverwaltung Radolfzell bittet zur Kasse. "Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 8 km" - macht 15 €. Puuuhhh! Gut überschritten...da war ich schon schneller unterwegs.
Wer fährt auch schon spät nachts ohne Not durch Liggeringen? Natürlich - der Büffel Rock war schuld.

Vom Flughafen Zürich kommend, wollte ich auf keinen Fall die letzten vier Songs von Skin n' Bone und deren letzte, allerletzte und allerallerletzte Zugaben im Gelände der lauschigen Bisonstube verpassen. Ordentlich ab Ortseingang 50 km/h gefahren, bis das blöde 40er Schild auftauchte. Und dann der Blitz, aber kein Gewitter weit und breit. OK - Frieden, obwohl die Knochen schon noch ne allerallerallerletzte Zugabe hätten spendieren können...für 15 €.
Vor der Rückfahrt sprach ich ein ernstes Wort mit meinem Gasfuss und er gehorchte. In Liggeringen war der Druck aufs Pedal aus gegebenem Anlass besonders behutsam. Fuss und Sonstiges waren schon beinahe eingeschlafen - bis ich vor Schreck fast das Lenkrad küsste. Von links überholte mich ein kühner Schatten - Fuchs? Hase?
Nein, es war ein Reifen. Ein Autoreifen. Der nachmitternächtlich eingeschränkte Blickwinkel hielt mich wohl zum Narren...aber mein Beifahrer war zum Glück Zeuge und konnte den Spuk - als er vor unseren Augen in den Acker rollte - eindeutig als Reifen identifizieren.

Liggerinen hat was.

Wie auch immer, ganz unten im Poststapel fand sich dann doch noch ein Schmankerl:



Drem Theater - Finally Free [mp3]
Tribe - rescue Me [mp3]
Marillon - What Ever Is Wrong With You [mp3]
Tomahawk - Mayday [mp3]
Godspeed You! Black Emperor - Moya [mp3]

Samstag, 20. Juni 2009

Ayran und Ananas



Ein friedlich besinnlicher Tag heute, das letzte turbulente Wochenende und die unfreundliche Witterung laden zu beschaulicher Hausarbeit ein. Alles schon eingekauft - es fehlt mir nichts. Bis auf... Türk usullerine uygun - auch Ayran genannt. Ist momentan mein Favorit unter den Getränken. Das gibts im Kaufland, aber nicht in meinem Schrank. Und Ananas. Von Ananas könnte ich mich ernähren. Wenn das mit der Klimaerwärmung voran geht, werd ich mir eine Ananaspalme pflanzen, im Sommer die Früchte ernten, in Ringe schneiden und mit einem Glas kühlem Ayran in der Hängemattte geniessen. Mindestens...
Zwischen meiner Gier, der Ananas und dem Ayran liegt nur der Katzensprung ins Kaufland. Nach kurzer Überwindungsphase - es ist schliesslich nach 21 Uhr und rush hour da unten - ein heisser Ritt auf meinem Drahtesel und ab ins Getümmel.
Mit verschränkten Armen und stierem Blick, wie Zinnsoldaten, stehen Securities im Laden verteilt. Ich greife meine reduzierte Ananas und eile zum Milchregal. Ein Security kommt mir entgegen, im Schlepptau einen Jungen. 16, vielleicht 17 Jahre alt mag er sein. Kaum fähig zu laufen, seine Knie knicken immer wieder ein, dann sackt er zusammen. Sein kräftiger, schwarzbekleideter Bewacher zieht ihn hoch und schleppt ihn zum Ausgang.
Ich schnapp mir die letzten 4 Tüten Ayran. "Hey Alter, isch will aber Wodka"..."halts Maul Alter !" Sechs Jugendliche rangeln sich am Regal des ultimativen Samstagabendkicks. Der Regalauffüller nebendran greift zum Handy, die Jungs rangeln sich Richtung Kasse und ich in gebührendem Abstand hinterher.
Bevor ich dort ankomme, fliegt mir eine Tüte Reibekäse um die Ohren. Handball mit der Käsetüte - darfs sonst noch was sein? Zwei Buben haben sich wohl in der Ürtlichkeit geirrt und wähnen sich auf dem Bolzplatz. Bis die beherzte Fleischfachverkäuferin hinter ihrer Theke hervorkeift "Schluss jetzt !!!" Aber wirklich...
"War alles recht ?" an der Kasse mit dem erstaunlich freundlichen, jungen Mann schon. "Jaja" murmle ich etwas verstört und packe meine Ananas und Ayrans in den Korb.

Zuhause trinke ich eine Tüte Ayran und denke an den Jungen mit den weichen Knien.

Der Welt lauschen
























"Jedesmal, wenn sich irgendwo in unserer Zivilisation ein leerer Raum auftut, beeilen wir uns - statt dass wir darin eine Gelegenheit sehen, unser Lebensgefühl zu vertiefen - , ihn mit Lärm, Spielzeug und "Kultur" zu füllen.


Deshalb brauchen wir Orte, wie den Indianerhüttensee. Orte, an denen wir "der Welt lauschen" können..... Vielleicht können wir lernen, wieder der Welt zu lauschen. Wer weiß, welches Geheimnis sich uns entdeckte?"

Der Welt lauschen...."

Kenneth White: Der blaue Weg. Eine Reise

Dienstag, 2. Juni 2009

Open See

Kaufland im Seerheincenter am Samstag abend...immer wieder ein Erlebnis! Wenn's zu vermeiden ist, sollte man es. Wenn nicht, könnte man es zu einer Studienexkursion ausdehnen. Es war wieder mal angesagt - der Besuch am Nachmittag hatte den Inhalt des Kühli's bis auf wenige klägliche Reste dezimiert. Milchbutterkäse und Wurst ins Körbchen, die Zehen immer schön in Verteidigungsstellung, ein Schwatz hier und dann einer da mit freundlichen und genervten Freundeslippen. Bei der Einen blieb die Zeit stehen - "siehst aber gut aus" - bei der Anderen sind doch im Laufe der Jahre dreieinhalb Falten dazugekommen - "die Frisur steht Dir aber gut"...Augen sprechen Bände und Finger tasten sich über Abgelaufenes, immer auf der Suche nach dem Schnäppchen, hungrig auf Reduziertes und Geschmacksverstärktes. Je später der Abend, desto jünger die Kundschaft. Es ist noch früh am Abend, also ist Mittel-Alter unterwegs. Die wenigen Studies lungern an den Regalen und studieren die Etikette des ultimativen Samstagabendkicks - grillen? besaufen? oder beides? Selbstzensur - bevor ich hier in Plattitüden abschweife. Vom Lippenbekenntnis "oh, Du, das mach ich nie wieder" ist es nicht weit bis zur Kasse, doch bis zur Erleichterung des Geldbeutels dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Die Schlange ist lang, das Körbchen schwer - Geduld, Geduld...ein paar Bierkisten, Tüten, Dosen und Grillwürste weiter - endlich naht die Erlösung. "War alles recht?" Nach einem souveränen "klar doch" ergreife ich leichten Herzens und befüllten Körbchens die Flucht in Richtung Rolltreppe, dann aufs Fahrrad und nach kurzem Entladen - da war doch noch was - in den Stadtgarten.
Open-See wartet, das Indipendent Festival des Kulas, umsonst, draussen und offen am See.























"The Bite" hab ich zugunsten eines üppig gefüllten Kühlschranks und glücklicher Familienmitglieder, Freunden und Freundesfreunden leider verpasst.
Dafür stehen schon die Mitglieder der "Oxford Montalvo Bäänt"- eine 7 Mann-Formation aus Konstanz - auf der Bühne und heizen mit ihrem Ska Pogo schräg und mächtig ein. Frisch bläst nicht nur der Nord-Ost-Wind über den See, auch die Mucke tönt locker mit erfrischend sozialkritisch-deutschen Texten aus der Konzertmuschel und lockt manches Bein zum Hüpfen.

Der Stadtgarten füllt sich allmählich - es herrscht Festival-Stimmung. "Slartybartfast" aus Winterthur tun sich dann etwas schwer, nach dem fetzigen Ska das Gute-Laune-Niveau zu halten. Mit ihrer durchaus sauber gespielten, ganz eigenen Mischung aus Punk, Rock und Pop, schaffen sie es nicht so recht, das Publikum aus der Reserve zu locken.

Zu guter Letzt begeistert die "Toni Hoffmann Band" mit etwas leiseren Tönen die etwa 2000 Besucher. Schöne Pop-Balladen singt der 22-jährigen Songwriter und Musiker Toni Hoffmann mit weicher, aber kräftiger Stimme, begleitet von Schlagzeug und Gitarre.

"Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist". Die Demo-CD der Hoffmann's kaufe ich dem Mädel gerne für fünf Öre ab, dann fordern mich meine Beine kurz vor dem Schlusstakt auf, dem Sprichwort zu folgen, denn am nächsten Tag wollen sie mich leichtfüssig in die Berge tragen...

Open-See - eine klasse Event, um jungen, regionalen Musikern die Chance zu bieten, ihr Können unter professionellen Bedingungen einem breiten Publikum zu präsentieren.
Herzlichen Dank an dieser Stelle den Organisatoren des Kulturladens !

Toni Hoffmann Band - Land Floating Fish [mp3]
Toni Hoffmann Band - Who ? Am [mp3]
Toni Hoffmann Band - Nothing [mp3]
Toni Hoffmann Band - Would You Mind Me [mp3]

Dienstag, 26. Mai 2009

Ach du grüner Himmel...

Dann flog ein Riese von einem Hagelkorn an meinem Bürofenster vorbei und ich war froh, dass die nachfolgenden zwergwüchsig waren.
Die schönen Erdbeeren. Zum Glück hab ich einige davon gerettet und in sichere Gläser verpackt...

The Doors - Riders On The Storm [mp3]
The Cure - Strange Day [mp3]

Mittwoch, 20. Mai 2009

Kannst Du mal....


Kannst Du mich mal bei der Sitzung vertreten? Kannst Du mal hier noch einen Schalter einbauen? Der Lieferant braucht die Maße, kannst Du mal eben nachschauen? Kannst Du mal den Holger zurückrufen? Kannst Du mal...
Pfingsten steht vor der Tür, Christi Auffahrt und Brückentag und dazu toller Sonnenschein - das riecht nach Urlaub. Dünn besetzt die Büros, blöd wenn man da keinen Urlaub hat, weil man grade in Urlaub war und anschliessend auf Seminar.
Für den übriggebliebenen Haufen wird es heiss und das nicht nur, weil die Sonne erbarmungslos die Bude aufheizt, auch die Rechner und das Telefon laufen zur Hochform auf und haben einen nicht unwesentlichen Anteil an der Schweissproduktion.
Kannstdumaltage sind mir ein Greuel, auch wenn das gefühlte Selbstbewusstsein von Stunde zu Stunde in schwindelnde Höhen steigt - kannsdumal - selten ist man so wichtig und unentbehrlich. Kannsumal, o hehre Hüterin der heiligen Systeme und Retterin der Brückentage - yes, I can !
Parallel dazu drängt sich manchmal die schüchterne Frage auf: "Kannst Du mal dafür sorgen, dass mein Gehaltszettel zum erfreulichen Anblick wird?" Da kommt die Crux. Anstatt eines herzhaften "Yes I can" erntet man stets ein müdes, unehrenhaftes Lächeln - "Du kannst mich mal" steht dem Befragten förmlich ins Gesicht geschrieben.
Diese Woche konnte ich mal öfters. So oft, bis ich nicht mehr konnte, sondern mal musste und dann wollte. Ich wollte nicht mehr können, ich wollte in den Feierabend, der Firma in dezentem Selbstmitleid den Rücken kehren um mich auf den kommenden Brückentag einzustimmen.
Als die heimische Haustüre endlich leise hinter mir ins Schloss gefallen war, Rucksack und Tasche ihren Platz im Standby gefunden hatten, stand wortlos aber mit vorwurfsvollem Blick die Katze neben dem leeren Futternapf. Auf dem Weg zum Kühlschrank fand ich einen harmlos wirkenden Zettel auf dem Küchentisch: "kannst Du mal bitte staubsaugen"...

P.S. ich kann jetzt mal die Füsse hochlegen und wünsche allen Lesern, Nichtlesern, Urlaubern und Brückentagnehmern ein schönes, langes Wochenende

Graffity Island - Head Hunters [mp3]
Silent Years - On Your Way Home [mp3]
Traffic - Uninspired [mp3]
Slaid Cleaves - I Feel The Blues Moving In [mp3]
Del Mc Coury - I Feel The Blues Movin' In [mp3]

Sonntag, 17. Mai 2009

Paris liegt nicht in Afrika

Mit einem freundlichen "au revoir" entliess uns Air France am Terminal 2G des Aéroport Paris-Charles-de-Gaulle, dem zweitgrössten Flughafen Europas. Gigantomanie in Reinkultur, ganz im Gegensatz zu dem geschrumpften Flieger, der uns in 1 1/2 Stunden von Zürich hierher schaukelte.
Erstmal eine Viertelstunde mit dem Bus über eine belebte Geisterbahn bis zum Hauptterminal, dort ein Dreitagesticket für die öffentlichen Verkehrsmittel gekauft und dann weiter mit der S-Bahn RER zum Gare Du Nord - alles ohne erwähnenswerte Wartezeiten.
Der erste Eindruck sorgte für Verwirrung, denn wir blickten fast ausschliesslich in dunkelhäutige Gesichter. Zwickt's mi - nein, wir sind hier nicht in Afrika, wir sind mitten in Paris...es wimmelt hier von Immigranten, überwiegend aus Afrika und Asien.
Völlig zusammenhangslos überraschte mich am Ende der Rolltreppe eine Tretmiene in Form eines grossen, braunen Haufens - merde !! Mit einem akrobatischen Sprung rettete ich meine neuen Schuhe hinüber. Diese Tretminen sollten die kommenden Tage unsere treuen Begleiter auf dem Pariser Strassenpflaster bleiben. Aha - wir sind hier auch nicht im Schwabenland...

Die Clochards hatten sich schon häuslich vor dem Bahnhof eingerichtet, als wir mit dem Stadtplan bewaffnet Kurs auf unser Ziel nahmen. Das nahegelegene "Perfect Hostel" im Stadtteil Montmartre erfordert einen nur ca. 10minütigen Fussmarsch vom Bahnhof und ist von dort aus leicht zu finden.
Alles lief nach Plan, der Pförtner händigte uns den Schlüssel für das gebuchte Zimmer aus, dann rein in den winzigen Fahrstuhl, der uns ächzend in den 6.Stock beförderte. Ein schnuckliges Kämmerchen mit Blümchentapete erwartete uns, klein aber fast fein, immerhin sauber und mit allem ausgestattet, was man vor, während und nach dem Schlafen braucht. Sogar das Wasser lief und die Steckdosen funktionierten, was für den minimalen Preis nicht unbedingt üblich ist. Das Schönste aber war das bis zum Boden reichende Fenster mit dem frankreichüblichen, schmiedeeisernen Gitter davor. Und dann der herrliche Blick über die Pariser Dächer - vive la France !
In Montmartre sucht man nicht lange nach einer passenden Kneipe, an jeder Ecke und auch zwischendrin findet man Pubs, Thailänder, Chinesen, Inder und Araber ect. Wir entschieden uns für den Thailänder gleich über der Strasse, wo wir für wenig Euros unseren Kohldampf angemessen stillen konnten.

Die Nacht war ruhig und am nächsten Tag flüchteten wir nach einem kurzen Abstecher aus dem Getümmel der nahegelgenen Basilique du Sacré-Cœur ins noch grössere Getümmel auf dem ältesten Pariser Flohmarkt, dem "marché aux puces de Saint-Ouen" am "Porte de Clignancourt". Ca. 2500 Händler feilschen auf dem legendären Flohmarkt um vieles, was das Herz begehrt aber der Geldbeutel verwehrt. Auf dem riesigen Kleidermarkt dominieren Schwarz- und Nordafrikaner, der Antiquitätenmarkt ist überwiegend den Franzosen vorbehalten. Dank der Kombination von Ramsch, astronomischen Preisen und Gepäckbegrenzung, überstand unser Portemonnaie diesen Tag relativ zugeknöpft - 2 T-Shirts uns 2 Schals waren die magere Ausbeute.

Den folgenden Tag widmeten wir der Totenstadt Père Lachaise, dem berühmten und grössten Friedhof von Paris und darauf freuten wir uns ganz besonders. Bei inzwischen fast sommerlicher Witterung fuhren wir mit der Metro durch das alte Arbeiterviertel Belleville, dem Geburtsort von Edith Piaf, wo uns mitten im Trubel der Grossstadt hinter dickem Friedhofsgemäuer ein herrlicher Park mit selten schönem Baumbestand empfing. Eine Oase der Ruhe und ein wahrhaft phantastisches Labyrinth eröffnete sich uns im Land der Toten mit seinen Grabkapellen, aus Baumkronen geformten Gewölben, Seitenalleen und Wegen. Vampirismus, Totenkult, schwarze Messen und Prostitution soll es an diesem ausserdewöhnlichen Ort geben, aber ausser einer schwarzen Katze, die mit ausgestreckter Zunge unseren Weg kreuzte, um es sich anschliessend auf einr aufgewärmten Grabplatte gemütlich zu machen, erlebten wir nichts Ungewöhnliches.
Apropos Katzen, sie sind wohl die eigentlichen Herrscher vom Père Lachaise. Man trifft sie überall und in vielen Grabkapellen haben Tierfreunde mit Stroh ausgefütterte Kartons aufgestellt. Und mittendrin die Träger grosser Namen. Meist führten uns kleine Menschentrauben aus Wallfahrern an deren letzte Ruhestätte. Molière und Oscar Wilde, die Piaf und Jim Morrison, die Ältesten in dieser Gemeinschaft, Heloise und Abélard und viele andere sind an diesem mystischen Ort im Tode vereint.














Am meisten berührt hat mich der Gang durch die Strasse der Opfer des Nazi-Regimes. Eine schier endlose Anreihung von Mahnmalen der verschiedenen Konzentrationslager lässt einem erschauern und ruft das schreckliche Ausmass dieser Greuel in Erinnerung.
Ein Tag ist fast zu kurz, um die Schönheit dieser Stätte und den Zauber der Erinnerung an die Idole vergangener Tage in vollem Umfang geniessen zu können, doch die immer schwerer werdenden Füsse forderten schliesslich zum Rückzug auf.

Was wäre ein Parisbesuch ohne seine Monumente, den Louvre, den Eiffelturm, die Tuillerien, Notre Dame und die Champs Elyées gesehen zu haben? Eigentlich ganz in Ordnung, jedoch unmöglich.
Die Nacht davor war laut, so laut, dass es selbst mich mit normalerweise gesgnetem Schlaf um die Ruhe brachte. Im Nachbarzimmer hatte sich ein chinesisches Paar eingemietet, welches die halbe Nacht in aussergewöhnlich unangenehmer Tonlage aufgeregt plapperte. Nicht nur das - Tüere auf, Türe zu, Türe nochmal zu und Wasser an. Klospülung. Schlüssel ins Loch, siebenmal rumgedreht, Türe auf, Türe zu. Lachen. Ratsch - nicht mal das Licht konnten die leise ausmachen...kurz bevor der Tiger in mir erwachte trat dann Stille ein.

Das Paris-Pflichtprogramm am nächsten Tag war anstrengend und beeindruckend gleichermassen. Strahlender Sonnenschein lud uns zwischendrin immer wieder zum "terrassieren" ein: im Strassencafe sitzen und bei einem petit Café die Flanierenden beobachten - eine Lieblingsbeschäftigung der Franzosen. Der illuminierte Eiffelturm sollte das krönende Finale am Abend sein. Ganze Legionen von aufdringlichen Strassenhändlern mit Unmengen an kitschigen Souveniers mussten wir davor abschütteln, doch irgendwann hatten wir uns mit den anderen Menschenmassen zum Wahrzeichen von Paris durchgekämpft. Beachtliche Schlangen vor den Aufzügen trieben uns dazu, die 1665 Stufen zur 2. Plattform per Pedes zu erklimmen - die oberste Plattform war zum Glück gesperrt. Ein atemberaubendes 360° Panorama und das anschliessende Aufflackern der Beleuchtung belohnte uns reichlich.
Da unser Flieger tags darauf erst am Abend abheben sollte, nutzten wir die verbleibende Zeit und unternahmen einen ausgiebigen Bummel durch Montmartre. Ein Besuch im "Musée de l'Erotisme" am Boulevard de Clichy erwies sich als aufschlussreich, amusant und sehr empfehlenswert. Moulin Rouge und ähnliche Etablissements gaben ausser Fotomotiven zu morgendlicher Stunde nichts Aufregendes her, so kauften wir ein Stück Käse, Tomaten und eines der wichtigsten Pariser Accesoires - ein Baguette - klemmten es ortsüblich unter den Arm und verbanden das Abschiedspicknik mit einem Abstecher bei "La Gouloue" auf dem Cimetière de Montmartre.

Mit vielen, tollen Erinnerungen kehrten wir Paris den Rücken - die Rückreise ging ruckzuck. Bis wir in Konstanz am Bahnhof ankamen. Dort waren die Bürgersteige schon hochgeklappt und wir mussten ernüchtert feststellen, dass der nächste Bus erst 1 Stunde später fährt.
Tja, Konstanz liegt halt nicht in Paris, aber zum Glück gibt es Freunde...

St.Vincent - Paris Is Burning [mp3]
Morrissey - I'm Throwing My Arms Around Paris [mp3]
Tom Brosseau - I Love Paris [mp3]
Magnetic Fields - Love Goes Home To Paris [mp3]
Les Baxter - The Poor People Of Paris [mp3]
Anamia _ Butterfly In Paris [mp3]

Sonntag, 10. Mai 2009

Freitag, 1. Mai 2009

Tommy Emmanuel - the wizard from Down Under

Bereits im Alter von 4 Jahren bekam Tommy von seinem Vater die erste Giterre, lernte von seiner Mutter die ersten Griffe und dann das Gitarrespielen im Selbststudium nach Gehör.

You Tube ist toll. Manchmal. Wenn man hin- und her- und dann zufällig über Musikvideos wie "Classical Gas" von Tommy Emmanuel surft. Die Initialzündung - als ich das Video sah, war klar: den muss ich live sehen, unbedingt!
Letzten Montag war es dann soweit. Im ausverkauften Züricher Volkshaus hatte der Hexenmeister der akustischen Gitarre seinen einzigartigen Auftritt.
Das Intro gehörte Rick Price. Der Singer und Songwriter aus Australien bot mit gänsehauttauglicher Stimme und exzellentem Gitarrenspiel eine halbstündige, schöne Einstimmung.
Dann, als käme er gerade aus dem Outback, das Hemd lässig über der Hose hängend, stürmt Tommy die Bühne, begrüsst unprätentiös sein begeistertes Publikum und legt los. Das folgende zweistündiges Klangewitter, erzeugt von nur einem Mann und seiner Gitarre, kann man gut und gerne als genial und einmalig bezeichnen.
Tommy spielt nicht nur mit seinen Händen, der ganze Körper kommt zum Einsatz, während seine Finger unglaublich virtuos über die Saiten, das Griffbrett und den Gitarrenkörper tanzen. Unwillkürlich sucht man nach dem Bassisten, den Drums und dem zweiten Gitarristen - mit seinem versierten Spiel ersetzt das Energiebündel eine ganze Band. Das klingt nach Django Reinhardt und Country, nach Irland und mal nach Spanien, aber immer unnachahmlich und unverwechselbar nach Tommy Emmanuel.
Musiker und Instrument scheinen zu verschmelzen - als wäre es die einfachste Sache der Welt und ganz ohne Starallüren vollzieht Tommy eine Gitarrenakrobatik, die manches Kopfschütteln und dann wieder spontane Beifallsorgien erzeugt und angesichts des Tempos manchmal schier den Atem raubt.
Sowohl Eigenkompositionen wie das Lied für seine Tochter "Angelina" als auch Klassiker wie "Michelle" oder "Over the rainbow", immer zaubert Tommy ein Feuerwerk aus verschiedenen Rhytmen und Tonarten, mitreissend und voller Enthusiasmus gespielt.
Finale und Höhepunkt des Konzerts war sicherlich "Initiation", Nachklang einer Einweihungszeremonie der Aborigines im Outback. Vögel schreien von der Gitarre, wilde Tiere rufen, stampfende Tänze und lodernde Feuer in schwarzer Nacht - man muss sich beherrschen, um nicht in ekstatisches Schreien zu verfallen. All das realisiert von einem Mann, seiner akustischen Gitarre und ihrem Verstärker, der für den Hall sorgt. Musik als Urerlebnis.

Stehende Ovationen beendeten das Musikereignis.

"Tommy Emmanuel kennt kaum jemand, ist aber wohl der beste Gitarrist der Welt" formulierte mal treffend ein Hörfunkmoderator.
Für mich ist Tommy Emmanuel der Hendrix der Akustik-Gitarre und dies war wohl das beste Konzert, welches ich je erlebt hab.

Tommy Emmanuel - Angelina [mp3]

Tommy Emmanuel - Morning Aire [mp3]
Tommy Emmanuel - Endless Road [mp3]

Tommy Emmanuel - Initiation

Dienstag, 28. April 2009

Und dann kam Jimi...

...aber dazu hat wils schon alles geschrieben. Er war schneller, denn ich durfte gestern gleich noch zu Tommy Emmanuel. Dazu später.

"Jimi war da".


Dem hab ich nix hinzuzufügen ausser: als leidenschaftlicher Hendrix-Fan war ich anfangs sehr skeptisch. Keiner könne den Jimi covern ohne dass es peinlich wird - dachte ich. Doch dann ging ich hin, sah und hörte. Und kam zu der Überzeugung: wenn es einer darf und kann, dann der Randy Hansen !

Bin dann mal wieder da...



Katze auf dem Père Lachaise

Mittwoch, 8. April 2009

Antony Hegarty - das weinende Licht

"Es tut weh, am leben zu sein. Aber wir denken immer, es sei nicht gut, wenn es schmerzt. Dabei ist alles Wachstum schmerzhaft. Und dann tut man einen Schritt zur Seite und staunt, wie schön das ist, was da gewachsen ist."
ANTONY HEGARTY


















Viele sind gekommen ins Kongresshaus nach Zürich an diesem Abend um ihn zu hören. Keine Lücke ist in den Reihen auszumachen.
Das Intro, die Tanzdarbietung eines - ja, was eigentlich? Fauns? Vogelmenschen? Hermaphroditen? - wird zur Geduldsprobe.
Ein endzeitlich und bis zur Schmerzgrenze intoniertes Vorspiel.
Selbst mit dem Opernglas ist nicht eindeutig auszumachen, ob Mann oder Frau. Später erst finde ich den Bezug zu Kazuo Ohno, den 103-jährigen Butoh Tänzer, der auch auf dem aktuellen Plattencover abgebildet ist und von dessen Ideen Antony sich bei seinen Auftritten leiten lässt.
Dann endlich - das Warten hat ein Ende.
Kein Engel schwebt herein, nein, ein Hüne aus Fleisch und Blut, gehüllt in eine Toga, verschwindet im Dunkeln hinterm Klavier. Und singt doch himmlisch. Und dieser von sehnsüchtiger Lyrik geprägte Gesang verleiht Flügel, trägt in ätherische Landschaften, wirbelt die Sinne durcheinander und führt sie wieder zusammen. Zur verletzlichen Schönheit der Poesie, der Klänge. Wie ein mäandernder Fluss, immer verhalten getragen durch seine spärlich beleuchtete Begleitband, ein kleines Symphonieorchster aus Cello, Geigen, Bass, Akustikgitarre, mal Saxophon und manchmal Schlagzeug.

Die Reise aus der New Yorker Subkultur ins gediegene Kongresshaus ist ihm gelungen.
Der Grenzgänger aus der "arty-punky-prostituty-transvestity" Szene füllt den Konzertsaal bis auf den letzten Platz, viele Wochen vor dem Termin war das Haus ausverkauft.
"Es ist wohl ein Zeichen der Zeit, dass einer wie ich ein solches Forum bekommen kann, ein solch grosses Publikum. Dass sie einem wie mir zuhören wollen. Ich glaube, die Leute sind auf der Suche. Genauso wie ich." sagte er in einem Interview.
Da schliesst sich der Kreis - Butoh, "Der Schritt im Dunkeln" und Kazuo Ohno's Tanz ins Licht.
Auch ich suchte, suchte an diesem Abend eine Antwort auf die Frage, was diese Stimme in mir berührt und warum sie nie kitschig oder weinerlich klingt, obwohl sie das könnte.
Ich bekam viele Antworten.
Antony lebt seine Balladen, schreitet mit brüchiger Stimme durchs Dunkel ins Licht, öffnet sich ganz, voller Hingabe. Eine Offenbarung. Obwohl gut verhüllt, hab ich selten einen Künstler auf der Bühne so nackt gesehen.
"Die Bühne, das ist für mich ein gefrorener See, und ich weiss nicht, ob das Eis hält. Ich trete darauf, liefere mich dem Publikum völlig aus und hoffe, nicht zu versinken. Das Risiko ist enorm , aber noch viel grösser ist meine Belohnung, wenn das Eis trägt."
Man sollte ihm nicht nur zuhören, sondern ihn auch verstehen.

Und dann die Metamorphose. Ein melancholischer Antony verwandelt sich in einen, der mit dem Publikum kokettiert, sich selbst auf die Schippe nimmt und Spässe macht, die häufig mit herzhaftem Lachen quittiert werden.
Es scheint so, als sei er mit einer guten Portion britischen Humors ausgestattet.
Nach der nächsten Sintflut wird Jesus eine Mädchen sein und überhaupt wäre die Welt unter weiblicher Führung eine bessere, sinniert er zwischendrin mit tiefer, leiser Stimme.
Man möchte ihm das gerne glauben, denn der fast kindlich anmutende Schalk unter der Toga entschärft den Hang zum Pathos.
Am Schluss, nach begeistertem Applaus und einigen Zugaben - alle sind schon im Aufbruch begriffen - erscheint er unverhofft noch mal allein auf der Bühne um seine Interpretation des Züricher "Mood" zu trällern. Sehr schräg, aber das Publikum hält etwas verstört inne und lauscht.

Nach diesem Konzert könnte man zwar vergessen, dass man Musik bisweilen nach Genre sortiert, aber diese zauberhafte Stimme vergisst man so schnell nicht. Sie ist wie Balsam und glättet manche Seelenfalte.

Antony & The Johnsons - AnotherWorld [mp3]
Antony & The Johnsons - Shake That Devil [mp3]
Antony & The Johnsons - Cripple And The Starfish [mp3]
Antony & The Johnsons - Hope Theres Someone [mp3]

Montag, 30. März 2009

Bevor uns das Wasser bis zum Halse steht...


...hab ich mein altes Auto-Wrack gegen ein krisensicheres, umweltverträgliches Boot eigetauscht.
Eine Abwrackprämie gab's dafür leider nicht :-(

Dienstag, 24. März 2009

jimi hendrix

Eine Biographie.
Lese sie gerade, nachts, vor dem Schlaf, um meine Träume zu beflügeln. Und im Wartezimmer, wenn die Zeit zwischen Gebrechlichen und Gebrechen wieder mal stillzustehen scheint.
Ein Geburtstagsgeschenk.

„Geräte sind nicht nur Verstärker seiner Gitarre, sondern Amplifier des Wunsches nach einer anderen Galaxie; Verstärker seiner Ausbruchssehnsucht, Raumschiffe zu einer anderen Körperbasis, von der aus die Electric Skies zu erreichen sind.“
Sätze wie diesen und viele andere kann man darin lesen, geschrieben von Klaus Theweleit und Rainer Höltschl.
In einen Meermann will er sich verwandeln, im Ozean neu aufleben. Die Wellen dafür gibt es schon, Schallwellen. Er reitet sie mit seiner E-Gitarre. Es spritzt, gurgelt, schäumt und stürmt. "Noise of the sea", schreit Jimi Hendrix, darin will er untergehen, "nicht um zu sterben", wie er versichert, "sondern um wiedergeboren zu werden". Die Erde hat er abgeschrieben, zu viele Kriege: "Every inch of earth is a fighting nest." ...steht in der "Zeit".

Die Nacht, in der ich geboren wurde, wurde der Mond feuerrot, ich schwör's.
Und meine arme Mutter schrie los: Gott! Der Zigeuner! Er hatte recht!
Und ich sah sie umfallen, tot.
Berglöwen fanden mich da wartend,
setzten mich auf Adlerflügel.
Der Vogel trug mich in die Aussenbezirke der Unendlichkeit,
und als er mich zurück nach hier brachte,
gab er mir Venus' Hexenring, sagte,
"Nun flieg weiter, flieg..."
Denn ich bin Voodoo Brut, Voodoo Chile..."

Es ist nicht immer einfach, dem fragmentierten Stoff zu folgen. Ein roter Faden begleitet einem jedoch hilfreich durch das Buch in Form eines lachsfarbenen Lesebandes. Artig platziert, und man findet im nächsten Wartezimmer gleich wieder den Einstieg in die psychedelischen Welten, in die Wah-Wah Effekte dieses göttlichen Virtuosen. Oder man liest die läppischen 224 Seiten gleich in einem Rutsch durch.
Anschliessend braucht man keinen Arzt mehr. Ein Buch wie Acid.

Jimi Hendrix - Cherokee Mist [mp3]

Jimi Hendrix - A Merman I Should Turn To Be [mp3]
Jimi Hendrix - Voodoo Chile [mp3]
Jimi Hendrix - Happy Birthday [mp3]

Donnerstag, 19. März 2009

Skandal im Sperrbezirk Südkurier

"Großer Streit um eine Inszenierung am Theater Konstanz: Wegen einer exzessiven Vergewaltigungsszene im Stück „Der Drache“, liegt nun eine Beschwerde vor. Das Ordnungsamt will das Stück erst ab 18 freigeben."

So stehts im SK online heute.
Es gäbe soviel, worüber man sich beschweren könnte, aber wer um Himmels Willen kommt denn auf die absurde Idee, gegen besagte Szene in "der Drache" Beschwerde beim Ordnungsamt einzulegen?
Als langjährige Abonnentin habe ich die Aufführung selbst gesehen. Die Vergewaltigungsszene hat mich berührt, ja, ich fand sie abstossend, doch im inhaltlichen Kontext war sie absolut passend und folgerichtig.
Die Szene ist keineswegs anzüglich oder reisserisch dargestellt, sie erzeugt aber Unbehagen, was zum Denken anregt.
Vergewaltigung ist eine sexualisierte Form der Ausübung von Macht und Kontrolle und nicht etwa die Befriedigung eines Sexualtriebes. Sie ist tief in den patriarchalen Kulturen verwurzelt. So findet man die Darstellung von Vergewaltigungen schon in Schöpfungsmythen und Legenden. Beispiele für Kriegsverbrechen von Männern sind auch die zahlreichen Vergewaltigungen in den eroberten Ostgebieten und in Deutschland.
Wie könnte ein Regisseur, der die Parabel von Jewgeni Schwarz auf die Bühne bringt, sich dessen verschliessen?

Bei seemoz las ich folgende Interpretation:
"Als sich die von Lanzelot geschwängerte, bereits in den Wehen liegende Elsa dem Ansinnen des Tyrannen widersetzt, wird sie von den Machthabern vergewaltigt. So abstoßend diese Szene auch sein mag, sie wird zur Metapher der hässlichsten Form männlicher Ausübung von Macht und Kontrolle. Fabian hat damit der Parabel die nötige Schärfe gelassen."

Dem kann ich inhaltlich voll beipflichten.

Vielleicht sollte sich der/die Beschwerdegänger/in mehr um Interpretation und Inhalt eines Theaterstücks bemühen!